Jagd mit bloßen Händen f79 – das Jugendmagazin | 01.12.2017 | Jasmin Bergmann

„Deine Stadt ist essbar“, heißt ein neues Buch. Stimmt das wirklich? f79-Autorin Jasmin Bergmann hat sich auf die Suche nach Wildpflanzen gemacht. Und mit ihrer Ausbeute Rezepte aus dem Buch „Geh raus! Deine Stadt ist essbar“ getestet. Überrascht musste sie feststellen, dass etwas garstige Wurzeln besser schmecken als sie aussehen.

Bepackt mit einer Schaufel, Handschuhen, kleinen Beuteln, einer Waage und dem Buch „Geh raus! Deine Stadt ist essbar“, radle ich los. Schon nach nur 100 Metern werde ich in Sexau fündig: Die ersten Zutaten für eines der Rezepte liegen auf dem Boden. Ich sammle eifrig die Haselnüsse ein und wiege sie am Straßenrand: 300 Gramm müssen es für die „Müsliriegel“ sein. Später stellt sich heraus, dass es Eicheln und keine Haselnüsse sind. Anfängerfehler. So viel zu: Sammle nur, was du sicher bestimmen kannst.

Mein nächstes Ziel ist eine Wiese. Dort hoffe ich, Spitzwegerich und Brennnessel zu finden. Ich fühle mich wie ein Jäger, der wachsam seine Umgebung beobachtet. Fast unscheinbar ragen einige Brennnesselstängel aus dem Gras. Vorsichtig, mit einer Plastiktüte als Schutzschild um meine Hand, zupfte ich einzeln die Blätter ab. Nur drei Meter nebenan wächst der Spitzwegerich mit seinen bereits vertrockneten Blüten. Die Spitzwegerich-Brennnessel-Suppe ist schon mal gebongt.

Die größte Herausforderung liegt noch vor mir: die Löwenzahnwurzeln. Laut Buch sind nicht nur die Blätter, sondern auch deren Wurzeln essbar. Dass diese jedoch sauschwer zu bekommen sind, schreiben die Autoren nicht. Ich merke schnell: Die Wurzeln brechen leicht ab und sind ziemlich verworren in der Erde. Mit dem Ziehen an den Blättern komme ich nicht weiter. Also muss die Schaufel her. Für die „Panierte Löwenzahnwurzel“ benötigt man eigentlich 350 Gramm. Nach 30 Minuten verzweifelter Buddelei wiege ich den Ertrag: schlappe 50 Gramm. Satt werde ich davon nicht. Aber was soll’s? Für den Moment reicht’s mir.

Stolz auf meinen Fang, radle ich mit der Beute meiner Jagd nach Hause. Zunächst wasche ich alles gründlich – auch wegen der Angst vor Fuchsbandwurm. Vor dem warnen die Autoren des Buchs eindringlich. Da die Löwenzahnwurzeln ziemlich dreckig sind, schäle ich sie mühsam. Ich bin froh, dass ich notfalls noch eine Packung Nudeln und Tomatensoße da habe. Dafür geht das Panieren dann ganz einfach. Und zu meiner Überraschung schmecken die Wurzelklumpen ganz gut. Wenn auch etwas bitter im Abgang.

Die Spitzwegerich-Brennnessel-Suppe ist unkompliziert. Zu dem Grünzeug gebe ich Gemüsebrühe und Milch. Skeptisch rühre ich im Topf mit den geschnippelten Zutaten. Den Gedanken an Hundepipi und Fuchsbandwurm verdränge ich jetzt einfach mal. Ich püriere den Topfinhalt, auch wenn das im Rezept so nicht steht. Und fertig ist die Spitzwegerich-Brennnessel-Suppe. Ein gutes Rezept, denn die Zutaten waren leicht zu finden und das Essen schnell gemacht. Das Rezept findet auf jeden Fall einen Platz in meinem zukünftigen Speiseplan.

„Deine Stadt ist essbar“ hat nicht zu viel versprochen. Mit ein bisschen Knowhow kommt man schon ziemlich weit: Es war spannend und irgendwie abenteuerlich, sich sein Essen in der Natur zusammenzusuchen. Das Supermarktregal ist zwar immer gut gefüllt, aber teurer und sicherlich nicht so umweltfreundlich wie die selbst geernteten Köstlichkeiten. Allerdings braucht man dafür Zeit. Das Sammeln ist aufwendig und somit sicherlich nichts für jeden Tag.

Geh raus! Deine Stadt ist essbar
192 Seiten,
Taschenbuch
smarticular, 2017
Preis: 14,95 Euro

Foto: © Jasmin Bergmann