Buch-Rezi: Marseille.73 – Rassistische Netzwerker Kultur | 01.04.2021 | Erika Weisser

Dominique Manotti – Marseille.73

1973, gut zehn Jahre nach der Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich, leben viele Algerier in Marseille. In Fabriken, auf Werften und im Hafen haben sie eine – nicht besonders gut bezahlte – Arbeit gefunden. Es leben hier aber auch besonders viele Pied-Noirs: Franzosen, die im Ordnungsdienst der Kolonialgesellschaft eine Rolle spielten, die nach dem verlorenen Krieg gegen die Befreiungsbewegung zurückkehrten. Ihren gesellschaftlichen Bedeutungsverlust  haben sie jedoch nie akzeptiert.

Einige von ihnen sind ausgesprochene Algerier-Hasser – und wurden auch in Marseille Polizisten,  kamen in verschiedenen Abteilungen unter. Über verborgene Kanäle knüpfen sie ihre rassistischen Netzwerke mit Gleichgesinnten in und außerhalb der Behörden. Und bauen entstehende faschistische Organisationen wie den Front National mit auf.

Als ein psychisch Verwirrter Algerier einen Busfahrer ersticht, bilden die Pied-Noirs „Komitees zur Verteidigung der Bevölkerung“ und machen Jagd auf die Einwanderer. Als erstes Opfer ihrer Anschläge wird ein 16-jähriger nordafrikanischer Berufsschüler erschossen. Die Polizei verschleppt die Ermittlungen, legt falsche Fährten, erkennt keine antimuslimischen Motive, spricht von „Konflikten unter Glaubensbrüdern“. Ein packender Krimi über die Geburtsstunden des strukturellen Rassismus in Frankreich.

Cover Marseille.73

Marseille.73
von Dominique Manotti,
übersetzt von Iris Konopik
Verlag:
Ariadne im Argument Verlag, 2020
400 Seiten, gebunden
Preis: 23 Euro