Einen Unterschied machen: Warum junge Leute Pflegekräfte werden Ausbildung & Arbeit | 09.07.2022 | Inga Dryer (dpa)/BZ), epd

Pflegerin am Bett einer älteren Frau

Die Pflege hat in Deutschland keinen guten Ruf. „Jeder kennt jemanden, der in dem Bereich arbeitet, und bekommt mit, wie hoch die Belastung ist“, sagt die Gesundheits- und Krankenpflegerin Lea Friedrich. Sie wollte erst am Theater arbeiten, entschied sich aber nach einem Praktikum für die Pflege „Ich habe gemerkt, dass ich etwas brauche, das mich am Boden hält.“

Insbesondere während der Corona-Pandemie wird über Fachkräftemangel, Arbeitsbelastung und zu niedrige Löhne diskutiert. Aus dem Blick gerät dabei oft, wie motiviert viele Pflegekräfte ihren Job ausüben. „Ich wäre nicht so engagiert, wenn ich meinen Beruf nicht so lieben würde“, sagt Valentin Herfurth. Wie Lea Friedrich ist der 25-jährige Gesundheits- und Krankenpfleger im Bündnis „Walk of Care“ aktiv, das sich für einen grundlegenden Wandel im Medizin- und Gesundheitswesen und bessere Arbeitsbedingungen einsetzt. Als er seine Ausbildung begann, war sich Valentin Herfurth der Herausforderungen bewusst – und nahm sie als Ansporn, sich politisch zu engagieren.

Herfurth wollte eigentlich Medizin studieren und absolvierte deshalb ein Pflegepraktikum. „Dabei habe ich gemerkt, dass das, was ich mir vom Beruf als Arzt versprochen habe, in der Pflege viel präsenter ist.“ Wichtig war für ihn die Nähe zu den Patientinnen und Patienten. „Ich dachte, ich kann Menschen in der Bewältigung von existenziellen Krisen unterstützen“, sagt er. Beim Praktikum habe er gemerkt, dass es in der Praxis eher die Pflegekräfte sind, die Menschen in solchen Momenten zur Seite stehen.

Ein großer Vorteil seines Berufs sei, dass Pflegekräfte immer gebraucht werden, sagt Herfurth. „Ich werde mein Leben lang immer einen Job haben.“ Als Krankenpfleger könne er überall auf der Welt arbeiten und Hilfe leisten – ob auf Festivals oder in der Flüchtlingshilfe. Überrascht habe ihn der inhaltliche Anspruch der Ausbildung. „Ich habe gemerkt, dass das Ganze auf einem extrem hohen Niveau stattfindet – was auch richtig ist. Ich trage ja nachher Verantwortung für Menschenleben.“ Wichtig sei, Reflexionsfähigkeit und Gelassenheit gegenüber stressigen Situationen mitzubringen. „Man muss sich bewusst sein, dass wir Pflegenden täglich in sensible Lebensbereiche eindringen. Ich sollte mich nicht persönlich angegriffen fühlen, wenn Patientinnen und Patienten auch mal gereizt reagieren.“ Als wertvoll empfinde er, viel über menschliche Kommunikation zu lernen.

Wer in der Pflege arbeiten wolle, sollte empathisch sowie körperlich und psychisch belastbar sein, bestätigt Gabi Heise. „Das ist ja nicht immer so hübsch wie im Fernsehen“, betont die ausgebildete Krankenpflegerin, die als Betriebsrätin bei den Vivantes-Kliniken in Berlin arbeitet und sich beim Bündnis „Gesundheit statt Profite“ engagiert. 

„Die Pflege ist ein wunderschöner Beruf, wenn man Zeit für seine Patienten hat“, sagt sie. Während der Ausbildung durchlaufe man viele unterschiedliche Bereiche. „Da bekommt man schon ein Gefühl dafür, was einem liegt.“

Ausbildungsplätze gebe es derzeit viele, weil Nachwuchs gesucht werde. Leider verließen viele junge Menschen den Beruf wieder. Wer heute in der Pflege arbeiten wolle, solle bereit sein, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, findet die Betriebsrätin. Aktuell unterstützt die Bundesregierung die Pflege mit vielen Maßnahmen, um die Autonomie der zu pflegenden Menschen zu fördern und den Arbeitsalltag der Pflegekräfte zu verbessern. Digitalisierung kann dies befördern, wenn Kompetenzen bei beruflich Pflegenden in Aus-, Fort- und Weiterbildung systematisch aufgebaut und aktualisiert werden. Eine Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zeigt, dass die Mehrheit der Lehrenden digitale Medien auch nach der Pandemie dauerhaft einsetzen wollen.

So viel wird bezahlt

Große Unterschiede bei Azubi-Gehältern
Bei den Vergütungen von Auszubildenden herrschen je nach Branche und Region große Unterschiede. Die Spannbreite der in den Tarifverträgen vereinbarten Vergütungen reiche aktuell von 325 Euro pro Monat für Auszubildende im thüringischen Friseurhandwerk im ersten Ausbildungsjahr, bis zu 1580 Euro im westdeutschen Bauhauptgewerbe für Azubis im vierten Jahr, wie die gewerkschaftsnahe Hans-BöcklerStiftung erklärt.

Die Stiftung verweist auf eine Untersuchung ihres Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), vorgelegt im Juli 2021. Darin wurden 20 ausgewählte Tarifbranchen verglichen. Den Untersuchungen zufolge zahlt der Öffentliche Dienst eine monatliche Ausbildungsvergütung von rund 1040 Euro, die chemische Industrie 1042 im Bezirk Nordrhein und 1033 im Bezirk Ost. Die Metall- und Elektroindustrie bietet 1037 Euro Ausbildungsvergütung in Baden-Württemberg und rund 1007 Euro in Sachsen.

Guter Verdienst im Pflegesektor
Vergleichsweise gut stellt sich auch die Ausbildungsvergütung in den Pflegeberufen dar. Die höchste Vergütung wird aktuell mit rund 1160 Euro gezahlt, wie die Böckler-Stiftung erklärte. Die Ausbildungsstellen in den Pflegeberufen verfügten mittlerweile innerhalb der Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes über gesonderte Regelungen. In privaten Pflegeeinrichtungen ohne Tarifvertrag könne die Ausbildungsvergütung hingegen geringer ausfallen, hieß es. In nur sieben untersuchten Tarifbranchen existieren bundesweit einheitliche Ausbildungsvergütungen, wie etwa beim Bäckerhandwerk, Bankgewerbe, Versicherungsgewerbe, bei der Druckindustrie, der Deutschen Bahn und dem Öffentlichen Dienst. 

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