Film-Tipp: À la Carte! – Freiheit geht durch den Magen 4Film | 18.11.2021 | Erika Weisser

Pierre Manceron mit Blick auf den die Adligen

Der Duc de Chamfort hält gerne Hof. Noch lieber brüstet er sich dabei mit den Kochkünsten seines Küchenchefs Pierre Manceron – so, als hätte er selbst all die erlesenen Köstlichkeiten aufgetischt, in denen seine Gäste nur herumstochern: Für die Adeligen im 18. Jahrhundert, heißt es im Vorspann, diente das gemeinsame Essen nur dazu, „die Langeweile zu vertreiben und anderen den eigenen Reichtum zu beweisen“. Während im Jahr 1789 draußen vor den Toren der Schlösser das Volk hungert.

Manceron ist tatsächlich ein genialer Koch, der auch die aufwendigsten Bankette meistert – mit Hilfe eines riesigen Küchenteams, das er mit buchstäblich harter Hand regiert. Er bringt gleichzeitig 30 verschiedene, mit besten Zutaten zubereitete und kunstvoll arrangierte Speisen auf den Tisch. Und er experimentiert gern: Zu den nach strenger Etikette aufgetragenen gebratenen Tauben, gefüllten Singvögeln, ragoutierten Jungschwänen und sonstigen fleischlichen Genüssen gesellen sich immer wieder auch Beilagen-Kreationen, die aus Gemüsen, Kräutern und Pilzen von heimischen Feldern und Wäldern komponiert sind.

 Louise und Manceron beim Backen

Das wird ihm zum Verhängnis. Als er köstliche Pastetchen mit Kartoffel- und Trüffelscheiben serviert, verhöhnt ihn die dekadente Gesellschaft und bezichtigt ihn, ihnen Schweinefutter vorgesetzt zu haben. Der Duc entlässt ihn; Manceron kehrt mit seinem Sohn Benjamin zurück in das Haus seines Vaters auf dem Land. Doch der lebt nicht mehr, nur ein alter Nachbar ist noch da, der ihm hilft, die alte Backstube wieder funktionstüchtig zu machen – während der Sohn Schriften von Rousseau und anderen Aufklärern liest. Missmutig macht sich der verkannte Koch ans einst erlernte Backwerk, seine Kochkunst ist nicht mehr gefragt; nur gelegentlich machen durchziehende Reisende hier Rast, bei Brot und Kastaniensuppe. Benjamins Feststellung, dass er nun endlich frei und kein Lakai des Adels mehr sei, ist ihm dabei kein Trost.

Duc de Chamfort und Pierre Manceron in der Küche

Als Louise auftaucht und bei ihm in die Lehre gehen will, weist er sie ab. Er traut ihr nicht und traut ihr nichts zu. Außerdem, gibt er ihr zu verstehen, „ist Kochen Männersache“. Sie ist indessen hartnäckig, setzt sich durch, probiert mit ihm neue Formen der Gastlichkeit aus. Nach vielen Auseinandersetzungen raufen sie sich zusammen, richten eine Gaststube mit Garten ein, erfinden täglich wechselnde Menüs, kochen mit Hingabe und heimischen Zutaten. Sie bewirten alle Menschen – ohne Unterschied der Klasse, lediglich zu unterschiedlichen Preisen, je nach Geldbeutel.

Das Konzept funktioniert, Leute aller Stände kommen an einem Ort zusammen, essen erstmals in ein und demselben Raum – Liberté, Egalité und Fraternité – am gleichen Tisch.

Ein delikater Gute-Laune-Film mit wunderbaren Landschaftsbildern, leicht wie ein Soufflé, aber immer mit Biss: „Wenige Tage später“, heißt es im Abspann, „stürmte das Volk die Bastille“.

Filmcover: A La Carte

À la Carte! – Freiheit geht durch den Magen
Frankreich 2021
Regie: Éric Besnard
Mit: Grégory Gadebois, Isabelle Carré, Benjamin Lavernhe, Lorenzo Lefèbvre
Verleih: Neue Visionen
Laufzeit: 112 Minuten
Start: 25. November 2021

 

Fotos: © Neue Visionen