„Welt der Männer“: Mira Zöllin macht ein Orientierungsjahr für MINT-Fächer Job & Karriere | 22.10.2020 | Liliane Herzberg

proTechnicale; Mira Zöllin

Praktika, Bewerbungstraining, Impro-Theater: An Abwechslung fehlt es Mira Zöllin nicht. Sie hat vor einem Jahr Abitur gemacht. Seit Oktober ist sie Teilnehmerin am MINT-Gap-Year von proTechnicale. Dabei lernt die 19-Jährige mit zehn anderen Frauen die Themen klassischer Männerberufe kennen.

Nach dem Abitur in Bad Bellingen bei Lörrach wusste Mira nicht, was sie studieren soll. Durch Zufall stieß sie auf das MINT-Studienvorbereitungsjahr. Die Abkürzung steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. „Ich hab von proTechnicale gelesen, zwei Tage vor Bewerbungsende, habe meine Unterlagen hingesendet und wurde direkt angenommen“, berichtet die 19-Jährige. „Ich war in Mathe schon immer gut, deshalb dachte ich, dass der technische Bereich vielleicht richtig ist.“

In ihrer Familie macht das bisher keiner. „Ich wollte mir das jetzt einfach mal an­schauen“,­ sagt Mira. Es stimme, dass vielen Mädchen gesagt würde, sie sollten lieber was Weiblicheres machen. Beispielsweise Jura. Jungs würden im Zweifelsfall eher technische Berufe erlernen.

Das Studienvorbereitungs- und Orientierungsjahr richtet sich ausschließlich an Frauen. Die SOPHIA.T gGmbH bietet es seit 2011 für je 14 Teilnehmerinnen an. „Ich habe selbst drei Töchter und ich finde es wichtig, jungen Frauen den Rücken zu stärken“, erklärt Projektkoordinatorin Wiebke Pomplun. So könnten sich diese auch in von Männern dominierten Berufen behaupten. Die Stadt Hamburg unterstützt das Projekt. Anfangs gab’s auch Support vom Bundes­ministerium für Bildung.

Von Anfang Oktober bis Ende August lernen die Teilnehmerinnen Mathematik, Physik, technisches Englisch und Zeichnen sowie Computer Aided Design (CAD) oder Philosophie. Sie absolvieren mehrwöchige Praktika im In- und Ausland sowie Schnuppertage an Hochschulen. So erlangen sie etwa Einblick in die Themen Luft- und Raumfahrt, alternative Energien und Informationstechnologie. Außerdem sammeln sie Credit-Points, die sie sich im späteren Studium anrechnen lassen können.

„Was mir gefällt, sind die Soft-Skill-Angebote“, sagt Mira. Dabei habe sie viel gelernt vom Bewerbungstraining über Schreibworkshops und Impro-Theater. Außerdem schätzt sie das WG-Leben in Hamburg. Auch das sei ein Ziel, erklärt Pomplun: „Wir fördern ja Social Skills und wollen ihr Selbstbewusstsein stärken, sie von innen heraus stark machen.“

Für die Praktika steht den Teilnehmerinnen ein Netzwerk bekannter Firmen bereit, etwa Airbus oder Safran. Mira ist begeistert von ihrem Praktikum bei Airbus: „Das ist bisher mein einziges und es hat mir sehr gut gefallen, weil man einfach mal so in die Berufswelt reinschauen konnte.“

Kostenlos ist das Gap Year nicht: Die monatliche Teilnahmegebühr beträgt 760 Euro. Damit der Zugang allen gewährleistet ist, erhält grundsätzlich jede Teilnehmerin von proTechnicale ein Sonderstipendium. Zusätzlich kann ein Normalstipendium beantragt werden, das abhängig vom Einkommen der Eltern ist. „Ich kriege relativ viel, also ich zahle im Monat keine 100 Euro. Und da helfen mir meine Eltern“, berichtet Mira.

Dass nur Frauen gefördert werden, sieht sie gespalten. „Ich hatte früher einen Schulkameraden, der wollte das auch unbedingt machen, bis er herausgefunden hat, dass es nur für Mädchen ist.“ Gerade bei der Arbeit fände sie es „blöd, wenn ich besser behandelt werden würde, nur weil ich eine Frau bin“. Alles in allem empfinde sie das Programm dennoch als etwas sehr Gutes.

 

Info
Im Netz // www.protechnicale.de
Die nächste Bewerbungsphase startet im Dezember 2020.

Foto: © proTechnicale