Erbschaftssteuergesetz geht in Verlängerung STADTGEPLAUDER | 10.08.2016

Nach langen Debatten in der schwarz-roten Koalition hatte der Bundestag am 24. Juni den Gesetzesentwurf zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes beschlossen. Zwei Wochen später blockierte der Bundesrat das umstrittene Papier und schickte die Vorlage an den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag, wo nun nachgebessert werden soll. Ohne die Grünen, die den Entwurf in Teilen sogar als verfassungswidrig eingestuft hatten, wird es dabei nicht gehen. Wie der Kompromiss aussehen soll, ist frühestens im Herbst klar.

Mathias Hecht

Mathias Hecht ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Geschäftsführer bei der Hecht und Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Freiburg.

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Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber im Dezember 2014 vor die Aufgabe gestellt, bis Ende Juni 2016 eine Reform des Erbschaftsteuergesetzes einzuleiten. Die zur Überprüfung gestellte Betriebsvermögensbegünstigung wurde grundsätzlich als zulässig beurteilt, es gibt jedoch Nachbesserungsbedarf an einigen zentralen Punkten. Seitdem läuft sowohl fachlich als auch politisch eine heftige Auseinandersetzung darüber, wie die Erbschaftsteuer gleichzeitig verfassungskonform und ohne unangemessene Belastung von Familienunternehmen umzugestalten ist. Die gute Nachricht des Entwurfs: Erben von Unternehmen können – wie bisher auch schon – weitgehend von der Erbschaftsteuer befreit werden, wenn sie das Unternehmen eine Zeit lang fortführen und die vorhandenen Arbeitsplätze erhalten. Allerdings machen die Neuregelungen das Erbschaftsteuerrecht noch komplizierter als zuvor. Es bleibt abzuwarten, ob der Vermittlungsausschuss hier Abhilfe schaffen kann.

Zu den wichtigsten Neuregelungen im Entwurf zählt etwa die Verschonung von begünstigtem Betriebsvermögen: Zwar wurde die bisherige Möglichkeit mit den beiden Modellen Regel- oder Optionsverschonung beibehalten – sie gilt aber nur noch für kleine und mittelgroße Unternehmen. Vor allem für große Unternehmen aber wurden die Voraussetzungen für eine Verschonung deutlich verschärft: Neu ist eine sogenannte Bedürfnisprüfung für große Betriebsvermögen ab 26 Millionen Euro. Solche Unternehmen müssen künftig bei einer individuellen Bedarfsprüfung nachweisen, dass und in welchem Umfang eine Verschonung erforderlich ist. Eine Erbschaftsteuerbefreiung wird nur noch gewährt, soweit dies unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Erben notwendig ist, um das Unternehmen fortzuführen. So wird vom Erben künftig verlangt, dass er zur Tilgung der Steuerschuld auch bis zu 50 Prozent seines Privatvermögens einsetzt.

Möchte der Erbe keine Bedarfsprüfung durchführen, kann er alternativ einen – in der Höhe von der Größe des Vermögens sowie der Dauer der Unternehmensfortführung abhängigen – Verschonungsabschlag in Anspruch nehmen. Keine Verschonung wird mehr gewährt bei einem Erwerb von mehr als 90 Millionen Euro.

Die neue Investitionsklausel sieht derweil vor, dass die Mittel aus dem Verwaltungsvermögen eines Nachlasses, die nach dem Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach dessen Tod in das Unternehmen investiert werden, künftig steuerlich begünstigt werden. Der Begriff des Verwaltungsvermögens (insbesondere Cash, Wertpapiere und fremdvermietete Immobilien) bleibt unverändert. Neu aber ist, dass nur noch maximal zehn Prozent hiervon wie steuerrechtlich begünstigtes Betriebsvermögen behandelt werden dürfen. Bei Finanzmitteln sinkt diese Grenze von 20 auf 15 Prozent.

Daneben soll es Steuererleichterungen für Familienunternehmen mit gebundenem Kapital, eine erweiterte Stundungsregel sowie Änderungen beim vereinfachten Ertragswertverfahren im Rahmen von Unternehmensbewertungen geben.

Fazit: Inwiefern nun nach dem Nein des Bundesrats das alte Recht weiter angewendet werden könnte, war zu Redaktionsschluss noch nicht klar – und unter Fachleuten umstritten. Es ist weiter zu befürchten, dass die komplizierten Neuregelungen zu einem Mehraufwand führen werden und sich zudem als nicht praxistauglich erweisen. Gut möglich, dass das Bundesverfassungsgericht sich in absehbarer Zeit erneut mit dem Thema beschäftigen muss.

Text: Mathias Hecht / Foto: © ns