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"Eine große Chance": Gebärdendolmetscherin übersetzt Otto Normal beim ZMF STADTGEPLAUDER | 12.07.2017

Die Freiburger Gebärdensprachedolmetscherin Bea Blumrich (33) wagt sich auf neues Terrain: Beim Zelt-Musik-Festival ZMF wird sie das Konzert der Urban-Pop-Band Otto Normal ehrenamtlich begleiten. Ihr erster Einsatz mit einem Rapper. Unterstützt wird sie bei den Vorbereitungen von Marie-Luise Erne (30), die selbst nur wenig hört. Wie der Einsatz laufen soll, erklären die Zwei im Interview mit Till Neumann.

Freuen sich aufs Konzert: Bea Blumrich (links) und Marie-Luise Erne

chilli: Bea, ihr hattet gerade die erste gemeinsame Probe. Wie war’s?

Blumrich: Nice, aber auch anstrengend …

chilli: Rapper Pete ist bekannt für seine Freestyle-Einlagen. Das übersetzt du?

Blumrich: Ich bin auch gespannt, wie das gehen soll. Das wird der lustigste Teil des Konzerts. Pete ist ein Wortakrobat, ich werde schnell sein müssen.

Erne: Bea gebärdet super schnell. Und ich finde es schön, dass sie mit den Händen auch die Melodie anzeigt.

Blumrich: Ja, ich löse mich sehr von den Wörtern. Nur wenn im Refrain alle mitsingen, versuche ich näher dran zu sein. Jeder Dolmetscher macht das etwas anders.

chilli: Die Songs kannst du bis zum Konzert auswendig?

Blumrich: Ich habe gerade ein hohes Pensum, höre mir jeden Tag die Lieder an. Ich werde nicht jedes Wort übersetzen. Wichtiger ist den Song zu erfassen, Bilder entstehen zu lassen. Die werde ich fürs Publikum gebärden. Für mich ist es der erste Einsatz bei einem HipHop-Konzert.

Video zur ersten Probe: Peter Stöcklin rappt, Bea Blumrich dolmetscht.

chilli: Klingt also sollte da noch mehr draus werden.

Blumrich: Ja, Gebärdensprache bei Konzerten, das kommt immer mehr. Laura Schwengber aus Berlin dolmetscht ganz viele Konzerte. Ich starte jetzt mal einen Versuch auf dem ZMF. Es wäre schön, das hier größer aufzuziehen. Dolmetscher gibt es genügend.

chilli: Marie-Luise, du bist Initiatorin des Projekts. Wie kam es dazu?

Erne: Ich gehe regelmäßig zu Konzerten. Raptexte verstehe ich wegen meiner Hörschwäche nicht. Das geht bei der Lautstärke viel zu schnell. Ein hörgeschädigter Freund hat mir aber begeistert vom Otto-Normal-Konzert im Jazzhaus erzählt und dass Bea dabei war. Er fand die Wortspiele faszinierend. Ich habe ihn gefragt, wie er sie verstehen kann. Er sagte, dass er die Lieder vorher einstudiert hat und es trotzdem schwierig war.

chilli: Dann kam das ZMF-Konzert …

Genau. Bea hat mir erzählt, dass Otto Normal schon Videos mit Gebärdensprache gemacht haben. Sie hat mich ermutigt, Pete anzuschreiben. Das habe ich getan, er hat sofort geantwortet. So kam die Idee auf, Bea mit ins Boot zu holen. Sie hat sich bereit erklärt, das Konzert ehrenamtlich zu dolmetschen.

chilli: Wie ist das beim Konzert, wenn man wenig hört?

Erne: Ich liebe es, wenn der Bass und die Stimme vibrieren. Am liebsten stehe ich direkt vor der Box. Die Leute sagen: „Pass auf, sonst wirst du taub.“ Ich antworte einfach: „Das bin ich schon.“ (grinst) Dass Bea dabei ist, ist eine große Chance. So können alle mitfeiern und wir auf Gebärdensprache aufmerksam machen. Hoffentlich gibt es noch mehr solche Konzerte.

Zur Person

Bea Blumrich hat von 2004 bis 2009 in Magdeburg Gebärdensprachedolmetscherin auf Diplom studiert. Seit acht Jahren ist die 33-Jährige selbstständig tätig, seit 2011 lebt sie in Freiburg. „Davon kann man leben. Eine gute Partie bin ich nicht, aber total happy“, sagt sie zu ihrem Beruf und lacht. Blumrich dolmetscht bei Schulungen, Konferenzen, Uniseminaren, Elternabenden, Arztbesuchen oder Gottesdiensten. Auch beim Papstbesuch war sie im Einsatz.

Marie-Luise Erne macht in Freiburg ein Referendariat als Sonderschullehrerin. Sie kennt etwa 40 Hörgeschädigte in der Stadt, 17 haben bisher fürs Otto-Normal-Konzert zugesagt. Ihr Gehör verlor sie mit zwei Jahren durch eine Meningitis-Erkrankung. „Bis ich zwölf war, habe ich von den Lippen abgelesen“, sagt die 30-Jährige. Dank moderner Elektroden im Ohr kann sie nun wieder einigermaßen hören. Raptexte versteht sie bei lauter Musik aber nicht.