Das „bierernste“ chilli-Horoskop in der Festival-Edition Kultur | 05.08.2019 | Philip Thomas

Vor lauter Festivals sieht chilli-Okral Philip Thomas schon Sterne. Nach genauem Studium dieser Himmelskörper durch ein Fernrohr aus Bierdosen verrät er, was die Zukunft geschlagen hat und was die Saison diesen Sommer so bringt.

160 Euro für die Karte, 19 Stunden Anfahrt, 13 Stunden Regen, 7 Euro für ein Bier, eine Stunde für die Toilette, 40 Minuten bis zur Bühne, 25 Minuten Lieblingsband, ein halber Liter fremder Schweiß, drei Anzeigen wegen Körperverletzung, zwei zerstörte Zelte und ein verlorenes Handy. Nächstes Jahr gehst du wieder hin!

Der Treffpunkt von dir und deinem Darling „vor der Hauptbühne” ist wegen der 60.000 Menschen ungünstig gewählt. Danach habt ihr euch nicht mehr gefunden. Dabei hast du sogar am Bierstand gesucht, dort allerdings nur Flüssignahrung gefunden. Schließlich bist du in einem Zelt aufgewacht, das nicht dir gehört. Und das neben dir ist auch nicht deine Freundin.

Halb offene Konserven, abgebrochene Zeltstangen, Verpackungen, unzählige Plastikbecher, zertretene Dosen und überall liegt Einweggeschirr. Dein Zeltplatz sieht aus, als hättest du die letzten drei Tage viel Spaß gehabt. Zum Aufräumen bleibt aber keine Zeit. Schließlich musst du morgen wieder für die Umwelt demonstrieren.

Alkohol aufs abgeriegelte Festival schmuggeln ist eine Kunst für sich. Schnapsflaschen im BH, leeren Sonnencremetuben oder im Toastbrot sind ganz nett. Echte Profis verbuddeln bereits Monate vor dem Event fässerweise Bier auf dem Gelände. Leider kannst du deinen „Schatz“ nicht heben. Kann ja niemand ahnen, dass die Hauptbühne später direkt darüber steht.

Festivals sind auch immer ein Schaulaufen. Glitzernde Feen mit Flügeln, Menschen in hautengen Morphsuits und sexy Steampunks machen den Wettbewerb wieder unter sich aus. Fällt etwas ab: Gönndalf. Hut, Bart und zu einem Stab aneinandergeklebte Bierdosen ergeben zwar einen stimmigen Look. Aber sein Zauber? Er verwandelt Bier in Brechreiz.

Dir ist dein Bier im Rucksack ausgelaufen, dein gesamtes Duschzeug sowie deine Zahnbürste hast du auch verloren und deine Wechselklamotten hast du auf dem Parkplatz vergessen. Aber dann wendet sich endlich dein Glück: Nach drei Tagen Sonne, Staub, Tanzerei und Party in Gummistiefeln hast die Hauptbühne ganz für dich allein.

Alles wie immer: Zwei besoffene Typen balgen um ein lauwarmes Getränk, ein Mädel lässt sich auf Schultern durch die Gegend kutschieren, ein Pärchen wird unangenehm intim, jemand pinkelt direkt vor dir auf den Boden und ein anderer wirft mit seiner Unterwäsche auf Leute. Hoffentlich wird das Festival morgen besser als dein Tag im Büro.

Jedes Musikfestival hat seine eigene Zielgruppe und seine eigenen Klischees: Metaller saufen sich mit Met die Hucke voll, Technoliebhaber sind auf bunten Pillen und Indie-Fans sind zu cool zum Tanzen. Die Frage ist doch: Was ist besser bei 40 Grad im Schatten? Drei Tage besoffen, drei Tage wach oder drei Tage in hautengen Jeans?

Seidener Schlafsack von Gucci, ein Dieselaggregat von Daimler mit 400 PS und ein rostfreier Campingkocher von Miele. Auch auf einem Festival hast du es eben gerne wie zu Hause. Wegen der teuren Ausstattung kannst du dein Zelt nur nicht mehr verlassen. 65 Euro für zwei Tage Camping ist dir dann doch etwas zu teuer …

Einen Sommer lang nur Mais aus der Dose, kalte Ravioli und warmes Bier. Die Festivalsaison ist jedes Mal auch ein Fest für deine Verdauung. Nächstes Jahr zwängst du dir hinter dem Rücken deiner Freunde heimlich ein Müsli rein. Das ist zwar nicht besonders Heavy Metal, aber weniger schlimm als dein Zelt direkt neben den Dixi-Klos aufschlagen zu müssen.

VIP-Pass und Premium-Camping sind ja ganz nett. Aber mal unter uns. Es geht nichts über eine Akkreditierung: Statt dir die Beine in den Bauch zu stehen, spazierst du einfach durch den Presseeingang, quatscht mit Bands und DJs und musst dafür noch nicht einmal bezahlen. Einziges Problem: Du musst dich am nächsten Tag noch an das Gesagte erinnern.

Die Drogendealer auf Festivals werden immer dreister. An jeder Ecke stehen sie und fragen, ob man etwas braucht oder ob man etwas kaufen will. Auf der Flucht vor den Gestalten verstauchst du dir den Fuß. Du bemerkst: Selbst das Pulver in der Kochsalzlösung aus dem Medizinzelt war kein Salz und die Pille gegen Schmerzen war kein Aspirin.

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