Wie eine Polizistin ihr Tattoo verliert – und das heute doppelt bitter ist f79 – das Jugendmagazin | 01.12.2017 | Jasmin Bergmann

Ein Tattoo kostet viel Geld. Es entfernen zu lassen, noch viel mehr. Die schmerzhafte Erfahrung hat Polizei­meisterin Sabrina Westermann machen müssen. Für eine Ausbildung zur Polizistin musste sie sich ihr Unendlichkeitszeichen am Handgelenk entfernen lassen. Doppelt bitter bei der Behandlung: Bald dürfte sie ihr Tattoo wohl behalten.

Ein kleines Unendlichkeitszeichen in Schwarz, verbunden mit einer Feder und dem Schriftzug „La Familia“. So sah das Tattoo am Handgelenk von Sabrina Westermann aus: Noch 2016 war so ein Tattoo-Motiv bei der Polizei in Deutschland ein Grund, nicht aufgenommen zu werden. Das bekam die 25-Jährige aus Hörden bei Gaggenau deutlich zu spüren. Entweder Tattoo oder Ausbildung, hieß es. Es gilt zwar: „Tattoos sind wegen des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit grundsätzlich erlaubt“, sagt Gerd Denzel von der ver.di Bundesverwaltung. Dennoch gibt es Branchen, in denen Tattoos nicht oder nur in Ausnahmefällen erwünscht sind. Die Polizei gehört dazu. Sie will ihre Regeln jedoch bald ändern.

2013 hat sich Sabrina ihr Tattoo stechen lassen. Nur ein Jahr später bewarb sie sich bei der Polizei. Und kam in die engere Auswahl. Ein Jahr vor Ausbildungsbeginn hat jeder Anwärter einen Termin beim ärztlichen Dienst der Polizei. Das sei wie ein Einstellungstest, erklärt Sabrina. Der ganze Körper werde gecheckt: Man muss einen Seh- und Hörtest machen, der Body-Mass-Index (BMI) wird ermittelt und das äußere Erscheinungsbild überprüft, auch ein Belastungs-EKG muss bestanden werden.

Sabrinas Tattoo wurde bei diesem Test beanstandet. Da ihr Stiefvater ebenfalls bei der Polizei arbeitet, wusste sie schon vorher Bescheid: Tattoos werden dort nicht geduldet, wenn sie trotz Polizeiuniform sichtbar sind. „Ich hatte mich mit dem Gedanken bereits angefreundet, es entfernen zu lassen“, erzählt sie.
Ein Einzelfall ist Sabrina nicht: „Die Zahl der Tattoo-Entfernungen hat zugenommen“, berichtet Claudia Lindinger, Inhaberin des Studio Lindinger in Freiburg, das sich auf Entfernungen der Körperbemalungen spezialisiert hat. Der häufigste Grund für so eine Behandlung ist beruflich, sagt Lindinger: Der Arbeitgeber hat was dagegen. Oft käme ein weiterer Aspekt dazu: Die modischen Verzierungen seien „nicht so gesellschaftsfähig,
wie einem vorgegaukelt wird“, sagt Lindinger.

Oft seien es junge Menschen, die sich tätowieren lassen. Arschgeweihe entferne sie jedoch selten. Dafür viele andere unüber­legte Sünden und Modeerscheinungen.Sabrinas Tattoo war deutlich kleiner als die großen Geweihe am Rücken. Ihr Bild ließ sie sich auf die Innenseite des Unterarms stechen. Im Alltag ist es kaum zu sehen. Während der Dienstzeit hätte sie es mit einem Pflaster bedecken können. „Ich wurde nur unter der Versicherung aufgenommen, dass ich mir mein Tattoo entfernen lasse“, erinnert sich Sabrina.

Dabei ist es nicht ihr einziges: Die Polizistin trägt ein weiteres am Schulterblatt. Doch das interessiere niemanden. „Bestimmt ein Drittel der Polizeikollegen haben ein Tattoo“, sagt Sabrina. Solange sie verdeckt und nicht diskriminierend oder Ähnliches sind, störe es keinen. Die junge Polizei­meisterin hat zusätzlich noch ein Bauch­nabelpiercing. Auch das darf sie behalten – allerdings auf eigene Gefahr. Bei Einsätzen müssen die Piercings abgeklebt werden.

Das Tattoo am Handgelenk musste jedoch weg. Zu allem Übel ist das Weglasern nicht nur schmerzhaft, sondern auch teuer. „Es hat fast das Vierfache des Stechens gekostet“, sagt Sabrina. Finanzielle Unterstützung gab es dafür nicht. 490 Euro hat sie so aus eigener Tasche gezahlt. Außerdem wurde sie aufgefordert, nach jeder Sitzung ein Foto an die Polizei zu schicken. Als Beweis für die Fortschritte. Bis zu ihrem ersten Außeneinsatz musste es entfernt sein. Die Bilder ihres Unterarms zeigen deutlich, wie der Eingriff die Haut angreift. Die Stelle ist während der Behandlung stark gerötet. Zurück blieben jedoch nur leichte Narben.

Zu sieben Sitzungen à 70 Euro ist die junge Frau gegangen. Da sie zwischen den Laserterminen drei bis vier Wochen pausieren musste, erstreckte sich das Entfernen über ein dreiviertel Jahr. Zwei oder drei Lasertermine hätten noch gefehlt, dann wäre es vollständig entfernt gewesen. „Aber es war so teuer und tat total weh, außerdem war zu dieser Zeit Sommer, und die Hitze hat es nicht erträglicher gemacht“, erklärt sie.

