Wachsende Wohnheime: Trotz Baumaßnahmen bleiben Studi-Buden Mangelware Schule & Studium | 18.10.2019 | Philip Thomas

Ulrich-Zasius-Haus

Alle Jahre wieder: In Freiburg beginnt das Semester, WGs bitten zum Casting, die Jugendherbergen sind voll, und in den Notunterkünften werden wieder Betten aufgestellt. Neubauten in der Studentensiedlung am Seepark (StuSie) sollen den Freiburger Wohnungsmarkt entlasten. Zum Semesterstart finden viele Studierende trotzdem keine bezahlbare Bleibe.

Bevor für viele Erstsemester in Freiburg Kneipentour und Vorlesungen starten, will ein Dach über dem Kopf gefunden sein. Gar nicht so einfach in einer Stadt, in der es zwar rund 125.350 Wohnungen gibt, aber eben auch knapp 230.240 Einwohner sowie einen Preis von locker 5000 Euro für einen Quadratmeter Eigentumswohnung. Noch teurer ist eine Bude in der Bundesrepublik nur in einer Handvoll Städte wie München, Frankfurt oder Stuttgart.

Um den Wohnungsmarkt zu entlasten und Ausnahme-Zustände zu vermeiden, überwies Freiburgs Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer dem Studierendensekretariat (SWFR) rund eine Millionen Euro für neue Bauten mit elf Stockwerken in der StuSie. Die rund 4200 Wohnheimplätze des SWFR sollen aufgestockt werden. Die Zimmer sind bitter nötig: An der Albert-Ludwigs-Universität sind 24.600 Hochschüler eingeschrieben. Dazu kommen knapp 5000 an der Pädagogischen, 1800 an der Katholischen, 1000 an der Evangelischen sowie rund 500 Studenten an der Musik-Hochschule.

Renate Heyberger, stellvertretende Geschäftsführerin des SWFR, kennt die Bedürfnisse und die gestiegenen Ansprüche der Heimbewohner: Wände seien heute dicker, WGs kleiner. Der Trend ginge trotz Wohnraummangel von großen Stockwerkswohnheimen hin zu einzelnen Appartements. Jemand, der von dieser Mode profitiert, ist Sandro Willig. Der 21-Jährige wohnt seit September in einer Einzelwohnung in der StuSie. „Ich habe mich im März online beworben und im Juli die Zusage bekommen, das lief problemlos“, erinnert er sich.

Studentenwohnheim

400 Euro zahlt er monatlich für ein 20-Quadratmeter-Einzelzimmer mit Küche und Bad. „Das müsste hier das Maximum sein“, vermutet der Biologe richtig. Er liegt damit noch unter dem Freiburger Durchschnitt: Laut einer Untersuchung des Moses-Mendelssohn-Instituts und WG-gesucht.de kostet ein Zimmer in der Breisgaumetropole dieses Semester im Schnitt 435 Euro. Auf der anderen Seite des Spek­trums rangieren Studierende im Ulrich-Zasius-Haus (UZH): In 16er-WGs aus den 60er-Jahren sind monatlich 225 Euro fällig.

Willig habe davor in einer 12er-WG in einem privaten Wohnheim gelebt. „Ich bin froh, jetzt in der StuSie zu sein, sagen wir es so“, sagt er und lacht. Sechs Semester darf er dort nun wohnen, mit Option auf Verlängerung. Der Wohnraummangel in Freiburg geht auch an ihm nicht vorbei. Schon vor der endgültigen Fertigstellung wurden die Pforten des neuen Heims geöffnet: „Das Kartenlesegerät für den Aufzug hat meinen Chip anfangs noch nicht erkannt“, sagt er. Trotz noch nicht finaler Technik – die Eröffnung des Gebäudes kam vielen nicht früh genug. „Das Haus war innerhalb einer Woche komplett voll“, betont Willig.

Das Spiel könnte sich im Frühjahr 2020 wiederholen. Dann sollen in der StuSie zwei neue Bauten mit jeweils 130 Plätzen eröffnen. Bis 2022 sollen noch mal 630 hinzukommen. Noch vor den Zimmern steigt aber auch die Anzahl der Studierenden: Waren an Deutschen Universitäten im Wintersemester 2008/09 noch etwas mehr als 1,9 Millionen Menschen eingeschrieben, sind es zum aktuellen Semesterstart knapp 2,85 Millionen Immatrikulierte.

Bevor der nächste Bau in der StuSie bezogen wird, stehen in der Siedlung wieder Notfallbetten. Zum Redaktionsschluss, eine Woche vor Semesterstart, sind im Lager der StuSie neun Betten belegt. „Der große Andrang ist noch nicht da. Die Vorlesungen haben noch nicht angefangen, zum Start wird’s voll“, pro­phezeit Heyberger. Zu Spitzenzeiten wurden auch mal rund 100 Schlafplätze aufgestellt. Im Laufe der vergangenen Jahre seien es erkennbar mehr geworden.

Fotos: © tln, privat