Dem Waldglas auf der Spur Kultur | 05.02.2022 | Heidi Knoblich

Wald- & Glaszentrum Gersbach

Gläser aus verschiedenen Jahrhunderten, kostbare Originalfunde, der Nachbau eines Glasofens: Das Schwarzwälder Wald- & Glaszentrum Gersbach gibt spannende Einblicke in die jahrhundertealte Tradition der Wanderglashütten im Südschwarzwald.

Mit seiner großen Sammlung führt das in seiner Art landesweit einmalige Museum in Gersbach auf die Spuren der Köhler, Harzer und historischen Waldglas-Hütten, ein fast vergessenes Waldgewerbe. Seit dem 14. Jahrhundert prägten neben der Landwirtschaft und dem Bergbau vor allem die Glashütten den Kulturraum um das Bergdorf Gersbach bei Schopfheim. Flurnamen wie „Glasermatt“, „Glasberg“ und „Glaserkopf“ zeugen heute noch davon.

„Im gesamten Schwarzwald wurden bislang um die zweihundert Glashütten historisch nachgewiesen, davon acht allein bei Gersbach“, erzählt Horst Sutter, Mitglied des Fördervereins „Gerisbac“ und Museumsführer. „Weitere fünfzig belegte Glashütten im benachbarten Raum des Wiesentals und den angrenzenden Gebieten zeigen die herausragende Stellung unserer Region bei der Waldglasproduktion im Südschwarzwald auf.“

Das Waldglas ist ein Pottascheglas. Es wurde vom 12. bis zum 17. Jahrhundert in den Waldglas-Hütten der deutschen Mittelgebirge hergestellt. Seine typische grünliche Farbe kam durch das im Quarzsand enthaltene Eisenoxid zustande. Als man in Venedig herausfand, dass die ungewollte Grünfärbung mit der „Glasmacherseife“ (Manganverbindungen) verhindert werden konnte, begann auch im Schwarzwald der Siegeszug des „gewaschenen“ Glases. Schon im Jahr 1516 unterschied man auch hier das „luter glas“ (geläutertes, reines, farbloses Glas) vom „geferbt glas“.

Gersbach bot ideale Bedingungen für Glashütten: Große Buchenwaldbestände – das begehrte Grundmaterial zur Herstellung von Pottasche und Holzkohle – sowie Quarz und Kalk und weitere Rohstoffe. Zahlungskräftige Absatzmärkte für die Glaswaren fanden sich in den verkehrsgünstig gelegenen Hochrheintälern und im städtischen Basel.

Grüne Glasvase

Zunächst durch das im Quarzsand enthaltene Eisenoxid grün gefärbt, später klar und „gewaschen“: Das Museum in Gersbach zeigt die Entwicklung des Waldglases über mehrere Jahrhunderte.

Waldinseln und Weideflächen

Neben den an die Klöster gebundenen „Klosterhütten“ gewannen immer mehr Wander-Glashütten an Bedeutung. War der Buchenwald aufgebraucht, zogen sie weiter und hinterließen Raum für Ackerbau und Viehzucht. Damit prägten sie wesentlich die für den Südschwarzwald so typische Landschaft mit offenen Weideflächen und isolierten Waldinseln. Den Glashütten wurden von der Obrigkeit außerordentliche Privilegien eingeräumt: Von der Leibeigenschaft befreit, durften sie auf den gerodeten Flächen Landwirtschaft und Viehzucht zur Eigenversorgung betreiben. Selbst das Schankrecht wurde ihnen gewährt.

„Der Beruf des Glasers wurde vom Großvater über den Vater an den Sohn weitergegeben. Die Glasrezepturen waren streng gehütetes Familiengeheimnis“, erzählt Horst Sutter. Streng war auch die Hierarchie, die in den Glashütten und deren Siedlungen herrschte. An der Spitze der Glashütte stand der Glasvogt. Ihm folgten bis zu fünf Glasmeister pro Hütte, denen die Glasergesellen unterstanden. Darunter arbeiteten die Schürer, Holzknechte und Sandgräber. Daneben gab es ein ganzes Netzwerk von Zulieferern wie Aschebrenner und Fuhrknechte.

Das Schwarzwälder Wald- und Glaszentrum Gersbach ist das einzige überregionale Waldglas-Museum im Südschwarzwald. Das kleine Museum basiert auf den Forschungsergebnissen der AG MINIFOSSI (1982–2012), einer Schüler-Arbeitsgruppe der Schopfheimer Friedrich-Ebert-Schule unter der fachkundigen Leitung des Lehrers Werner Störk. Durch ihre Arbeit zählen die Glaswüstungen (verlassene Glashütten) im Südschwarzwald zum festen Fundus der regionalen und nationalen Forschung. „Störk hat dem Museum seine gesamte Glassammlung und alle Oberflächenfunde geschenkt“, erzählt Sutter. Er hat dem Museum auch sein umfangreiches, fundiertes Wissen überlassen: Wissen von der geheimnisumwitterten Herstellung des Waldglases und des Waldgewerbes, dem Besucher in Gersbach nachspüren können.

Info:
Wald- & Glaszentrum Gersbach
Wehratalstraße 10
79650 Schopfheim
Besuche und Führungen können über die Ortsverwaltung Gersbach vereinbart werden
Tel.: 07620/227 oder
Tel.: 0172/7487530

Fotos: © AG MINIFOSSI Werner Störk