Film, Musik & Literatur: Im Mensagarten, beim Alten Wiehrebahnhof und am Waldsee Kultur | 23.07.2020 | ewei

Am Ende ging alles ganz schnell: Die Idee zu der Open-Air-Veranstaltungsreihe „Ins Weite. Reisen in Film, Musik, Literatur.“, an dem die Leute vom Kommunalen Kino zusammen mit etlichen Kooperationspartnern wochenlang gefeilt und für dessen Realisierung sie unermüdlich Förderquellen erschlossen hatten, musste in knapp zwei Wochen umgesetzt werden. Denn die Zusage des Landes-Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur, das ehrgeizige, in zwei Monaten mehr als  50 Filmvorführungen, Konzerte, Lesungen und Gesprächen umfassende Projekt zum Thema „Reisen“ finanziell zu unterstützen, kam erst Anfang Juli. Da war nicht mehr viel Zeit für die die endgültigen Terminierungen und den letzten Feinschliff – und das Programm war kaum gedruckt und veröffentlicht, da lief auch schon der erste Film: Mit David Lynchs „The Straight Story“ startete „Ins Weite“ am  Samstag, 17. Juli.

Und tags darauf gab die senegalesische Songwriterin Awa Ly mit dem Gitarristen David Remy am gleichen Ort das ausverkaufte Eröffnungskonzert zu dieser „kulturellen Alternative zum Verreisen“, die die Veranstalter „allen im Sommer 2020 in Freiburg und Umgebung Gebliebenen“ bieten wollen – mit einer breit gefächerten Agenda, die bis zum 13. September zu drei kultigen Freiluft-Spielorten führt: in den Mensagarten, unter die Kastanien beim Alten Wiehrebahnhof und an die Ufer des Waldsees. Zu „Bildern, Klängen und Worten“, die sich nach Angaben von Kuratorin Neriman Bayram „auf vielfältige Weise mit dem Reisen beschäftigen“. Und die auch ohne wirklichen Ortswechsel Räume schaffen können für Grenzüberwindungen, Erkundungen, Begegnungen, Annäherungen und Perspektivenveränderungen. Schwerpunkte sind dabei Nordamerika, Westafrika und Asien.

Zum Schwerpunkt „On The Road. Nordamerikanische Aufbrüche“ gab es am Donnerstag eine gut besuchte Literatur-Auftaktveranstaltung  beim Alten Wiehrebahnhof: Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe las aus ihrem Buch „Prawda. Eine amerikanische Reise“. Darin begibt sie sich auf die Spuren des berühmten sowjetischen Schriftstellerduos Ilja Ilf und Jewgeni Petrow, die in den 1930-er Jahren im Auftrag der Zeitung Prawda vier Monate lang über zehntausend Meilen durch die USA reisten und unglaublich skurrile Begebenheiten beschrieben.

Achtzig  Jahre später reiste sie den Autoren Station für Station nach, besichtigte die Fordwerke, den Zaun von Tom Sawyer, den elektrischen Stuhl, trifft am Mulholland Drive auf Tarantino und im Weißen Haus auf einen begnadigten Truthahn. Bei der Lesung  erzählte sie von der Kunst des Nachreisens, von Fake News und Parallelreisen im Kopf, die die Wirklichkeit in Literatur verwandeln. Dabei malte die  das Land der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten in ein überraschend neuen Farben – und kam am Ende zu einem schlichten Fazit: „Die Reise ist noch nicht zu End, wenn man Kirch und Turm erkennt!“

Danach ging es weiter „on the Road“:  im Mensagarten lief Bob Rafelsons „Five easy Pieces“. In diesem Film von 1970 spielt Jack Nicholson den Sohn einer arrivierten Musikerfamilie, der einer vorgespurten Pianistenkarriere entflieht und mit seiner bildungsfernen Freundin Rayette ruhelos durch die Welt zieht, wobei er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält und seine Musikalischen Talenet im Lebensstil eine Redneck in Bars und Bowlinghallen verkümmern lässt. Hier gab es auf den in gebührendem Corona-Abstand aufgestellten Stühlen allerdings noch einige freie Plätze. Was bedeutet, dass auch kurz entschlossene Kinofans gelegentlich noch einen Sitzplatz ergattern können – Informationen gibt es unter: ins-weite.de

Schlange vor dem Kino im Mensagarten – inklusive eingehaltener Corona-Hygienevorschriften.

Auf der Leinwand, die bis kurz vor Vorführungsbeginn wie eine luftlose Hüpfburg schlaff auf dem Boden liegt und innerhalb weniger Minuten zu einer riesigen und stabilen Projektionsfläche aufgepumpt wird, sind an diesem Wochenende  Fernando Solanas’ „El Viaje“ sowie Arthur Penns „Bonnie & Clyde“zu sehemn; in der kommenden Woche gibt es Jim Jarmuschs „Dead Man“ und Aki Kaurismäkis „Leningrad Cowboys go America“. Und am 31. Juli gibt es dort mit Kiyoshi Kurosawas 2019 in Japan gedrehtem Film „To  he Ends of Earth“ sogar eine Deutschlandpremiere. Ein weiterer Höhepunkt des Freiluftprogramms wird sicher der im Jahr 1925 entstandene Stummfilm „Grass: A Nation’s Battle for Life“ sein – mit Life-Musikbegleitung von Günter A. Buchwald und Murat Coşkun. Dieses Event ist für den 13. August terminiert.

Hier, im Mensagarten, findet am 30. Juli, 19 Uhr, auch der Café Atlantik Poetry Slam statt, auf den sich Marvin Suckut „nach über drei Monaten in der 8er-WG oder bei Mutti im alten Kinderzimmer“ ganz besonders freut. Thema ist nun, da man „wieder aus dem Haus und die Reisefreiheit genießen“ kann, natürlich das Reisen. Auf dieser Bühne, die bis zum 16. August im Mensagarten aufgeschlagen wird, gibt es noch einige ausgesuchte Filme, die samt und sonders besonders sind, und etliche Live-Konzerte, darunter etwa Bab L’Bluz, – Gwana-Rock aus Marokko.

Marvin Suckut „nach über drei Monaten in der 8er-WG oder bei Mutti im alten Kinderzimmer“.

Ab 19. August wird die Leinwand (und die Bühne)  am Waldsee aufgeschlagen; Dort endet das Festival am 13. September mit einem Überraschungsfilm. Informationen zu  Zugangsbedingungen und Abstandsregeln sowie zum Kartenkauf gibt es im Prorgrammflyer.

 

Info

Was: Open-Air-Veranstaltungsreihe „Ins Weite. Reisen in Film, Musik, Literatur.“. 
Wann: bis 13. September
Wo: Mensagarten, Alter Wiehrebahnhof, Waldsee
Programm: www.koki-freiburg.de/wp-content/uploads/InsWeite-Flyer-A2-200722-F11.pdf

Fotos: © Kommunales Kino, ewei