Dietmar Dath bringt eine unveröffentlichte Geschichte zur Grether Nach(t)lese Kultur | 22.07.2018 | Erika Weisser

Eigentlich ist der kleine Grether-Innenhof kein wirklich öffentlicher Raum. Anders als das benachbarte Gelände jenseits der ehemaligen Gießereihalle, wo sich die Mietshaus-Syndikats-Bewohner den Hof mit Strandcafé, Radio Dreyeckland, Rasthaus, einer Kita und anderen Gruppierungen und Initiativen teilen, geht es hier eher privat zu. Manchmal gibt es jedoch Ausnahmen. Zu diesen gehören seit 2007 drei Sommerabende im Juli und August, an denen der zauberhaft begrünte Ort zur Bühne für die Grether Nach(t)lese wird.

Bei dieser von Grethergelände und Buchhandlung Jos Fritz organisierten kleinen Reihe sind stets Schriftsteller* und Übersetzer aus der Region zu Gast. Darunter sind immer wieder auch Autoren, die weit über Freiburg hinaus bekannt sind und es mühelos schaffen würden, größere Räume als den kleinen lauschigen Innenhof mit literaturneugierigen Menschen zu füllen. Zu diesen Publikumsmagneten gehörte unter anderen auch Wolfgang Schorlau.

In diesem Jahr ist mit Dietmar Dath wieder so einer dabei – und nach Auskunft von Grether-Mitarbeiter Thomas Hohner sind die Veranstalter „begeistert“, dass es jetzt, bei der 12. Ausgabe, der Nach(t)lese, endlich klappt: „Schon seit vielen Jahren“ sind sie hinter dem Autor her, der Chefredakteur der Zeitschrift „Spex“ war, seit langem als Feuilleton-Redakteur bei der FAZ arbeitet, regelmäßig in verschiedenen Medien Beiträge zu gesellschaftspolitischen und (pop)kulturellen Themen veröffentlicht und fast jedes Jahr ein Buch schreibt.

Zuletzt, im Mai 2018, erschien in der Reihe „Reclam 100 Seiten“ eine gut verständliche, sehr persönliche und dennoch fundierte Einführung in die Lehren von Karl Marx und deren Nachwirkung. Um heiße und kalte Wut geht es darin, um die Empörung über bestimmte soziale und ökonomische Verhältnisse und um die revolutionäre Geduld, diese tiefgreifend und nachhaltig zu überwinden: um Marx’ Maxime, das zu Bekämpfende erst einmal verstehen zu wollen. Schon früh, schreibt Dath, habe Marx ihn überzeugt. So sehr, dass es, als „große Staaten, die sich auf Marx berufen hatten, dies fortan bleiben ließen und sich in unübersichtliche Verhältnisse auflösten“, für ihn persönlich „zu spät war, abzuspringen“.

Im März bekam Dietmar Dathden allerersten ersten Günther-Anders-Preis für kritisches Denken, den die gleichnamige Gesellschaft nun alle zwei Jahre „für herausragende Leistungenim Bereich philosophischer, kulturwissenschaftlicher und politischer Essayistik „ vergibt – in Erinnerung an Philosophen und Zeitdiagnostiker Günther Anders. Die Vergabe an den Wahl-Freiburger wurde u. a. mit seiner „sprachschöpferischer Kraft“ und „seinem geistigen Kosmopolitismus jenseits hochkultureller, eurozentristischer und epochaler Borniertheiten“ begründet.

Der 48-Jährige, der mit 17 aus Schopfheim nach Freiburg kam, am Rotteck-Gymnasium Abitur machte und an der hiesigen Uni Literaturwissenschaft und anderes studierte, ist aus beruflichen Gründen „viel seltener in Freiburg, als mir recht ist“. Er hofft aber, dass sich das in absehbarer Zeit vielleicht wieder ändert – und hat vorsorglich seine Wohnung nie aufgegeben. Im vergangenen Oktober stellte er beim Freiburger Literaturgespräch seinen futuristischen Roman „Der Schnitt durch die Sonne“ vor, jetzt freut er sich auf die Grether Nach(t)lese. Am 26. Juli bringt er dorthin eine bisher unveröffentlichte Geschichte aus dem Buch mit, an dem er gerade schreibt, das nach seiner Einschätzung aber „dieses Jahr wohl nicht mehr fertig wird“ und noch keinen Titel hat, „den man schon verraten könnte“.

Indessen verrät er Titel und Inhalt des Textes, der bei Grethers zur Uraufführung kommt: „Beweise fürs Leben“ heißt er und es handelt sich dabei um eine Science-Fiction-Story mit politischem Hintergrund, in der es um „das Verhältnis zwischen einerseits Erkenntnis und andererseits Leben im psychologischen, sozialen und politischen Sinn“ geht. In dem Buch „greifen mehrere erzählende. Aber auch journalistische und essayistische Texte ineinander“; bei der Vorlese-Geschichte handelt es sich „um eine Art Krimi-Rätsel: Jemand verschwindet, hinterlässt keine Spuren und muss gefunden werden.“ Man darf gespannt sein.

Weitere Veranstaltungen:

2. August, 20.30 Uhr: Mohammed Jabur, „Bleiben ist keines – nirgendwo“ Hörbuch live mit Heinz Spagl

9. August, 20.30 Uhr: Daniel Suarez, „Bios“ – Cornelia Holfelder von der Tann liest aus ihrer Übersetzung dieses Krimis

Info: Grether Nach(t)lese

Do., 26.7., 2.8. & 9.8., jeweils 20.30 Uhr
Kleiner Grether Innenhof, Adlerstr. 12

www.grether.syndikat.org

Karl Marx
von Dietmar Dath
Verlag: Reclam, 2018
100 Seiten, Taschenbuch
Preis: 11 Euro

Fotos: © Grethergelände; intellectures Verbrecher Verlag