Schlauchboot, Statements & Remmidemmi: Deichkind rocken die Sick Arena Musik | 12.12.2024 | Till Neumann
Aufwendig und abgefahren: Die Bühnenshow von Deichkind setzt auch in der Sick Arena Ausrufezeichen
Rund 3500 Menschen haben am Mittwoch in der Freiburger Sick Arena mit Deichkind gefeiert. Die Elektro-HipHop-Kombo hat ihrem Namen als Remmidemmi-Band alle Ehre gemacht. Mit einer spektakulären Bühnenshow, wilden Outfits und Texten zwischen Ironie, zynischem Humor und Gesellschaftskritik haben die Hamburger viele begeistert.
Tränen im Bentley
„Alle Hände hoch“, hieß es im Intro. Die Menge lässt sich nicht lange bitten. Der größte Konzertsaal der Stadt ist schnell auf Temperatur. Die drei Männer in den Ganzkörperanzügen wirken roboterartig. Nur schemenhaft sind ihre Gesichter hinter den gelb-rosa-weißen Masken zu erkennen. Deichkind steht für Ausbruch, Abriss und Spektakel. Die Shows sind bekannt für ihre Extravaganz.
Die Bässe wummern. Nur wenige Minuten später können die Fans erahnen, dass es auch heute wild wird. Auf Emporen tauchen hinter den Sängern weitere kostümierte Männer auf. Gekleidet in leuchtenden LED-Anzüge. Die Deichkinder performen Choreos, bis ins Detail abgestimmte Szenerien nehmen mit auf den Ritt in ihren Kosmos.
Rodeo mit Goldkette
Die Musik tritt da auch mal in den Hintergrund. Mit rot-weißen Regenschirmen wird zu einem Playback getanzt. Ein riesiger weißer Vorhang verhüllt dann wieder die Bühne. Man fühlt sich wie im Musical. Beim Song „Auch im Bentley wird geweint“ reitet einer in schwarzer Kutte Rodeo auf einem roten Ross. Die XXL-Goldkette baumelt von der Schulter. „Ich hab Klopapier von Gucci, schneid Delfine in meinen Sushi“, heißt es im Song, der als Studio-Version mit Clueso-Feature daherkommt. Konsumkritik zum Grinsen.

Outfit-Schlacht: Deichkind startet im cremigen Ganzkörperanzug in den Abend.
Riesenfass in der Menge
Die Deichkinder drehen auf an diesem Abend: Konfetti-Kanonen sind so ziemlich das Harmloseste. Mehr als zehn Outifts für die Crew, ein Riesenfass, das durch die Menge rollt, das fast schon obligatorische Schlauchboot mit Federn werfendem Fahrer in Unterhose … mehr Spektakel geht kaum. Tanzen kann man in der Menge trotzdem entspannt. Gerempelt und gequetscht wird nicht.
Natürlich spielen die Musiker ihre Hits: „Leider geil“, „Bück dich hoch“, „Bon Voyage“ und zum krönenden Abschluss „Krawall und Remmidemmi“. Das Publikum tanzt, springt, kreischt mit. Viele Menschen um die 40 sind da. Wohl solche, die mit der Band groß geworden sind. Passend zum Titel der Tour: Kids in meinem Alter.

Größter Saal der Stadt: 3500 Menschen sind in der Sick Arena. 9000 hätten reingepasst.
„Kein Bier für Nazis“
Die Crew hat sich Ende der 90er-Jahre gegründet. Anfangs tat sie sich im HipHop schwer. Doch über die Jahre hat sie einen unnachahmbaren Stil voller abgefahrener Ideen entwickelt. Mit Shows, die Kultstatus haben. Songs, die einen Nerv treffen und Videos, die vor Skurrilität nur so strotzen. Dass die Besetzung sich in Teilen immer mal wieder ändert, tut dem keinen Abbruch.
Der ironisch-witzig-arrogant gepolterte Tech-Rap kommt an. Die Stimmen sind in Teilen Playback, was zum durchgestylten Elektro-Sound passt. Die Band quirlt vor Ideen – und setzt Statements. Drehende Bürostühle sind mit den Buchstaben „FCKAFD“ beschriftet. „Kein Bier für Nazis“, heißt es außerdem. Als Comedy-Einlage darf das Publikum eine „in L.A. produzierte“ Billo-Tonleiter mitsingen.
Mehr erhofft?
Sind Deichkind HipHop? Oder Techno? Oder Punk? Abholen tun sie viele. Und bieten Ausbruch mit Eskalation und Denkanstößen. 67 Euro fürs Ticket sind ein Wort. 5,50 Euro fürs Bier auch. 3500 Menschen haben sich das gegönnt. Die Band dürfte sich mehr erhofft haben. In die Halle passen bis zu 9000 Menschen. Dafür gab’s einen Abend, den man nicht mehr so schnell vergessen dürfte.
chilli-Bildergalerie
Fotos: © Till Neumann










