Bienensterben: Landschaftsökologin Alexandra Klein fordert Umdenken f79 – das Jugendmagazin | 07.09.2019 | Anna Castro Kösel

Bienen

Immer wieder hört man vom Bienensterben. Ein Volksbegehren in Bayern hat die Politik aufgerüttelt. Auch in Baden-Württemberg gibt’s eine solche Initiative zur Rettung der Artenvielfalt. Doch wie schlimm geht’s den Bienen wirklich? Und was können wir tun? Das hat f79-Autorin Anna Castro Kösel die Freiburger Landschaftsökologin Alexandra Klein gefragt.

f79 // Frau Klein, was versteht man eigentlich unter „Bienensterben“?
Klein // Ursprünglich hat man darin den Verlust von Honigbienenvölkern über den Winter gesehen. 2006/2007 gab es starke Völkerverluste in den USA, nicht nur im Winter. Danach haben immer mehr Imker aus verschiedensten Ländern Verluste gemeldet. 2008 kam es zu einer Vergiftung von Biene 0707n und anderen Insekten in Baden-Württemberg durch einen Fehler in der Saatgutbeizung. Heute sprechen wir nicht nur von Honigbienen, sondern davon, dass viele Populationen von unseren in Deutschland 570 Bienenarten zurückgehen. Den Trend gibt es in vielen Regionen der Welt. Nicht nur bei den Bienen.

f79 // Wer oder was ist dafür verantwortlich?
Klein // Die Menschen nehmen den Bienen zu viel Lebensraum weg. Bienen brauchen eine Vielfalt an Blüten und Nistmaterialien. Die finden sie nicht mehr in unseren Landschaften. Dazu kommt, dass sie vielen Pestiziden ausgesetzt sind und durch zu wenig Blüten geschwächt sind. In Agrarlandschaften sehen wir die Trends sehr eindeutig. Trotzdem ist das ein gesamtgesellschaftliches Problem. Nicht ein isoliertes der Landwirtschaft.

f79 // Wo sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden?
Klein // Wir Menschen haben zu lange auf Effizienz gesetzt. Wir haben großräumige Produktion in allen Bereichen gefördert. Wir dürfen nicht nur auf Produktion setzen, sondern dürfen unsere Nahrungsmittel nicht mehr verschwenden. Dann können wir mit weniger auskommen und mehr Platz für Natur lassen: kleinräumige Landschaften mit weniger oder gar keinem Pestizideinsatz.

f79 // Was wird in Wirtschaft und Politik beim Bienenschutz falsch gemacht?
Klein // Momentan wird hier und da ein Blühstreifen angelegt. Das ist zu lokal und kleinräumig gedacht. Die Politik muss sich mit großen gesellschaftlichen Veränderungen auseinandersetzen, und nicht nur die Politik, sondern jeder Einzelne von uns muss sich überlegen, wie wir ökologisch nachhaltiger leben können.

Alexandra Klein

Erforscht Bienen: Alexandra Klein

f79 // Welche Folgen kann man durch das Bienensterben sehen – global und regional?
Klein // In manchen Jahren und Standorten kann es zu Ertragseinbußen von Obst oder Gemüse kommen. Das berichten Landwirte und das zeigen auch unsere Daten. Vor allem sehen wir aber viele Bienenarten lokal gar nicht mehr oder nur noch selten. Unsere Kulturlandschaften verarmen. Das hat auch Auswirkungen zum Beispiel auf die Vogelwelt.

f79 // Was sind die Folgen? Was „blüht“ uns in Zukunft?
Klein // Wenn wir so weitermachen, wird es immer schwerer werden, nachhaltig zu produzieren. Die Natur wird immer weniger das sein, was sie mal war. Wenn wir an Kipppunkte kommen, die in Naturkatastrophen enden, werden wir das erst merken, wenn es uns dadurch schlechtgeht. Deshalb müssen wir jetzt handeln und nicht weiter warten.

f79 // Welchem Politiker würden Sie gerne mal die Meinung sagen?
Klein // Mit Christian Lindner würde ich gerne mal über das Verhalten von einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft sprechen.

f79 // Worin sehen Sie Ihre persönliche Aufgabe im Bienen- und Insektenschutz?

Klein // An der Universität erforschen wir, warum es manchen Bienen nicht gutgeht und wie wir das ändern können. Weiter schauen wir uns die Auswirkungen des Wegfalls von Bienenarten oder auch Pflanzenarten auf Ökosysteme an. Persönlich versuche ich so viel wie möglich für den Umweltschutz zu tun. Zum Beispiel, dass ich kein Auto fahre, sondern egal wie das Wetter ist, täglich 30 Kilometer Rad fahre und Flugreisen so weit wie möglich minimiere. Im Garten Räume für Insekten schaffen und so.

f79 // Viele Medien sprechen ja von einem „dramatischen Arten- und Insektensterben“. Ist es Ihrer Meinung nach bereits hoffnungslos?
Klein // Nein, es ist nie hoffnungslos, solange wir etwas tun können, und für die Insekten können wir noch viel tun.

f79 // Was kann jeder selbst tun, um Bienen und Insekten zu schützen?
Klein // Lokale Lebensmittel von Landwirten kaufen, denen ihr vertraut. Das ist eins der wichtigsten Dinge. Informiert euch, welche Sorten gut ökologisch angebaut werden können. Bio ist nicht gleich bio. Auf Märkten mit den Landwirten reden. Ihnen zeigen, dass die junge Generation anders leben möchte als momentan. Es gibt so viel mehr.

Fotos: freepik & Anna Castro Kösel