„In den Kinderschuhen“: 200 Euro geschenkt für Kultur – wie gut das funktioniert Kultur | 07.03.2024 | Till Neumann

Die Regierung hat allen 18-Jährigen in Deutschland 2023 ein spektakuläres Angebot gemacht: 200 Euro gab es geschenkt für Kulturangebote. Seit März geht der „Kulturpass“ in die zweite Runde – wird aber auf 100 Euro gekürzt. Wie gut hat das bisher geklappt? Zwei junge Menschen aus Südbaden berichten. Auch Veranstalter sind angetan – aber mit mäßigem Erfolg. Profitiert hat vor allem eine Branche.

200 Euro für Kulturangebote? „Ich finde, das ist eine sehr, sehr gute Sache“, sagt Luca Nowag. Der Freiburger macht selbst Musik und hat sein Budget genutzt. „Ich habe Platten gekauft und war bei Konzerten“, erzählt er. Erfahren vom Kulturpass hat er über Social Media, die Info hat in seinem Freundeskreis die Runde gemacht: „In meinem Umfeld haben das relativ viele genutzt“, sagt Luca. Andere hätten jedoch zu spät davon erfahren – und dann Pech gehabt. „Das finde ich schade“, sagt Luca. Ginge es nach ihm, müsste man die Info „ein bisschen größer an die Glocke hängen“, damit alle davon profitieren. Schließlich nütze das zwei Seiten: jungen Menschen und der Kulturbranche. 

Genau mit der Idee hat die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, das Angebot im vergangenen Jahr gestartet. Und zwar inspiriert vom französischen „Pass Culture“. Nach der Corona-Krise sollte der Kulturpass zwei Dinge schaffen: junge Menschen für Kultur vor Ort begeistern. Und die Kulturbranche unterstützen. Das Budget ist seit dem 14. Juni 2023 digital einlösbar über die Kulturpass-Plattform und verwertbar für beispielsweise Eintrittskarten, Bücher, CDs oder Musikinstrumente.

Auch Annalena Kipf findet den Pass toll. Die 18-Jährige aus Munzingen bei Freiburg hat aber noch keinen Euro davon genutzt: „Die Idee ist gut, aber es gibt zu wenig Angebote, die mich ansprechen.“ Über eine App kann sie sich anschauen, was verfügbar ist. „Es gibt viel aus dem Bereich Theater, Museum oder Führungen – hier aber leider nur zu Themen, die mich nicht interessieren oder mir nichts sagen“, erklärt sie. Zudem könne man oft nur einen bestimmten Betrag nutzen, beispielsweise 10 Euro. Wenn etwas teurer ist, muss sie drauflegen.  

Die Kulturpass-Zahlen des ersten Jahres zeigen Interesse, aber auch Luft nach oben: Von rund 750.000 möglichen Personen haben sich bis Ende 2023 rund 285.000 für den Kulturpass registriert. Damit hat etwas mehr als ein Drittel der Zielgruppe den Kulturpass genutzt. Von rund 1,14 Millionen Käufen über den Kulturpass bis zum 30. Januar berichtet das Kulturpass-Team um Claudia Roth. 23 Millionen Euro seien so ausgegeben worden. Etwa 80 Euro pro Person. 

Wer sich vergangenes Jahr für den Kulturpass registriert hat, kann seine 200 Euro noch bis Ende 2024 einlösen. Damit könnte das auch für Annalena noch klappen. Sie hat Angebote vom Cinemaxx-Kino, von Holiday on Ice oder Konzerte von Künstlern wie Mark Forster in der App entdeckt und in ihrem Konto gespeichert.

Claudia Roth

Überzeugt: Die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth hat den Kulturpass eingefädelt.

Auch Luca findet das Angebot ausbau­fähig: „Das steckt noch in den Kinderschuhen.“ Er wünscht sich eine größere Vielfalt. Da sein Budget nicht aufgebraucht ist, wartet er auf die passenden Events. Vielleicht könnte er beim Jazzhaus Freiburg fündig werden. Die Kulturlocation hat die Plattform genutzt, bisher aber nur mit überschaubarem Erfolg: „Wir haben nicht allzu viele junge Menschen erreichen können“, sagt Nico Schrader aus dem Jazzhaus-Team. Bis Ende Januar hat er 27 Bestellungen verbucht – mit einem Wert von insgesamt 730 Euro. Dennoch sagt Schrader: „Ich glaube, alle sind sich einig, dass die Sache an sich mega cool ist.“

„Wir haben alle Livemusik-Veranstaltungen eingestellt“, berichtet Schrader. Gebucht wurden „nur ein paar hippe Konzerte, die auch genau die Zielgruppe 18 Jahre ansprechen“: Madeline Juno, Zimmer90 und Blond. Schrader interpretiert das folgendermaßen: Es wurden keine neuen Bands entdeckt, sondern Konzerte finanziert, die wohl so oder so auf der Liste standen.

Die Abwicklung über ein zentrales System findet er kompliziert. „Das liegt eigentlich nur daran, dass ein Marketplace-System genutzt wurde, das nicht extra für Tickets konzipiert wurde.“ Mit ein bisschen Einarbeiten sei das aber kein Problem gewesen.

Auch das Theater Freiburg hat wenig profitiert: „Bis Ende Januar haben 33 junge Menschen Gutscheine im Wert von 760 Euro gekauft“, berichtet Sprecherin Shirin Saber. Für welche Events, das sei wegen des Gutschein-Systems schwer zu sagen. „Wir glauben nicht, dass wir allein durch den Kulturpass mehr junge Menschen erreicht haben“, erklärt Saber. Der Eindruck sei eher, dass über den Kulturpass junge Menschen kommen, die ohnehin schon ein Interesse an Theater haben. Das Theater werde zwar wahrgenommen, profitiere aber weniger als beispielsweise die Buchbranche. 

Das belegen auch die bundesweiten Zahlen: Bis zum 19. Februar sind knapp 24 Millionen Euro über den Kulturpass ausgegeben worden. Rund die Hälfte (12 Millionen) gingen für Bücher drauf. Am gefragtesten war „Icebreaker” von Hannah Grace (LYX). Das Buch wurde fast 2400 Mal bestellt und generierte einen Umsatz von 30.333 Euro. Den Hang zur Lektüre zeigt auch das Beispiel Frankreich: Dort machten Mangas im Jahr 2021 75 Prozent der Bestellungen aus. Mittlerweile ist die Zahl auf etwa 40 Prozent gesunken.

Staatsministerin Claudia Roth wertet den Kulturpass-Start als Erfolg. Sie hat sich für eine Fortsetzung starkgemacht. Seit dem 1. März kann nun auch der Jahrgang 2006 das Budget nutzen. Allerdings halbiert: Statt 200 Euro gibt es jetzt 100 Euro – einlösbar bis Ende des Jahres. 

Wer sich registrieren lassen möchte, muss ein Online-Ausweis-Verfahren machen. Bei Annalena Kipf hat das nicht auf Anhieb geklappt. Ein Code fehlte, den musste sie im Rathaus anfragen. „Das war alles bisschen schlecht erklärt“, sagt Annalena. Mittlerweile hat sie aber den Zugang – und kann die 200 Euro einlösen.

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