Gedämpfte Schönheit – Der innere Kaiserstuhl im Winterhalbjahr Freizeit in der Regio | 06.11.2024 | Hans-Jürgen Truöl

Felder, Berge und Bäume

Stellenweise erinnern die Halbtrockenrasen auf dem Badberg an eine Steppenlandschaft in Zentralasien, die Rebberge wecken Assoziationen an Reisterrassen irgendwo im fernen Osten. Zum Glück liegt diese optische Exotik quasi vor der Haustür.

In der „dunklen Jahreszeit“ zeigt der Kaiserstuhl nämlich kein überschwängliches, farbenfrohes Gesicht, sondern wirkt stiller, entschleunigter, mit einem Hauch von Melancholie.

Auf unserer Wanderung wollen wir einen Turm erreichen, den ich zusammen mit dem Neunlindenturm, der Mondhalde oberhalb von Oberrotweil und den Parkplätzen oben am Texaspass zwischen Oberbergen und Kiechlinsbergen für den schönsten Aussichtspunkt des Kaiserstuhls halte: den Eichelspitzturm. Wetterangepasste Kleidung und ein Vesper – mehr braucht es nicht für diese Genussrunde.

Wir wandern auf einem Teilstück der „Königsetappe im Kaiserstuhl“. Startpunkt ist der Wanderparkplatz am Bahlinger Eck. Dieser befindet sich auf der Passhöhe zwischen Bahlingen und Oberbergen auf 483 Meter Höhe. Wir überqueren vorsichtig die K 4976 und tauchen sofort in einen Laubwald ein. Wenn die Blätter gefallen sind, wirkt das Lichtspiel zwischen den kahlen Ästen sehr reizvoll. Es geht leicht bergauf, bis der Waldrand erreicht ist. Und hier der erste „Wow-Effekt“! Der Blick weitet sich nach Süden und Westen, er schweift über (gemähte) Wiesen, wie grafische Zeichen wirkende Rebzeilen an den Hängen. Tief unten ducken sich die Häuser von Schelingen ins Tal, vor uns dient der Fernmeldeturm auf dem Totenkopf als Orientierungspunkt. In der Ferne ist die Rheinebene zu erkennen und bei klarer Sicht schimmern hinter der Schelinger Weide die Vogesengipfel. Wie gut, dass es hier ein Bänkle gibt, um das Panorama zu genießen!

„Königsetappe im Kaiserstuhl“

Nach der Verschnaufpause führt der weitere Weg geradeaus zuerst leicht abwärts und dann wieder leicht aufwärts entlang der Schelinger Matten. Ein Verlaufen ist nicht möglich. Der Halbtrockenrasen bietet nun ein völlig anderes Bild als im späten Frühjahr und Sommer. Zur Blütezeit kräftig grün und mit seltenen Pflanzen (Orchideen) bestückt, zeigt er sich jetzt in sanftem Fahlgelb. Es handelt sich um ein Naturschutzgebiet, unbedingt also die Markierungen beachten und die Wege nicht verlassen!

Eichelspitzturm

127 Stufen führen auf den 2006 errichteten Eichelspitzturm auf der zweithöchsten Erhebung des Kaiserstuhls.

Berg mit Bäumen

Fahle Farben, fast typografische Texturen: Im Winterhalbjahr zeigt sich der Kaiserstuhl in karger, schlichter Schönheit.

Vor uns liegt der Haselschacher Buck. Wir gehen weiter geradeaus Richtung Vogelsangpass und haben den unbewaldeten Badberg vor uns. Doch wir zweigen am Waldrand links ab, nehmen den ersten Weg rechts. Nun geht’s bergauf, teilweise ist die Steigung ganz beachtlich. Doch die Mühe lohnt sich. Bald ist zwischen den Bäumen die Silhouette des Eichelspitzturms zu sehen. Die 42 Meter hohe Stahlkonstruktion dient dem Mobilfunk und überragt die Eichelspitze, den mit 521 Meter zweithöchsten Kaiserstuhl-Gipfel.

127 Stufen sind zu erklimmen, dann ist die höchste Plattform erreicht und wir können aufatmen: Ein grandioses Panorama eröffnet sich, Höhepunkt jeder Kaiserstuhl-Wanderung! Im Osten ist der Schwarzwald mit dem Schauinsland zu erkennen, ihm zu Füßen die Stadt Freiburg. Im Süden hinter dem Totenkopf das Markgräflerland mit den Schwarzwaldbergen Belchen und Blauen. Im Norden Laub- und Nadelwälder. Und nach Westen blicken wir in den inneren Kaiserstuhl mit seinen Wäldern, sanften Kuppen und Weinbergen – ein weiteres Wow! Tief unten liegt Alt-Vogtsburg mit dem Kirchlein St. Romanus.

Rastplatz mit Himmelsliege

Nachdem wir uns sattgesehen haben, steigen wir hinunter und gehen den gleichen Weg durch den Wald abwärts zurück, bis freies Gelände erreicht ist. Dann scharf rechts leicht aufwärts und auf der Kuppe an einem Wäldchen die Abzweigung nach links nehmen. Wenige Schritte weiter gelangen wir zum Rastplatz mit Bänken, einer Himmelsliege und der Sandsteinskulptur „Baum der Elemente“ von Joachim Bihl (Eichstetten) und können erneut einen faszinierenden Panoramablick über die Schelinger Matten, über Reben und Wälder genießen. Das Vulkan- und Lössgebirge Kaiserstuhl – eine anmutige, eine paradiesische, eine bezaubernde und verzaubernde Landschaft!

Da wir uns für die heutige Wanderung Naturgenuss pur vorgenommen haben, gehen wir den gleichen Weg bis zum Wanderparkplatz am Bahlinger Eck zurück. Für eine kleine Auszeit, für eine Aufhellung in der trüben Jahreszeit eignet sich dieser Ausflug zum und in den Kaiserstuhl ausgezeichnet!

Berge mit Sonne

Info

Start & Ziel: Wanderparkplatz am Bahlinger Eck

Wie kam eigentlich der Kaiserstuhl zu seinem Namen?

Begeben wir uns auf eine Zeitreise: Vor über einem Jahrtausend unternahm der damals 14-jährige römisch-deutsche König Otto III. eine Reise durch Deutschland und machte Station bei Sasbach.

Herrscher reisten in jenen Jahrhunderten mit ihrem Tross zu Pferde umher, um ihre Machtbereiche abzusichern, Marktrechte zu vergeben oder Gerichtstage abzuhalten. Dies geschah auch am 22. Dezember 994 im Gewann „Gestühl“. Unter freiem Himmel unterzeichnete der König eine Urkunde, die die Ortsangabe „Sasbach“ enthält und das Waldkircher Frauenkloster St. Margarethen zum Reichskloster erhob. Nach diesem öffentlichen Gerichtstag im Leiselheimer „Gestühl“ wurde die ganze Region „Königstuhl“ genannt. Auch Schaffhausen bekam das Adelsprädikat und hieß von nun an Königschaffhausen.

Zwei Jahre später wurde Otto III. im Jahre 996 zum Kaiser gekrönt. Doch diese Beförderung wirkte sich über drei Jahrhunderte nicht auf die Benennung aus. Dokumentiert ist, dass erst im Jahr 1304 der „Kaiserstuhl“ in einer Urkunde erwähnt wird.

Heute erinnert südwestlich von Leiselheim in den Reben ein gigantischer Stuhl an dieses historisch verbriefte Ereignis.

Berge

Fotos: © Hans-Jürgen Truöl