Gemischte Reaktionen auf die Planungen fürs Stadtjubiläum – Zankapfel Dreisamboulevard Kultur | 19.07.2018 | Tanja Senn

Freiburg 2020 – 900 Jahre jung“ lautet das Motto des Stadtjubiläums. Erste Eckpunkte des Jubiläumsjahrs hat die Projektgruppe um den Ersten Bürgermeister Ulrich von Kirchbach und Leiter Holger Thiemann nun vorgestellt.

In den meisten Fraktionen, die für die Feierlichkeiten drei Millionen Euro springen lassen, stoßen diese Vorschläge auf Zustimmung. Kritische Stimmen werden hingegen bei den Unabhängigen Listen laut, die innovative Ideen vermissen. Das sieht auch Simon Walden­spuhl (Die Partei) so, der eine eigene Alternative plant.

Der Startschuss soll bereits am 22. November 2019 fallen: Dann wird die Ausstellung „Freiburg. Archäologie. 900 Jahre Leben in der Stadt“ eröffnet. Durch das Jubiläumsjahr selbst werden sich zahlreiche Veranstaltungen ziehen: Ein Neujahrsempfang „der etwas anderen Art“, eine Lichtinstallation in der Innenstadt, ein großes Festwochenende im Juli oder eine Welt­meisterschaft der „Lebenden Statuen“.

Ergänzt wird das durch Veranstaltungen der Bürger. Noch bis Ende Juli können Einzelpersonen, Vereine oder Unternehmen Projektanträge stellen, die nach den Sommerferien auswertet werden. „Die Projekte müssen etwas mit Freiburg zu tun haben“, gibt Thiemann vor, „ansonsten ist eine breite Palette möglich.“

Stadtschreiber und lange Tafel

Doch schafft solch ein Reigen von Veranstaltungen tatsächlich „über das Jubiläumsjahr hinaus einen nachhaltigen Nutzen“, wie es der Gemeinderat vorgegeben hat? „Der ausdrückliche Wunsch unserer Gruppe ist, nicht nur ein Feuerwerk loszulassen und das war’s dann“, bestätigt Thiemann. „Wir können uns viele Möglichkeiten vorstellen, wie sich das erreichen lässt. Zum Beispiel die Gestaltung eines Platzes oder einer Fassade sowie ein neues Festival, das seinen Ausgang im Jubiläumsjahr hat.“ Vorstellen könne er sich auch einen Stadtschreiber, wie ihn manche Städte schon haben – meist Schriftsteller, die für Geld und Logis eine Weile in der Stadt leben und arbeiten.

Auch von Kirchbach freut sich auf ein „hochkarätiges, breit angelegtes Programm für alle Zielgruppen“. Um die – wortwörtlich – alle an einen Tisch zu bekommen, könnte er sich unter anderem eine Mittsommernachtstafel vorstellen, wie es sie 2009 und 2011 schon in Freiburg gab: „Das kam damals unheimlich gut an und ich finde, für ein Jubiläum ist so eine Aktion fast schon Gesetz.“

Neues Festival oder Gestaltung eines Platzes: Holger Thiemann wünscht sich eine Wirkung über 2020 hinaus.

Angetan zeigt er sich auch vom Vorschlag der Freiburger Architektenschaft. Die sorgte mit ihrer Idee, für einige Wochen einen Dreisamboulevard aufzubauen und die B31 zeitweise zu sperren, für einigen Wirbel. Auf Wunsch der Projektgruppe füllen die Architekten ihre Idee gerade mit Inhalten: Wo könnten Bühnen und Freisitze hin? Welche Veranstaltungen würden herpassen? „Unser Beitrag zum Jubiläum soll ein Blick in die Zukunft sein: Welches Potenzial steckt in der Stadt, wenn der Tunnel mal da ist“, fragt Manfred Sautter, Vorsitzender der Kammergruppe Freiburg. Er ist sich sicher: Trotz des schmalen Budgets lasse sich hier „mit etwas Kreativität“ einiges realisieren.

Diesbezüglich zeigt sich auch der Kulturbürgermeister zuversichtlich, den jedoch ein ganz anderer Punkt quält: So habe Land­rätin Dorothea Störr-Ritter den Vorschlag „kategorisch abgelehnt“ mit dem Verweis, dass der Verkehr dann die Umlandgemeinden belaste. „Das müssen wir genau abwägen“, gibt von Kirchbach zu bedenken. „Wir wollen schließlich mit der ganzen Region feiern und nichts gegen Widerstand des Landes durchsetzen.“ Entscheiden müssten über die Sperrung das Regierungspräsidium und Freiburgs neuer Oberbürgermeister Martin Horn. Der arbeitet sich laut Rathaussprecherin Petra Zinthäfner aktuell noch in das Thema ein.

