Kneipen-Biotop mit Skelett – Der Schlappen feiert 40. Geburtstag Kultur | 18.11.2023 | Pascal Lienhard

Schlappen Bar

Wir schreiben das Jahr 1983: Die Grünen ziehen erstmals in den Bundestag ein, der Stern veröffentlicht die vermeintlichen Hitler-Tagebücher, Nena trällert sich mit „99 Luftballons“ an die Spitze der Hitparade. In der Breisgaumetropole öffnet derweil mit der „Studentenkneipe Schlappen“ eine neue Schenke ihre Tore. Noch heute ist sie ein vielfach angesteuerter Hafen im Freiburger Bermudadreieck.

Schlappen-Inhaber Frank Czaja nimmt an einem soliden Holztisch im vorderen Drittel seiner kultigen Gaststätte Platz. Noch hat die Kneipe geschlossen. Doch schon bald werden es sich die Gäste unter den charakteristischen Film- und Theaterplakaten mit Mimen wie Charlie Chaplin, Humphrey Bogart oder Ingrid Bergman gemütlich machen.

Seit 40 Jahren prägt der Schlappen das Bild der Altstadt. Czaja ist seit 35 Jahren dabei. Geplant war das nicht. Eigentlich wollte der heute 59-Jährige nur ein paar Jahre bleiben. Es ist anders gekommen. Dafür weiß er viel Spannendes und Kurioses aus der Schlappen-Historie zu berichten.

Bevor die Kneipe im Herbst 1983 ihr Revier an der Löwenstraße öffnet, residierte dort die „Pizzeria zum Martins­tor“. Als die italienischen Gastronomen aus Altersgründen aufhören, schlägt die Stunde von Werner Kneuker. Die Idee des neuen Pächters: eine Kneipe speziell für Studenten. Schließlich ist das Gebäude nur wenige Meter von der Alma Mater entfernt. Aus dem etwas spießig klingenden „Zum Martinstor“ wird der Schlappen.

Der Schlappen ist von Beginn an ein Erfolg. Und ist es bis heute geblieben. Wer als Studi nach den ersten Tagen in Freiburg noch nichts von der Location gehört hat, dürfte die Orientierungswoche verschlafen haben. Trotzdem hat Czaja den Zusatz „Studentenkneipe“ inzwischen aus dem Namen gestrichen. „Die Kneipe ist für alle, die sich hier wohlfühlen“, sagt er dazu. Tatsächlich finden sich in den urigen Räumen des Schlappen oft Rückkehrer, die an ihre Studi-Zeit zurückdenken.

Gute Nerven brauchen Schlappen-Fans Ende der 1990er-Jahre: Der Laden wird aufwendig umgebaut. Zwar werden danach statt nur einem gleich drei Räume bewirtet. Doch insgesamt neun Monate bleibt die Kneipe geschlossen.

Beim Umbau stoßen Arbeiter auf historisches Material. Ein alter Brennofen lässt Archäologen darauf schließen, dass sich vor vielen Jahren an dieser Stelle eine Bäckerei befand. Beim Verlegen der Toiletten in den Keller wird eine historische Latrine entdeckt. Sie diente wahrscheinlich zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert als
Toilette und Müllablageplatz.

Ein knöchriges Maskottchen

Eigentlich sollte die Latrine vor der Wiedereröffnung zugeschüttet werden. „Ich habe mich dafür engagiert, dass sie besichtigt werden kann“, blickt Czaja zurück. Dafür wurde eine dicke Betonbodenplatte mit einem Ausschnitt für die Latrine eingebaut. Wer heute in die Latrine schaut, blickt in das knöchrige Gesicht des inoffiziellen Schlappen-Maskottchens: ein Skelett. „Das ist nur ein Gag“, erklärt Czaja. „Ein Medizinstudent hat sein Anschauungsobjekt mitgebracht.“ Seitdem hat der klapprige Kollege ein Eigenleben entwickelt und ist stadtweit bekannt.

Seit jeher zum Schlappen gehört die kuratierte Musikauswahl. Früh wollten sich die Kneipiers von dem absetzen, was in anderen Lokalen aus den Lautsprechern schepperte. „Damals haben wir fleißig Kassetten aufgenommen“, blickt Czaja schmunzelnd zurück.

Bis heute wird in Sachen Musik im Alltagsbetrieb nichts dem Zufall überlassen. „Niemand darf etwas anmachen, das nicht genehmigt wurde“, stellt Czaja klar. Und wenn sich ein Gast ein Lied wünscht, das er bei SWR3 aufgeschnappt hat? Die Wahrscheinlichkeit, dass dem Begehren nachgegeben wird, ist gering. Schließlich führt der Laden sogar eine Liste mit musikalischen No-Gos.

Latrine mit Skelett

Das etwas andere Aushängeschild: In der ehemaligen Latrine hat es sich dieser Knochenmann gemütlich gemacht.

Unklar ist, ob darauf der Irish-Folk-Evergreen „Whiskey in the Jar“ zu finden ist. Konsequent wäre das nicht. Über die Jahre hat Czaja das Whisky-Sortiment auf mehr als 100 Sorten erhöht, regelmäßig steigen Whisky-Abende. Zum 29. November werden – passend zum 40. Wiegenfest – sechs 40-jährige schottische Malt-Whiskys gereicht. Mit dabei ist Walter Schobert, der über viele Jahre deutschlandweit Whisky-Abende gestaltete. Die 80-jährige Whisky-Koryphäe, eigentlich schon im Ruhestand, greift für den Schlappen noch mal zum Glas.

„Für das Jubiläum sammle ich seit Jahren“, verrät Czaja. „Die alten Whiskys sind preislich durch die Decke gegangen.“ Daher kostet das Tasting stolze 260 Euro. Der durchschnittliche studentische Geldbeutel dürfte das kaum hergeben. Doch es gibt zum Geburtstag auch weniger preisintensive Specials. Im Dezember stehen etwa zwei Partytage an, zudem schenken die Brauereien Waldhaus und Ganter der Kneipe Jubiläumsbiere.

Dass der Schlappen so lange im Freiburger Tag- und Nachtleben mitmischen würde, haben zu Beginn wohl nur die wenigsten geahnt. Andererseits: Wer hätte 1983 geglaubt, dass die exotischen Grünen mal Regierungspartei sein würden? Und teures Whisky-Tasting hin oder her: Vom Spießertum ist der Schlappen weiter entfernt als Nena von einem neuen Nummer-1-Hit.

Fotos: © Schlappen