Papierflieger am Münsterturm: Die Entdeckung der Fliehkraft Kultur | 11.09.2019 | Erika Weisser

Die Entdeckung der Fliehkraft Buch

Karl muss noch nicht aufstehen. Er streicht über das warme Laken neben sich und überlegt, was er machen würde, wenn seine Frau Lydia noch anwesend wäre. Vielleicht „Dinge, von denen er noch vor wenigen Jahren geglaubt hatte, sie jeden Morgen tun zu wollen?“

Er spürt noch die Behaglichkeit der Nacht, als ihm das Wort „einsam“ in den Sinn kommt. Einsame Behaglichkeit – über diesen Begriff könnte er heute mit seinen Jungs im Knast diskutieren, denkt er. Denn der Knast ist „Heimat für viele Begriffe, die aus der Balance geraten“ sind.

Das hat Karl, seit er als Lehrer im Strafvollzug arbeitet, oft festgestellt. Denn hin und wieder driften seine Bemühungen, den Schülern grammatikalisch einwandfreies Sprechen und Schreiben beizubringen, zu Gesprächen über universelle Lebensfragen ab. Ihre ungewöhnlichsten Erkenntnisse schreibt er auf Zettel, die er dann vom Münsterturm aus verschickt – als Papierflieger-Botschaften.

Botschaften schickt Karl an Karoline, eine Zufallsbekanntschaft. Bald tauscht er sich so oft mit ihr aus, dass er nicht einmal mehr bemerkt, ob Lydia anwesend ist oder nicht. Eine federleichte Geschichte mit viel Komik und Lebensweisheit. Der Freiburger Autor Kai Weyand, der früher selbst als Lehrer im Strafvollzug arbeitete, hat ein kleines Kunstwerk geschaffen.

Die Entdeckung der Fliehkraft Buch

 

Die Entdeckung der Fliehkraft
von Kai Weyand
Verlag: Wallstein,  2019
198 Seiten
Preis: 20 Euro
Erscheint am 2.9.2019