„Neues Schauspiel Freiburg“ bringt Dea Lohrs Stück „Olgas Raum“ auf die Experimentalbühne im E-Werk Kultur | 05.02.2019 | Erika Weisser

„Ich bin Olga. Das ist mein Raum. Eine Zelle im KZ Ravensbrück.“, sagt die Frau, die allein auf der Bühne steht und gleichermaßen gefasst wie aufbegehrend wirkt. Sie will „einen kühlen Kopf bewahren jetzt“, will „das Gedächtnis nicht auslöschen lassen“. Sie spricht mit sich selbst, „um nicht verrückt zu werden“. Denn dazu hätte sie allen Grund: Einmal in den Fängen der Gestapo, hat die von Schauspielerin Natalia Herrera verkörperte Olga keine Chance, mit dem Leben davonzukommen.

Denn diese Olga Benario vereint gleich mehrere Feindbilder der Nazis in ihrer Person: Jüdin ist sie – und Kommunistin, die bereits in den 20er Jahren gegen das kapitalistische System und die von diesem begünstigte zunehmende faschistische Gefahr gekämpft hat. Eine Volksverräterin, die ins Exil ging – nach Moskau, dem einzigen Ort, „an dem ich für länger Lebte und nicht im Gefängnis war“. Eine vaterlandslose Gesellin, die mit dem brasilianischen Widerstandskämpfer Luís Carlos Prestes im Auftrag der Komintern in dessen Heimat ging, um dort das diktatorische Regime von Getúlio Vargas zu stürzen.

Eine Widerständige ist sie, die in Brasilien verhaftet und trotz Schwangerschaft nach Nazi-Deutschland ausgeliefert wurde, die ihre Tochter im Berliner Frauengefängnis zur Welt brachte, die, nachdem man sie ihr nach 14 Monaten weggenommen hatte, ins KZ gesteckt, gefoltert, gequält, entrechtet wurde. Und die dennoch die Vision hat, „Hitlers Jubelmäuler so zu knebeln, dass an ihrem braunen Geifer sie ersticken“. Eine, die buchstäblich bis zum letzten Atemzug kämpft, die selbst dann, als sie in der Schlussszene in der Kammer der NS-Tötungsanstalt Bernburg „das Gas schon riechen kann“ anhand des „Erinnerungsalbums“ in ihren Kopf ihr Leben rekonstruiert – und sich weigert, Opfer zu sein.

Dies ist zumindest die Interpretation der Dramatikerin Dea Loher, deren Stück „Olgas Raum“ das soeben gegründete „Neue Schauspiel Freiburg“ jetzt als erste Produktion auf die Bühne bringt. In dem bereits 1992 uraufgeführten Drama geht es – bei starken historischen und biografischen Bezügen zum Leben der 1942 im Alter von gerade 34 Jahren ermordeten Antifaschistin Olga Benario – sowohl um die Fähigkeit, trotz widriger, ja lebensbedrohlicher Bedingungen sich selbst treu zu bleiben, als auch um die häufige Vergeblichkeit des eigenen Handelns.

Die Gründer des „Neuen Schauspiels Freiburg“, die Schauspielerin Natalia Herrera und der Dramaturg Dirk Schröter, inszenieren das Stück als „großen Monolog“ mit Spielszenen, in denen die Olga-Darstellerin und drei weitere Schauspielerinnen im Dialog nicht nur die wesentlichen Lebensstationen dieser „starken Frau“ beleuchten, sondern auch über Macht und Machtmissbrauch im Allgemeinen diskutieren und deren besondere Erscheinungsformen hinterfragen. Die sich nicht allein in Folter, Verfolgung und Bedrohung erschöpfen und gleichsam auf jede Zeit, auf jeden Ort übertragbar sind, wie Herrera und ihre Kolleginnen Kaja Ledergerber, Lena Müller und Moira Pawellek in ihrem Spiel überzeugend – und sehr erschütternd – verdeutlichen.

Im Herbst 2018 hat das Ensemble unter der Regie von Dirk Schröter damit begonnen, sich dem mit dem Stück auseinanderzusetzen, sich den historischen und fiktiven Figuren anzunähern und daraus ein Schauspiel mit aktuellem Bezug zu entwickeln. Nun ist es soweit: Am kommenden Wochenende ist die Erstaufführung in der Experimentalbühne der Freiburger Schauspielschule im E-Werk.

Premiere ist am Donnerstag, 7. Februar, 20 Uhr; weitere Vorstellungen gibt es am Freitag, 8.2. & Samstag, 9.2., jeweils 20 Uhr und am Sonntag, 10.2., 19 Uhr. Eine weitere Aufführung ist zu erleben am Montag, 18. März, 20 Uhr im Wallgrabentheater 

www.neues-schauspiel-freiburg.de

Fotos: © Alexandre Goebel