Moleküle aus dem Kopierer: BioCopy aus Emmendingen will Medizintechnik revolutionieren Gesundheit | 06.01.2021 | Philip Thomas

Günter Roth im Labor Bio-Chemie im Blick: Biocopy Gründer Günter Roth im Labor.

So wie Kopierer weltweit Büros verändert haben, möchte BioCopy Labore rund um den Globus erobern. Das zwanzigköpfige Team hat einen Biomolekülkopierer erfunden, der es ermöglicht, ein Virus zu zerlegen, seine Proteine auf eine Oberfläche zu kopieren, um damit Test-Impfstoffe binnen zwei Tagen zu identifizieren. Bisher dauerte dieser Prozess mehrere Monate. Mit der Neuheit könnte die Reaktionszeit auf die nächste Pandemie deutlich kürzer ausfallen.

„Corona kam für uns knapp drei Jahre zu früh“, sagt Günter Roth, Gründer von BioCopy in Emmendingen. Das erste Konzept stellte der Physiker und Biochemiker 2015 vor. Damals wie heute werden Biomoleküle einzeln hergestellt. Dank Roths Erfindung, einem Biomolekülkopierer, können nun allerdings Tausende gleichzeitig und automatisiert hergestellt werden. Der technologische Sprung sei vergleichbar mit dem von Gutenbergs Buchdruck zum modernen Fotokopierer: „In einer halben Stunde kann die Arbeit von etlichen Jahren erledigt werden.“ Gleichzeitig sei der Materialverbrauch bis zu 50-Mal niedriger. „Das hat vorher niemand gemacht“, kommentiert Roth, der schon vor zehn Jahren mit dem Impfstoffspezialisten CureVac zusammen geforscht hat.

In der Hand ist Roths großer Durchbruch verhältnismäßig klein. Etwa vier Schokoladen-Rippen misst die rund zwei Millimeter dicke Platte, auf der sich bis zu 100.000 winzige Vertiefungen, sogenannte Kavitäten, befinden. Da hinein passen DNA, RNA oder Proteine. Zur Impfstoff-Findung braucht es nur noch das Blut eines Überlebenden. Jemanden, der eine Infektion ausgestanden und daher Antikörper gebildet hat. Denn diese Antikörper binden sich an Proteine, die wichtig für die Immunität sind.

Roth und sein Team sehen dann, wo genau die Antikörper anbinden und wissen damit, welche Moleküle für einen Impfstoff relevant sind. Die einzelnen Punkte werden in einer bunten Karte zusammengesetzt. „Die Darstellung ist wie eine Temperaturkarte. Heiß bedeutet, das gehört zum Impfstoff“, erklärt Roth. Die Anwendung sei kinderleicht. Sein 6-jähriger Sohn habe bereits spielend ein mögliches Tetanus-Vakzin entdeckt.

Anschließend muss der Wissenschaftler noch dem Protein die entsprechende DNA-Sequenz zuordnen, dann kann Roth anschließend dies Protein beliebig vervielfältigen: „Es ist wie ein Fotokopierer.“ Statt Papier gibt’s am Ende allerdings DNA, RNA oder Proteine. Zukünftige Pandemien könnten kürzer verlaufen. Nach vier Wochen könnten Experten laut Roth bereits einen ersten Impfstoff formulieren und nach zwei Monaten mit Tierversuchen durch sein, „wenn’s gut läuft, könnte man nach fünf Monaten mit dem Impfen anfangen.“

Auch Virus-Veränderungen können mit der Erfindung untersucht werden. Die im November bekannt gewordene Mutation des Coronavirus in dänischen Nerz-Farmen überrascht den Wissenschaftler nicht: „Die Natur ist schnell.“ Das sei sein Kopierer allerdings auch. Innerhalb von 48 Stunden könnten neu auftretende Mutationen entschlüsselt und Impfstoffvorläufer gefunden werden.

Roths Biomolekülkopierer könne neben der Impfstoff-Suche auch für Schnelltests, Gentherapie bis hin zur Verbesserung von Waschmitteln eingesetzt werden. „Wir können fast alles kopieren – wir brauchen nur DNA“, sagt Roth. Die Technologie hinter dem Kopierer ist bereits durch Schweizer Investoren sowie zwölf Patente geschützt. Laut Roth liegt der Wert für einen Pandemieimpfstoff im ein- bis dreistelligen Milliardenbereich. Er lacht: „Wenn wir nur fünf Prozent davon bekommen, wäre das schon okay.“ 

Foto: © Philipp Meyer, BioCopy