Boom und Lockdown: Wie geht das Umkircher Fahrradlädele mit der Krise um? f79 – das Jugendmagazin | 18.05.2021 | Jorrit Lindl und Florian Klein

Der Sommer steht vor der Tür, viele freuen sich aufs Radfahren. Doch wie sieht es während der Pandemie aus bei Problemen mit dem Rad? Oder wenn ein neues Rad gebraucht wird? Mit diesen Fragen haben sich die f79-Autoren Jorrit Lindl und Florian Klein beschäftigt. Dazu haben sie Pirmin Lindl vom Umkircher Fahrradlädele interviewt.

Pirmin Lindl vom Umkircher Fahrradlädele

f79: Herr Lindl, was hat sich seit Beginn der Pandemie für Sie verändert?  
  
Lindl: Verändert hat sich eigentlich nur, dass wir auf Abstandsregeln achten müssen. Wir müssen die Besucherzahlen im Laden reduzieren, damit wir da keine Probleme bekommen. Da das Geschäft sehr klein ist und die Gänge sehr schmal sind, ist es nahezu unmöglich, den Mindestabstand zu wahren. Die Lösung ist, dass wir maximal drei Personen in den Laden lassen, der Rest muss leider draußen warten. Aber gut, man ist es ja mittlerweile gewohnt, dass man etwas Rücksicht nehmen muss. Ansonsten hat sich eigentlich nur verändert, dass wir mit Mundschutz arbeiten müssen, was die Arbeit etwas erschwert. 

f79: Mussten Mitarbeiter in Kurzarbeit gehen oder sogar entlassen werden?   
  
Lindl: Kurzarbeit war nicht notwendig, wir haben eher mehr Arbeit, dadurch dass Leute nicht mit Bus und Bahn fahren möchten und lieber aufs Fahrrad umgestiegen sind. Kurzarbeit ist überhaupt kein Thema gewesen, wir könnten sogar Leute einstellen, aber zurzeit sind in der Zweiradbranche die Chancen jemanden zu bekommen eher schlecht, weil fast alle einen festen Job haben. 

f79: Was ist das Schwierigste für Sie in der aktuellen Lage?  

Lindl: Das Schwierigste ist die Ersatzteilversorgung. Das Problem ist, die Ersatzteile kommen meistens aus Vietnam, Taiwan, Bangladesch, Japan und China. Dort sind die Transportwege immer noch gestört und der Lieferverzug ist extrem. Wenn zum Beispiel in den genannten Ländern das Werk einen Tag zu ist, heißt das sechs Wochen Lieferverzug bei uns.   
  

f79: Zeigen die Kunden Verständnis gegenüber Ihnen und der schwierigen Situation?  

Lindl: Es ist unterschiedlich. Die meisten Kunden verstehen, dass Ersatzteile nicht immer zur Verfügung stehen, wenn man sie braucht. Das Problem ist, wenn es keine Teile gibt, kann man nichts verbauen. Dann kann es schwierig werden, das den Leuten verständlich zu machen. Man stößt teilweise auf Unverständnis, da das Fahrrad meistens dringend gebraucht wird.

Übersteht die Krise: Das Umkircher Fahrradlädele


f79: Hat sich die Pandemie für ihr Geschäft eher positiv oder negativ ausgewirkt?

Lindl: Also geschäftstechnisch ist es positiv. Die Umsätze sind gestiegen, das ist kein Geheimnis. Es war auch überall in der Presse zu lesen, dass die Zweiradbranche da eher ein Gewinner der Coronakrise ist. Im Verhältnis zum letzten Jahr hatten wir einen starken Anstieg. Aber es wird schwierig, mit dem gleichen Personal das Doppelte an Kundschaft zu bedienen.  

f79:  
Wie kann man in diesen Zeiten noch ein Fahrrad kaufen, wenn die Verkaufsflächen geschlossen sind?  

Lindl: Man kann Fahrräder bestellen über Klick und Collect. Man kann Fahrräder auch im Internet bestellen. Ich rate aber davon ab. Ein Fahrrad muss Probe gefahren werden. Das ist wie Schuhe kaufen. Die kaufe ich auch nicht, bevor ich sie nicht anprobiert habe.  Für alle, die jetzt kein Fahrrad haben, würde ich empfehlen, noch abzuwarten, bis man in den Laden kann und Probe fahren, damit man eine Beratung und eine vernünftige Einweisung bekommt. Dass macht auf jeden Fall mehr Sinn, als jetzt schnell ein Fahrrad zu kaufen, in der Hoffnung, dass es passt. Oftmals ist es so, dass es dann doch nicht passt. Nun hat man viel Geld für etwas ausgegeben, was letztendlich nicht zu einem passt. 
  
f79: Wird der Online-Handel durch die Schließungen der Verkaufsflächen zu einer großen Konkurrenz für Sie?  

Lindl: Der Onlinehandel ist ganz klar eine Konkurrenz. Aber ich glaube nicht, dass der Onlinehandel die Fachgeschäfte vor Ort ersetzt, weil es viele Leute gibt, die Wert auf eine vernünftige Beratung und Probefahrt legen. Außerdem wollen auch viele das Produkt anfassen, bevor sie es kaufen. 

f79: Wie gehen Fahrradläden mit der Krise um? 

Lindl: Die Probleme der Pandemie mal außer Acht lassend, würde ich mir wünschen, dass einmal die E-Mobilität gefördert wird. Es gibt zum Beispiel Modelle, bei denen man einen alten Motorroller in Zahlung geben kann und bekommt im Gegenzug eine Prämie für ein neues E-Bike. Was ich noch wichtig finde ist, dass die Nachhaltigkeit mehr gefördert wird. Es ist leider so, dass Akkus und ähnliche kritische Bauteile nicht repariert werden, sondern im Ganzen entsorgt werden müssen. Die Litihiumionen-Akkus der E-Bikes sind Sondermüll. Außerdem ist Lithium sehr selten und wird unter teils nicht humanen Bedingungen in Südamerika abgebaut. Da finde ich, sollte die Politik mehr Regelungen für die Hersteller machen, dass diese gezwungen sind Reparatursätze und auch Schulungen für Reparaturen anzubieten.  
 
  
f79: Inwiefern sind Sie während der Pandemie erreichbar?  

Lindl: Wir sind weiterhin erreichbar über Telefon und über Mail. Außerdem stehen wir vor Ort für Reparaturen zur Verfügung. Was schwierig ist, ist wie gesagt der Neuradverkauf, da derzeit (stand Februar) keine Probefahrten gemacht werden können. Aber bei Fragen einfach bei uns im Laden melden. 

Info

Pirmin Lindl ist 27 Jahre alt. Er ist gelernter Zweiradmechatroniker Fachrichtung Fahrradtechnik und Angestellter im Umkircher Fahrradlädele. Das Fahradlädele existiert seit 1981 und beschäftigt derzeit acht Angestellte und bietet Pedelecs und E-Bikes, aber auch Trekkingräder Kinderräder, Rennräder und Sonderanfertigungen. Dieses Jahr ist für das Fahrradlädele ein  besonderes: Es feiert 40-jähriges Bestehen.

Fotos: © pixabay & Umkircher Fahrradlädele