Betreten verboten: Die Zivilschutzanlage unter dem Schlossberg soll endgültig versiegelt werden STADTGEPLAUDER | 14.11.2021 | Philip Thomas

Zivlischutzbunker von Innen

Er wurde glücklicherweise nie gebraucht: Der Zivilschutzbunker unter dem Freiburger Schlossberg ist ein Relikt aus dem Kalten Krieg. Heute vermodert die knapp zwei Kilometer lange Anlage mit Platz für 5000 Personen tief unter der Erde. Laut Stadtverwaltung sollen die Stollen nie wieder betreten werden: Der alte Schutzraum im Schlossbergbunker hat auf Angriff geschaltet und ist heute hochgiftig.

Nach dem Kalten Krieg kam der Schimmel

Fast zwei Kilometer schlängeln sich die Gänge in den Schlossberg hinein. Bis zu 60 Meter Gneis türmen sich über den rund drei Meter breiten sowie hohen Tunneln. Fünf verriegelte Eingänge vom Schwabentor bis zur Kartäuserstraße zeugen noch von der Existenz der „Zivilschutzanlage Schlossbergstollen“.

Was als kleiner Bierkeller begann, wurde zwischen 1963 und 1968 für mehr als elf Millionen D-Mark zu einer Bunkeranlage ausgebaut. Die Anlage sollte 5000 Freiburger·innen Schutz bieten und atomaren sowie chemischen Waffen standhalten. Kleingekriegt hat sie letztendlich aber eine biologische: Schimmel. „Die Belastung hat in den vergangenen zehn Jahren drastisch zugenommen“, betont Armin Mörder, stellvertretender Abteilungsleiter beim Freiburger Amt für Brand- und Katastrophenschutz (ABK).

Seit 2007 wurden die Stollen nur noch notdürftig instandgehalten. Die letzte komplette Wartung fand laut Mörder 2011 vor dem Aussetzen der Wehrpflicht statt. Statt bei der Bundeswehr anzuheuern oder Zivildienst zu leisten, konnten sich junge Männer sechs Jahre lang im Katastrophenschutz engagieren. Einmal in der Woche kontrollierten die Freiwilligen Schleusen, Strom sowie Sanitäranlagen unter dem Schlossberg. Für dessen Instandhaltung brachte der Bund bis dato jährlich 25.000 Euro auf.

Neben drei Stromanschlüssen aus der Außenwelt verfügt die bergmännisch ausgebaute Einrichtung über eigene Aggregate: Noch heute liegen drei Schiffsmotoren unter dem Berg. Die 120.000 Liter Diesel, die für alle 200-Watt-Geräte bereitstanden und den Bunker im Ernstfall bis zu 30 Tage mit Strom versorgen sollten, wurden allerdings längst von einer Spezialfirma entsorgt. Immerhin: Alte Konserven habe man nicht abholen müssen. Lebensmittel wurden in dem Bunker nicht gelagert.

Vom Bund zur Stadt?

Noch gehört der Bunker dem Bund. Dieser plant allerdings, die Anlage aus der sogenannten „Zivilschutzbindung“ zu entlassen. „Damit würde die Anlage an die Grundstückseigentümer, sprich die Stadt und die Stiftungsverwaltung, zurückfallen“, erklärt Mörder. Wann genau das sein wird? „Wir sind dran“, kommentiert der 60-Jährige. Einen Zeitraum möchte der Diplomverwaltungswirt nicht nennen.

Stefan Metzger am Pilzebeet

Stefan Metzger züchtet im Hirzberg Speisepilze.

Durch ein entsprechendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1982 wurden Städte wie Freiburg dazu verpflichtet, die Liegenschaften für Bunkeranlagen zu übernehmen. Die Kosten für den Rückbau der Elektrik und die endgültige Versiegelung aller Eingänge mit Beton möchte das Freiburger Rathaus allerdings nur ungern übernehmen. Nach einem Schadstoffgutachten wolle die Stadtspitze beim Bund eine Kostenaufstellung vorlegen. „Der Bund hat die Anlage gebaut“, kommentiert Mörder. Ein Ersatz für die Schlossberganlage ist laut dem Katastrophenschützer nicht in Planung.

Besuch unerwünscht

Neben den giftigen Sporen, die sich in der Anlage dank 90-prozentiger Luftfeuchtigkeit jahrelang ungestört ausbreiten konnten, rechnet Mörder auch mit einer PCB-Vergiftung in den Gängen, entstanden durch die knapp 1000 Neonröhren, die den Berg einst erleuchten sollten. Selbst im Kriegsfall rät Mörder deswegen dringend davon ab, den Bunker aufzusuchen: „Das kann ich guten Gewissens nicht empfehlen. Die Belastung durch Schimmel und Schadstoffe ist zu hoch.“

Das hält allerdings nicht jeden davon ab, dort Schutz zu suchen: Im Februar stellte die Freiburger Polizei fest, dass sich mehrere Obdachlose in der Anlage häuslich niedergelassen hatten. Der Bunker wurde laut Polizeisprecher Stefan Kraus anschließend geräumt und wieder versiegelt.

Eine unentdeckte Welt

Die Zivilschutzanlage im Schlossberg ist nicht der einzige Bunker in Freiburgs Osten. Auch durch den schwarzen Gneis im Hirzberg über der Kartäuserstraße ziehen sich Stollen. Dort sprießen allerdings keine giftigen Schimmelpilze, sondern schmackhafte Speisepilze. In einem ehemaligen Militärbunker aus dem Zweiten Weltkrieg züchtet Stefan Metzger seit 30 Jahren Champignons. „Konstante zehn bis elf Grad, dazu hohe Luftfeuchtigkeit – die Bedingungen hier unten sind optimal“, sagt der 72-Jährige in der rund 2000 Quadratmeter großen Anlage.

Genaue Pläne des nach Kriegsende französisch besetzten Gemäuers gebe es heute nicht mehr. Eine Verbindung zur Schlossberganlage könne daher nicht vollständig ausgeschlossen werden, einen entsprechenden Schacht hat Metzger aber noch nicht gefunden. „Hier ist alles dichtgemacht worden“, betont er und zeigt auf versiegelte Schächte und Sackgassen in schummrigem Licht. Wohin diese einst führten, könne er nicht sagen. Klar ist nur: „Diese Anlage muss früher noch viel größer gewesen sein.“

Fotos: © pt; bar