Pflegewissenschaften: Bachelor am Bett f79 – das Jugendmagazin | 01.12.2017 | Tanja Senn
Wird in den Medien über stressige Berufe mit geringem Verdienst gesprochen, ist die Pflege als Beispiel schnell zur Hand.
Dass die Arbeit als Pfleger jedoch ein Traumjob sein kann, weiß Urbain Houenou. Der 26-Jährige hat eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger abgeschlossen und studiert im letzten Jahr Pflegewissenschaft an der Uni Freiburg.
Für ihn die perfekte Ergänzung von Theorie und Praxis. Neueinsteiger benötigen für diesen Studiengang keine abgeschlossene Pflege-Ausbildung, sie müssen lediglich ein Jahr einer Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege hinter sich haben.
Seine Arbeit als Pfleger hat Houenous Neugier oft unbefriedigt gelassen. „Wenn ich gefragt habe, warum wir etwas so machen und nicht anders, habe ich immer die gleiche Antwort bekommen: Weil wir das schon immer so machen“, erzählt der aus Benin stammende Pfleger. Sein Studium hat das geändert: Hier lernt er nicht mehr nur, wie etwas gemacht wird, sondern vor allem warum.
Ein wissenschaftlicher Hintergrund für die Arbeit in der Praxis: Das ist der Ansatz des Bachelorstudiengangs Pflegewissenschaft. Studierende, die noch keinen Berufsabschluss in der Kranken- oder Altenpflege haben, erwerbendiesen während des Studiums. Nach einer Regelstudienzeit von sechs Semestern haben die Absolventen somit nicht nur einen Bachelorabschluss, sondern auch eine praktische Berufsausbildung in der Tasche. Laut der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft haben im vergangenen Jahr mehr als 10.000 Menschen in Deutschland Pflegewissenschaft oder -management studiert.
Die Arbeit wird ihnen so schnell nicht ausgehen: Da die Menschen immer älter werden, steigt der Bedarf an Pflegepersonal. Experten gehen davon aus, dass im Jahr 2030 3,4 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig sein werden. Zum Vergleich: 2010 waren es gerade einmal 2,4 Millionen. Für Houenou ist sein sicherer Arbeitsplatz einer der Gründe, der ihn an der Pflege reizt. Vor allem sind es aber die täglichen Erfolgserlebnisse, wenn er einem kranken Menschen helfen konnte. Momentan arbeitet der Pfleger neben seinem Studium auf der Intensivstation der Uniklinik. „Wenn ein Patient so schwer verletzt eingeliefert wird, dass man denkt, er wird das nicht überleben, und dann sieht, wie er wieder nach Hause marschiert – das ist ein unglaubliches Glücksgefühl“, schwärmt Houenou.
Doch es gibt auch andere Tage. Solche, an denen der 26-Jährige nach der Arbeit weinend im Auto sitzt, weil einer seiner Patienten gestorben ist. An denen er sich fragt, was er hätte anders, besser machen können. Auch hier hilft ihm sein Studium: Houenou hat gelernt, wie und wo er recherchieren kann, um herauszufinden, ob er in einer schwierigen Situation richtig gehandelt hat, oder ob es nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen Alternativen gegeben hätte.
Mit solchen Fragen möchte sich der 26-Jährige auch nach seinem Studium beschäftigen: Als Pflegeexperte würde er gern als Ansprechpartner für schwierige Fälle dienen und daran arbeiten, die Qualität der Pflege ständig zu verbessern. Es wäre ein Beruf, bei dem Houenou sein wissenschaftliches Wissen direkt anwenden könnte. Zudem stehen den Bachelor- oder Masterabsolventen auch leitende Positionen offen, etwa als Stations- oder Pflegedienstleiter. Auch eine Karriere in der Pädagogik oder der Forschung ist möglich.
Für Houenou ist sicher: Er möchte nah am Patienten bleiben. Das Gehalt spielt dabei eine Nebenrolle: „Die Menschen in der Pflege arbeiten aus Leidenschaft und nicht wegen des Geldes. Wir arbeiten, um das Leben anderer besser zu machen.“
Foto: © Uni Freiburg