Ein Almanach der Träume: Die Bücher des Jahres von Freiburger Promis und Kennern Kultur | 20.12.2018

Was haben Freiburger Prominente im vergangenen Jahr besonders gern gelesen, was war ihr Buch des Jahres? Das hat die chilli-Redaktion kurz vor Weihnachten prominente Vertreter aus Politik und Kirche, aus Wissenschaft und Wirtschaft, aus dem Sport und der Kultur gefragt.

Es geht um Barbaren, Jesuiten und Physiker, um Schelmenromane und europäische Träume. Und um den letzten Otto-­Katalog. Während man den eher nicht für Freunde unter den Weihnachtsbaum legt, taugen die anderen empfohlenen Werke dafür sehr wohl.

Stephan Burger, Erzbischof von ­Freiburg

Der Kardinal der Einheit
Clemens Brodkorb, Dominik Burkard (Hrsg.), Schnell & Steiner 2018,
512 Seiten, Hardcover, 49,95 €

Mein „Buch des Jahres“ ist einem großen Sohn unserer Freiburger Erzdiözese gewidmet: dem Jesuiten Augustin Bea (1881–1968), dem „Kardinal der Einheit“, der aus Ried­böhringen stammte. Das Buch befasst sich in 16 Beiträgen mit Herkunft und Prägung sowie Werken und Bedeutung des Kardinals, der durch sein Wirken Entscheidendes für die Ökumene bewirkt hat – aus der wir in Freiburg ja bis heute Gewinn ziehen. Mir gefallen besonders die große Bandbreite der Texte und die Blicke in so manche wenig bekannte Archive, die einen faszinierenden Menschen und eine spannende Zeit für die Kirche lebendig werden lassen.

Hans-Jochen Schiewer, Rektor der Universität Freiburg

Marlow
Volker Kutscher, Piper 2018,
528 Seiten, Hardcover, 24 €

Der neue Band der Krimiserie um Kommissar Gereon Rath, deren erster den Start zur „Babylon Berlin“-Filmserie gab, verwebt mehrere Erzählstränge zu einer packenden Beschreibung des Berlin der 30er Jahre. Im Roman geht es um den Unterwelt-König Marlow, Morphium und verdächtige Todesfälle. Rath ermittelt, dass Gestapo-Chef Hermann Göring von der SS ausspioniert wird. Und auch Raths Familie wird in den Strudel politischer Intrigen gezogen. Mir als Mediävist gefällt Kutschers exakter, sprachlich stringenter Schreibstil, der die historisch fundiert recherchierten Handlungsstränge zu einem fulminanten Ende führt. Lesenswert.

Hanna Böhme, ­Geschäftsführerin der FWTM GmbH

Gott der Barbaren
Stephan Thome, Suhrkamp 2018
719 Seiten, gebunden, 25 €

2018 gab es viele Kinderbücher und wenige Erwachsenenbücher für mich – so fiel die Auswahl leicht: Der Roman spielt im 19. Jahrhundert in China, als die Westmächte sich mit Kanonen Handelsrechte sicherten und bei der Taiping-Rebellion bis zu 30 Millionen Menschen starben – eine grausame Episode der Menschheitsgeschichte. Thome hat mir, die viele Jahre in Ostasien leben durfte, mit seinem für den deutschen Buchpreis nominierten Roman interessante Stunden beschert.

Laura Bärtle, Lyrik-Preisträgerin aus Freiburg

Nichts, was uns passiert
Bettina Wilpert, Verbrecher Verlag 2018
168 Seiten, Hardcover, 19 €

Anna behauptet, Jonas habe sie vergewaltigt. Er bestreitet. Bettina Wilpert richtet die Perspektivenscheinwerfer von Täter, Opfer, Bekannten und Freunden auf die Situation und beleuchtet die Wahrheit von allen Seiten. Das bringt die Leser unaufdringlich dazu, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was es für sich selbst und das Umfeld bedeutet, Opfer oder Täter zu sein – und auch, dass Grenzen oft nicht einfach zu erkennen sind. Ein Buch für alle, die die Fähigkeit des Perspektivwechsels auf die Probe stellen möchten!

Torang Sinaga, Verlagsleiter Rombach

Sortiment Frühjahr/Sommer 2019
Otto Katalog, Otto-Versand 2018
656 Seiten, Broschur, kostenlos

Was der „Brockhaus“ für das Wissen der Welt war, sind die Otto-Kataloge für die bundesdeutsche Konsumlandschaft: Opulente Zeitzeugnisse, auf Papier verewigte Momentaufnahmen ihrer jeweiligen Epoche. Der Otto-Katalog blieb uns länger erhalten als der „Brockhaus“ – jetzt ist auch für ihn Schluss. Was bleibt, sind Erinnerungen: Das mühsam zusammengesparte Mountainbike. Oder die Bikinis vom Frühjahr 91. „Otto“ wird uns fehlen. Nicht als Versandkatalog, aber als Almanach unserer fast vergessenen Träume.

Peter Carp, Intendant des ­Freiburger Theaters

Heimkehr
Thomas Hürlimann, S. Fischer 2018
528 Seiten, gebunden, 25 €

Mit großer Freude habe ich zuletzt „Heimkehr“, den neuen Roman von Thomas Hürlimann gelesen. Ich kenne ihn seit vielen Jahren hauptsächlich als Theaterautor und habe vier Texte von ihm inszeniert – im Theater Freiburg war „Das Gartenhaus“ zu sehen. Umso mehr hat es mich gefreut, einen kräftigen, lebensprallen ‚Schelmenroman‘ von Hürlimann zu lesen, der mit Genres und Klischees jongliert. Der Roman ist eine rasante Achterbahnfahrt voller Lebensgier.

Martin Horn, ­Oberbürgermeister von Freiburg

Der europäische Traum. Vier Lehren aus der Geschichte
Aleida Assmann, C.H. Beck 2018
208 Seiten, Klappenbroschur, 16,95 €

Gerade in Zeiten erstarkender Nationalismen und Kritik an der europäischen Idee ist die Lektüre empfehlenswert. Eine Erinnerungskultur, die sich selbstkritisch mit unserer Vergangenheit auseinandersetzt, ist eine der vier Lehren aus der Geschichte. Gemeinsam mit Friedenssicherung, Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte können sie als die Prinzipien gelten, mit denen wir Europäer einen „europäischen Traum“ und ein verbindendes Leitbild mit Strahlkraft für die Zukunft entwerfen können.

Alexander Schwolow, Torwart des SC Freiburg

Eine kurze Geschichte der Zeit
Stephen Hawking, Rowohlt 2011
271 Seiten, Taschenbuch, 9,99 €

Das Buch wurde zwar geschrieben, bevor ich geboren wurde, trotzdem ist es mein Buch des Jahres, denn Hawking ist im März gestorben. Dieser Mann, der im Rollstuhl sitzen musste und später die Fähigkeit zu sprechen verlor, hat mich schon immer fasziniert. Mit dem Urknall und schwarzen Löchern konnte ich in der Schule nicht so viel anfangen und habe Physik in der zehnten Klasse abgewählt. „Eine kurze Geschichte der Zeit“ hilft aber auch Nicht-Physikern, das Universum besser verstehen zu können.

Fotos: © Unsplash, Erzbischöfliches Ordinat, Silvia Wolf, privat, tln, Wissing, Britt Schilling, Stadt Freiburg, Achim Keller