Eule und Lerche über Pro und Contra des frühen Schulstarts f79 – das Jugendmagazin | 01.10.2019 | Hannah Singler, Philip Thomas

Wecker mit Verlauf

Bei der Frage nach der richtigen Uhrzeit für den Schulstart scheiden sich die Geister. Eule und Lerche im Für und Wider.

Wann wachen die Menschen endlich auf?

Leistungsdruck, Überforderung, Stress. Viele Schüler leiden darunter. Der Wunsch, gute Leistungen zu erbringen, ist groß. Die Lösung soll nun ein späterer Schulbeginn sein. Und schon glaubt man, dass dadurch alle Probleme gelöst werden? Das eigentliche Problem von Erschöpfung wird damit nicht bekämpft.

Ausreichend Schlaf ist wichtig, keine Frage. Eine Studie der Universität Washington zeigt: Die Schlafdauer bei Schülern verlängert sich, wenn die Schule 55 Minuten später startet. Die Schüler sind wacher. Aber bringt ein späterer Schulbeginn wirklich mehr Schlaf? Nein! Auf lange Sicht werden die Schüler später ins Bett gehen. Der Tag verschiebt sich nach hinten. Gerade in der Oberstufe sind sieben Stunden mit Pausen an der Tagesordnung. Wer dann noch seinen Hobbys nachgehen möchte oder auf die nächste Klausur lernen muss, ist schnell überfordert. Der Ausweg ist dann weniger Schlaf. Das kann niemand wollen.

Oft wird die Bedeutung der Schlafqualität vernachlässigt. 43 Prozent der Schüler leiden nach Untersuchungen der DAK Gesundheit 2017 unter Stress. 32 Prozent davon klagen über Schlafprobleme. Stress und schlechter Schlaf hängen demnach zusammen. Trotz der empfohlenen achteinhalb Stunden Schlaf können Schüler erschöpft und unkonzentriert sein. Viel wichtiger als später Aufstehen ist: Stress reduzieren. 

In meiner eigenen Schulzeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich meine Leistungshochs immer in den Morgenstunden hatte. Je später es wurde, desto weniger konnte ich mich konzentrieren. Wer bereits morgens viel geleistet hat, fühlt sich produktiver.

Ein späterer Schulstart hat auch für Lehrer Konsequenzen. Viele haben Familie und sind darauf angewiesen, nachmittags zu Hause zu sein. Durch einen späteren Schulstart wird der Beruf noch unattraktiver. Der Lehrermangel wird dadurch nicht zurückgehen. Und so steht fest: Ein späterer Schulbeginn ist nur ein weiterer Versuch, die Symptome zu beheben – nicht aber die Ursache.

Hannah Singler

CONTRA

Langschläfer leben länger

Als leidenschaftlicher Langschläfer war meine Schulzeit ein Alptraum, denn nie hat man mich schlafen lassen. Leider wird die Welt von Morgenmenschen regiert. Der frühe Vogel gilt als besonders tüchtig und bruttosozialproduktionsfreundlich. Und danach sind die Uhren gestellt. Wer hat das eigentlich beschlossen? Frühaufsteher, natürlich. Schließlich lagen wir Nachteulen bei der Abstimmung noch im Bett.

Dabei kann Schlafentzug in der Schule, der übrigens auch in Guantanamo zum Einsatz kommt, einfach kuriert werden: Unterricht ließe sich problemlos eine Stunde in den Nachmittag verschieben. Ausgeschlafen haben Schüler mehr von einem kürzeren Tag, und vor dem Fernseher ist die Zeit auch weniger wertvoll als in den Federn. Wer sich schon einmal morgens nach dem schrillen Alarm im warmen Bett umgedreht hat, weiß, wie kostbar nur fünf Minuten sein können.

Statt der Tapferkeitsmedaille erwartet Morgenmuffel in der ersten Stunde dann aber nur Spott. Gerne auch von Lehrern, deren biologische Uhr aufgrund des ausgewachsenen Altersunterschiedes anders tickt. Man sei in der Schule, um etwas zu lernen, heißt es dann. Vergessen wird: Auch das passiert im Schlaf.

Wird die Revolution hier verpennt? Ob Schweinefleisch in Kitas oder Nationalhymnen vor Länderspielen: Empörungskultur macht heutzutage vor nichts mehr halt. Nur eben vor dem Wecker. Unmut über Uhrzeit à la „Wissen Sie eigentlich, wie viel Uhr es ist?!“ funktioniert nur in den Abendstunden und nicht etwa am frühen Morgen. Ich kann auch den Zorn jedes Lehrers verstehen, der um 23 Uhr angerufen und nach den Themen für eine Klausur angehauen wird. Aber dann fragt mich im Umkehrschluss bitte nicht um 7.50 Uhr nach der Quadratwurzel aus drei.

Philip Thomas

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