Bei den Unabhängigen Listen Freiburg (UL) stößt der Dreisamboulevard auf große Zustimmung: Es sei die „einzige innovative Idee“, die bisher bekannt wurde und solle den „örtlichen und inhaltlichen Schwerpunkt des Jubiläumsprogramms“ bilden, so Atai Keller und Irene Vogel. Ansonsten fehle dem Jubiläum die Leit­idee, monieren die beiden Mitglieder der gemeinderätlichen Begleitgruppe. Ihren Einfluss sehen sie begrenzt: „Die Begleitgruppe dient nur dazu, die Fraktionen auf dem Laufenden zu halten. Die wesentlichen Entscheidungen werden in der Dezernenten-Runde gefällt, das halten wir für schlecht.“

In den anderen Fraktionen zeigt man sich zufrieden mit den Planungen. Die Freien Wähler, CDU, SPD, Grüne und FL/FF freuen sich vor allem, dass der Leitgedanke, ein Jubiläum für, von und mit den Bürgern zu gestalten, eine zentrale Rolle bei den Planungen spielt.

„Hätte etwas Außergewöhnliches erwartet“

Lediglich „Die Partei“ spart nicht mit Kritik. Hier befürchtet man, dass das Jubiläum zu einer „Mischung aus Schlossbergfest XXL und einem überraschungsarmen Kultur-Programm“ wird. „Bisher hört sich das alles sehr nach Standard an“, bemängelt Waldenspuhl. „Der ist in Freiburg natürlich sehr hoch, das wollen wir gar nicht bestreiten, aber ich hätte etwas Außergewöhnliches erwartet.“

Kein einmaliges Spektakel: Stadt plant Veranstaltungen übers ganze Jahr und in allen Stadtteilen.

Ihm sei es etwa wichtig, auch einen kritischen Blick auf die Stadt zu wagen. Nichts, das Thiemann nicht auch auf dem Schirm hat: „Wir wollen die Stadt in ihrer ganzen Breite zeigen, mit ihren Stärken und Schwächen.“ Waldenspuhl plant dennoch ein alternatives Jubiläum, das das offizielle Programm ergänzen soll. Wie genau das aussehen wird, will er noch nicht verraten.

Wo es angekündigt wird, steht aber schon fest: Im März vergangenen Jahres hatte sich der Stadtrat „die digitale Hoheit über das Stadtjubiläum gesichert“, wie Die-Partei-­Sprecher Lennart Lein in einem Video-­Kommuniqué verkündet. Dafür hat Wal­den­spuhl vier Internet-Domains samt zugehöriger Facebookseiten gekapert, darunter die Adressen stadtjubiläum-­freiburg.de oder 900Jahre-Freiburg.de.

In der Planungsgruppe lässt man sich deswegen keine grauen Haare wachsen. „Wir haben eine wunderbare Adresse und das ist die freiburg.de“, winkt Thiemann ab. „Da wird unterschätzt, was passende Domains bewirken können“, kontert Waldenspuhl. Abgeben will er sie daher nicht – „außer gegen ein exorbitantes Angebot“.

Das sagen die Fraktionen zu den bisherigen Plänen:

Grüne

Wir finden die Grundlinie gut und sind gespannt, welche Vorschläge nun aus der Bürgerschaft eingehen. Uns ist zudem wichtig, auch die Freiburger Bildungseinrichtungen ins Boot zu holen und das Stadtjubiläum etwa an Schulen zu verankern. Wir möchten uns außerdem dafür einsetzen, die tourende Nachhaltigkeits-Ausstellung „Zur Nachahmung empfohlen!“ nach Freiburg zu holen.

CDU

Eine starke Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in allen Ortschaften und Stadtteilen ist uns sehr wichtig. Wir hatten gefordert, einen Teil des städtischen Budgets für Projekte und Veranstaltungen der Freiburger Quartiere zu verwenden. Dies wird nun genauso umgesetzt. Damit ist eine unserer Kernforderungen erfüllt.

SPD

Der Fokus auf die drei Projektsäulen städtische Jubiläumsprojekte, Kooperations- und Partnerprojekte und BürgerInnenprojekte halten wir für richtig. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass der Kleinprojektefonds möglichst gut beworben wird und viele Ideen aus den jeweiligen Stadtteilen umgesetzt werden können.

Unabhängige Listen

Es fehlt die Leitidee, eine inhaltliche Ausrichtung wie „wachsende Stadt im Wandel Europas“ oder „Zukunftsstadt – Bürgerstadt“. Von einer Weltmeisterschaft der „Lebenden Statuen“ halten wir gar nichts. Und das Budget für das Jubiläum reicht sowieso nicht aus!

FL/FF

Die Fraktion Freiburg Lebenswert/Für Freiburg war einhellig der Meinung, dass die neue Konzeption unbedingt zu unterstützen ist. Es werden dabei die Vorgaben des Gemeinderates in inhaltlicher wie auch finanzieller Hinsicht verwirklicht. Aber vor allem ist es uns wichtig, dass das Stadtjubiläum ein Fest für alle Bürger wird und nicht eine Veranstaltung für die immer gleichen Tausend Menschen.

Freie Wähler

Wir freuen uns, dass wir große Teile unseres Konzepts, wie zum Beispiel den Grundgedanken „Mit den Bürgern für die Bürger“ im jetzigen städtischen Konzept bzw. den Eckpunkten wiederfinden. Diskussionsbedarf sehen wir zum momentanen Zeitpunkt nicht.

Fotos: © tln; privat