Obszön, bunt und lebendig: Rolf Hambrecht Kultur | 06.04.2020 | Dominik Bloedner

Kunst von Rolf Hambrecht

Stummel von Pastellkreide überall auf dem Tisch, ein Aschenbecher, Stifte, eine Dose Haarspray zum Fixieren der Kreide, Krimskrams und ziemlich Staub. „Aufräumen? Nee, mach ich nicht“, sagt Rolf Hambrecht, 64, und lacht, irgendetwas zwischen verschmitzt und störrisch.Aus den Boxen kommt der englische Songwriter Jake Bugg, in der kleinen Wohnung in Freiburg Haslach stapeln sich die Bilder.

Rund 400 hat Hambrecht, Hemd mit Paisleymuster und abgetragene Basecap über dem schütteren Haar, im Laufe seines Lebens gemacht: Stillleben, Landschaften, Porträts bekannter Personen wie Lou Reed oder Arthur Rimbaud, dem französischen Dichter und Abenteurer, und viele, sehr viele Bilder von jungen Männern. Manches davon durchaus pornographisch. Die Vorlagen habe er meist aus französischen Schwulenmagazinen, erzählt er, mit lebendigen Modellen hat er nie gearbeitet, das mochte er nie.

„Junge Männer, trotzig und wild sich zur Schau stellend und doch gebrechlich zugleich, fast abweisend, ein bisschen melancholisch und manchmal eben von dieser atemberaubenden Unmittelbarkeit – dabei aber überhaupt nicht kitschig, sondern voller Lebendigkeit.“ Dieses Urteil hat vor rund zwei Jahren der bekannte Berliner Travestiekünstler Georgette Dee mal über das Werk gefällt – und dem Freiburger eine Ausstellung in der Hauptstadt organisiert.

Hambrecht, der Autodidakt mit abgebrochenem Lehramtsstudium, der schon auf dem Kepler-Gymnasium mit dem Malen anfing, hatte schon an vielen Orten in Freiburg und darüber hinaus Ausstellungen: im Jos Fritz Café, im Babeuf, im Kommunalen Kino, im Kohi in Karlsruhe oder vor gut einem Jahr im Freiburger Slow Club. „Another season in hell“ hieß die Schau dort, in Anlehnung an ein Rimbaud-Gedicht. Auf dem Weg zur Toilette hing ein großes Bild eines unten entblößten, von einem Dildo aufgespießten jungen Mannes. Derzeit sind seine Bilder in der Freiburger Kantina auf dem Güterbahnhofgelände zu sehen.

Kunst von Rolf Hambrecht

Rolf Hambrecht vor einer Porträtwand: „Scheiße war das.“


„Freiburg war immer
ein schweres Pflaster für Ausstellungen“, sagt er und zieht an seiner Zigarette. Er sagt aber auch über sich, dass er „ein fauler Sack“ sei, dass er sich vielleicht etwas mehr hätte um seine Karriere kümmern müssen. Ab 2006 hätte er ja Zeit gehabt. Damals endete für Rolf Hambrecht ein Lebensabschnitt und für Freiburg eine Ära: Die Kneipe Rattenspiegel an der Eschholzstraße im Stühlinger, ein winziges dunkles, verrauchtes Loch, machte dicht. Die Pacht wurde unerschwinglich. 14 Jahre lang war Hambrecht Betreiber. 14 Jahre lang Bierzapfen, Kunst, Konzerte, wildes Leben. Man lungerte vor der Türe, trank und lachte, torkelte durch Bierpfützen. Die „Ratte“ war eine Institution im damals noch nicht so durchschnittlichen und drögen Freiburger Nachtleben. Und der Wirt war der Zeremonienmeister.  

Lange her, das Leben fordert seinen Tribut. Im Sommer 2018 hat Hambrecht einen Schlaganfall erlitten. „Auf dem Weg zu einer Ausstellung in Karlsruhe hat es mir auf einmal die Füße weggezogen, scheiße war das.“ Es folgte die Reha, es folgten ein neues Leben und der Versuch, wieder zur Kreide zu greifen. „Schwierig, ich mache Sachen und bin dann nicht zufrieden. Es fällt mir schwer.“ Ein noch nicht fertiggestelltes Bild hängt an der Wand neben dem zugemüllten Tisch: Georgette Dee, ein blauer Mann mit weiblichen Formen. Peu à peu kommt da etwas Neues hinzu. „Ich habe noch viele Ideen, richtig obszön und richtig bunt könnte das werden“, sagt Hambrecht. Er will kämpfen. Am 4. April wird er 65, mit der Rentenversicherung ist er in Kontakt.

Foto: © dob