Hätte sie die letzten Sitzungen noch wahrgenommen, wären dadurch Gesamtkosten von 700 Euro entstanden (bei zehn Sitzungen). Zum Vergleich: Das Stechenlassen des Tattoos kostete 180 Euro. „Ein paar Pigmente sieht man noch, aber das stört niemanden mehr“, sagt Sabrina. Sie selbst ist traurig darüber. Aber es ist am Innenarm, und wenn sie eine Armbanduhr anzieht, sehe man die Narben nicht.

Nur zweieinhalb Jahre später folgt die bittere Nachricht: Noch 2017 sollen dezente Tattoos für Beamte der Polizei in Baden-Württemberg erlaubt werden. Auch wenn sie sichtbar sind. Das hat ein Sprecher des Innenministeriums im Oktober mitgeteilt. Was bedeutet dezent? „Die Bewertung wird durch eine dafür zuständige Prüfungskommission im Rahmen des Einstellungsverfahrens durchgeführt“, sagt Dirk Klose von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Freiburg. Lediglich an Händen, Ober- und Unterarmen seien sichtbare Körperbemalungen erlaubt.

„Das Motiv und die Körperstelle muss man sich von dem Dienstherr genehmigen lassen“, erklärt Sabrina Westermann. Am von der Uniform verdeckten Teil des Körpers seien Tattoos bereits vorher genehmigt gewesen. „Solange es nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstößt und keine diskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder sonstige verbotene Motive enthält“, sagt Klose.

„Ich bin wütend und fühle mich verarscht“, sagt Sabrina. Ihr sei klar gewesen, dass Tattoos irgendwann erlaubt sein würden, da so viele eines haben. Aber nur gute zwei Jahre nach ihrem Erlass? „Eigentlich sollte ich klagen und schauen, ob ich das Geld zurückbekomme – andererseits war es zu diesem Zeitpunkt halt verboten“, sagt Sabrina. Von Kollegen hat sie gehört, dass sie sich nun eines stechen lassen wollen. Auch sie ist kurz davor, sich wieder tätowieren zu lassen. An der gleichen Stelle. Dann sehe man die Überbleibsel des alten nicht mehr. Und aus Trotz.

Sind Tattoos nice? Oder total überflüssig? Nicht nur die Gesellschaft ist uneins. Auch die Schwestern Jasmin und Jessica Bergmann aus Sexau sehen das grundsätzlich verschieden.

Taff und stylisch. Kommentar von Jasmin Bergmann, 23, Studentin an der Uni Freiburg.

Ob als Schmuck oder Erinnerung, schwarz oder bunt:  Tattoos sind vielfältig. Und ein Körperschmuck, der auf  ewig bleibt. Genau das verursacht Nerven­kitzel. Mit einem Tattoo wirkt man taffer und stylischer. Es stört mich daher auch nicht, wenn beim Bankangestellten unterm Hemd ein schwarzer Drache durchblitzt. Oder eine Polizistin eine rote Rose auf ihrem Handrücken trägt.

Heute kann sich jeder frei entfalten. Ob beim Styling, bei der Art zu leben oder bei der Jobwahl. Wieso also nicht auch in Sachen Körperschmuck? Tattoos sind längst nicht mehr das Symbol für einen Ex-Knacki. Sie stehen für das freie Verfügen des eigenen Körpers. Ich habe zwei Tattoos und weiß, das war noch nicht alles. Übertreiben sollte man es nicht. Ein großes Tattoo über den Rücken und den Arm? Finde ich cool. Eines am Arm, eines am Rücken, eines an der Schulter? Finde ich eher weniger cool. Doch die Suchtgefahr ist da. Mein Tipp: Setz dir Fristen, zum Beispiel erst in in zwei Jahren das nächste Tattoo stechen zu lassen.

Im Alter nicht mehr schön. Kommentar von Jessica Bergmann, (25) Anwendungsbetreuerin.

Tattoos, eine Entscheidung für die Ewigkeit. Ich habe mich dagegen entschieden, da ich nicht damit leben kann, meinem Körper dauerhaften Schmuck zuzumuten. Klar gibt es die Möglichkeit, ein Tattoo mit Laser entfernen zu lassen. Aber die Narben bleiben. Vor allem Partnertattoos kann ich nicht nachvollziehen. Wie viele werden übermalt, weil die Liebe doch nicht ewig hielt? Es gibt viele kreative Tattoos, die toll aussehen. Mir reicht das auf Papier oder Bildern.  Die Angst wäre zu groß, dass das Tattoo im Alter nicht mehr schön aussieht. Jetzt bin ich jung und knackig, später alt und faltig.

Außerdem kann es bei der Jobsuche schwierig sein, wenn ein Tattoo an einer sichtbaren Stelle ist. Oft ist es so, dass man ein Motiv oder einen Spruch toll findet, nach Jahren aber die Lust daran verliert. So wie bei Arschgeweihen. Heute ist das tätowierte Geschnörkel out. Ich bleibe dabei: Kein Schmuck, der unter die Haut geht und für immer bleibt.

Fotos: © privat, tln