Klebriger Hörnling: Veronika Wähnert über die Gefahren von Pilzen STADTGEPLAUDER | 26.10.2017

Montagabend im Freiburger Museum Natur und Mensch. Zwölf Menschen reihen sich um den Tisch von Veronika Wähnert. Sie alle haben große Tüten, Schüsseln und Körbe voller Pilze dabei. Die 45-jährige Biologin und Pilz-Sachverständige sieht sich jeden einzelnen genau an. Einige gibt sie wieder zurück, der größere Teil landet im Mülleimer. Was bei der wöchentlichen Pilzberatung ihrem kritischen Blick Stand hält, darf getrost in die Pfanne. Doch nicht jeder geht auf Nummer sicher.

„Das ist der klebrige Hörnling, der ist ungenießbar … Oh je, dieser Riesenschirmling ist schon sehr ehrwürdig, wenn Sie den essen, gibt das richtig Magen-Darm … Den keulenfüßigen Trichterling können Sie essen, aber trinken Sie ja keinen Alkohol dazu! Und das ist ein kahler Krempling, der ist tödlich giftig. Den schmeiße ich sofort in die Tonne …

Natürlich dürfen die Leute ihre giftigen Pilze auch wieder mitnehmen. Aber dann lasse ich mir das quittieren. Damit will ich ausschließen, dass ich haftbar gemacht werde: Woher weiß ich, ob damit nicht jemand eine Erbschaft beschleunigen will?

Leider kann man Pilzen nicht ansehen, ob sie giftig sind oder nicht. Viele suchen nach einfachen Kriterien, wie „Pilze mit rotem Stil sind immer giftig“. Das ist Unsinn, solche Regeln gibt es nicht. Auch Bücher und Apps helfen nicht, wenn sich jemand nicht auskennt. Ich beurteile auch keine Pilze von Bildern. Man muss den Pilz anfassen und riechen können.

Dazu kommt, dass die meisten Vergiftungen gar nicht durch giftige Pilze entstehen, sondern weil die Leute alte, vergammelte Pilze essen. Ich empfehle Neulingen, eine Wanderung oder einen Kurs mitzumachen. Dabei lernt man, auf was man achten muss.

Achtung, giftig: Viele Pilzsammler sind derzeit in Freiburgs Wäldern unterwegs. Veronika Wähnert erklärt, wie man die Richtigen findet.

Ich bin immer wieder schockiert, wie viele Menschen Pilze essen, die sie gar nicht kennen. Sonntagabend klingelt bei mir am häufigsten das Telefon. Dann fahr ich entweder direkt ins Krankenhaus oder die Leute kommen zu mir und ich schau mir die Pilzreste an. Meist sind es glücklicherweise nur eingebildete Vergiftungen. Die Pilze haben komisch geschmeckt und die Leute steigern sich dann richtig rein.

In Mitteleuropa wachsen rund 10.000 Großpilzarten – davon sind 150 Speisepilze und 15 sind tödlich giftig. Zwischen 300 und 500 Arten kann ich aus dem Stegreif bestimmen. Bei den anderen weiß ich, wo ich nachschauen muss.

Um die Art zu bestimmen, müssen die Leute den ganzen Pilz samt Stil mitbringen. Und ich muss wissen, wo er gefunden wurde: bei welchem Baum und auf welchem Boden. Manche zieren sich und wollen ihre geheime Fundstelle nicht verraten. Ich selbst habe keine festen Stellen. Außerdem sammle ich keine Speise-, sondern Färbepilze, mit denen ich Wolle oder Seidenschals einfärbe. Was viele nicht wissen: Pilze sind nicht nur zum Essen da. Man kann zum Beispiel Papier aus Pilzen schöpfen oder mit Pilztinte schreiben.“

Aufgezeichnet von Tanja Senn / Fotos: © pixabay, tas