Brutale Schönheit: Freiburger Ausstellung über den Klimawandel Kultur | 05.06.2019 | Tanja Senn

Tom Hegen

Schmelzendes Polareis, das filigrane Strukturen bildet – der Künstler Tom Hegen hält den Klimawandel in wunderschönen Fotos fest. Seine Aufnahmen sind nun in einer außergewöhnlichen Multimedia-Ausstellung in Freiburg zu sehen.

Der Großteil vom Hegens Arbeit besteht aus Recherche. Der passende Ort, die beste Jahres- und Tageszeit – all das muss stehen, bevor sich der Fotograf in die kleine Propellermaschine setzt und sich über die Arktis fliegen lässt. Seine Aufnahmen entstehen senkrecht von oben, durch ein kleines, geöffnetes Seitenfenster. Damit das funktioniert, muss der Pilot sein Flugzeug immer wieder extrem neigen. Ein Job für Schwindelfreie.

Wer Hegens Bilder betrachtet, merkt jedoch schnell: Der Aufwand lohnt sich. Auf einem schier endlosen Meer treibende Eisschollen, durch azurblaues Wasser gleitende Wale, Gletscherpools in beeindruckenden Formen und Farben – die Fotografien des 28-Jährigen sind von berückender Schönheit. Erst auf den zweiten Blick wird dem Betrachter klar: Was er hier sieht, ist kein künstlerisches Stillleben, sondern eine menschengemachte Katastrophe. Die Arktis ist der Ort auf der Welt, der sich am schnellsten erwärmt. Sie zeigt drastisch, wie sich der Klimawandel auf das Ökosystem der Erde auswirkt.

Hegen Porträit

„Nicht sehr komfortabel“: Hegens Bilder entstehen aus einer engen Propellermaschine.

In einer Ausstellung in München sei er das erste Mal auf den Diskurs um das sogenannte Anthropozän aufmerksam geworden, die wissenschaftliche These, dass der Planet an der Schwelle zu einem neuen Erdzeitalter steht. „Der Mensch hat sich zur wichtigsten geologischen Kraft entwickelt“, sagt der Münchner, „das hat mich fasziniert und erschreckt.“ Um darauf aufmerksam zu machen, hat er die „Zwei Grad Celsius“-Serie entwickelt, in der er die Auswirkungen der globalen Erwärmung dokumentiert.

„Zucker fürs Auge“

Statt auf Schockbilder zu setzen, wählt Hegen einen extrem ästhetischen Ansatz. „Menschen setzen sich nicht mit Themen auseinander, die ihnen nicht schmecken“, ist er überzeugt. „Mit abschreckenden Bildern erzielt man nicht die beste Wirkung.“ Damit die eigentliche Botschaft nicht untergeht, ergänzt er seine Werke mit Erläuterungen. „Zucker fürs Auge, Gift für die Umwelt“, so fasst der Künstler seinen Ansatz zusammen.

two degrees

Die Arktis ist der Ort auf der Welt, der sich am schnellsten erwärmt.

Auch die Freiburger Ausstellung arbeitet mit dieser Maxime. Markus Specht, Geschäftsführer der Freiburger Glaswerkstatt, hat die Schau im Atrium am Augustinerplatz initiiert und umgesetzt. Auf 500 Quadratmetern zeigt er die beeindruckenden Bilder, zudem soll es eine Multimedia-Show auf einer 24 Meter breiten, gebogenen Projektionsfläche geben. Hier kommen Politiker, Demonstranten und Betroffene zu Wort, die den Klimawandel aus ihrer jeweiligen Wahrnehmung schildern. „Damit schlagen wir die Brücke zwischen den Fotografien und dem eigentlichen Thema“, macht Hegen deutlich.

Für die XXL-Projektionsfläche musste Specht bis nach Dresden, um eine Firma zu finden, die die Technik stemmen kann. Allein diese hätte normalerweise 120.000 Euro gekostet. Vom Thema der Ausstellung überzeugt, habe ihm das Dresdner Unternehmen jedoch – ebenso wie der Vermieter der Räume, die Hanse Mercur Versicherung – einen Sozialpreis gemacht. Gewinn zu machen, erwartet Specht dennoch nicht: „Ich bin zufrieden, wenn ich mit einem blauen Auge davonkomme.“

two degrees

Seine Motivation ist nicht finanzieller Natur. „Ich finde es einfach toll, dass die Jugend wieder auf die Straße geht“, so der Organisator. „Wir hatten noch die Ostermärsche, jetzt ist es der Klimawandel. Dazu wollte ich etwas beitragen.“ Auch Hegen setzt seine Arbeit in den Zusammenhang mit den „Fridays for Future“-Demonstrationen: „Es ist wichtig, dass die nicht für sich stehen, sondern das Thema weiter mit Infos untermauert wird. Dazu liefere ich den Blick von oben.“

Info:

Two Degrees Celsius
29. Mai bis 6. Juli
Augustinerplatz 2, Freiburg
www.scene-art-statement.com

Trailer Two Degrees Celcius | Tom Hegen

Fotos: © Tom Hegen