Sitten zur Fasnacht – Fasnetsbräuche in der REGIO Kultur | 03.02.2024 | Jennifer Patrias, Pascal Lienhard, Erika Weisser
Die Hochtage der Fasnacht stehen vor der Tür: Die Häs sind gerichtet, die Larven entstaubt für die großen Umzüge mit Zünften, Guggen und ganz viel närrischem Treiben in der REGIO.
Das Brauchtum rund ums Ende der närrischen Tage zeugt ebenso von der regionalen Fasnachts-Vielfalt wie die funkensprühenden Rituale der Buurefasnet.
Aller Abschied ist schwer, Adieu Frau Fasnet
Wenn sich Hästräger, Einheimische und Schaulustige am Fastnachtsdienstag um kurz vor Mitternacht auf dem Marktplatz versammeln, ist es nicht mehr von der Hand zu weisen: Die närrische Zeit hat ihren Höhepunkt erreicht und steht kurz vor ihrem Ende. In vielen größeren und kleineren Städten in der REGIO feiern die Narren ein letztes Mal die vergangenen Tage, bedanken sich für eine großartige Zeit und schunkeln gemeinsam mit den Zuschauern, bevor es anschließend ans Eingemachte geht. Oft werden Stofftaschentücher gezückt und die Zünfte verabschieden sich unter stetigem „Geheule“ tränenreich von der schönsten Zeit im Jahr.
In Südbaden geht es dann häufig einer Strohpuppe an den Kragen, die die verblichene Frau Fasnet symbolisiert. Sie wird ins Feuer geworfen und die Fasnet findet ein loderndes Ende. Aber nicht immer ist beim Abschied Feuer im Spiel: Die Konstanzer Seegeister verbannen den Kunibert in den Bodensee, während die Endinger Jokili den leblosen „Jokili“ auf einer Bahre zum Rathausbrunnen tragen, wo er unter großem Wehklagen zurück in den Brunnen gelassen wird. Und in Zell am Harmersbach bewegt sich der große Trauerzug um Mitternacht mit dem „Narro“ Richtung Storchenturm (o. r.). Am Narrengrab angekommen, verabschieden sich Zunftmeister, Hästräger und Gäste mit einer bewegenden Beerdigungsansprache, danach muss der „Narro“ für ein weiteres Jahr zurück in sein kühles Grab.
So oder so haben die Narren in diesem Moment schwer mit sich zu kämpfen: Schließlich sind die Tage der Narrenfreiheit vorbei und das lange Warten geht von vorne los. jp
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konstanzer-seegeister.de
endinger-narrenzunft.de
narrenzunft-zell.de
Schiebie, schiebo … Scheibenschlagen
Wo andernorts die Fasnacht bereits nach dem Aschermittwoch endgültig begraben ist, drehen die Narren im schwäbisch-alemannischen Raum mit dem traditionellen Scheibenschlagen noch einmal richtig auf. Am ersten Samstag nach Aschermittwoch laden Vereine, Hexenzünfte und Freiwillige Feuerwehren auf den Rebberg ein, um den Winter auszutreiben und die Liebe und Fruchtbarkeit mit einem großen Feuerritual zu beschwören – ein uraltes Ritual. Erste schriftliche Spuren gibt es aus dem Jahr 1090. Da wird in einer Quelle beschrieben, dass eine geworfene Scheibe großes Aufsehen erregte, als sie Nebengebäude des Klosters St. Nazarius in Lorsch in Brand setzte.
Heutzutage hält man Abstand von Gebäuden und schießt die funkelnden Scheiben – meist aus Buchenholz geschnitzt – nach einem kurzen Aufenthalt im Lager-
feuer oft über eine Rampe das Tal hinunter. Anfänger sollten sich in Geduld üben, denn bis die Scheibe mit einer Leuchtspur in der Nacht verschwindet, braucht es nicht nur Können, sondern auch Glück.
Alte Hasen wissen Bescheid: Während die Scheibe auf das Holzbrett geschlagen wird, um anschließend im Nachthimmel zu verschwinden, murmeln sie den Spruch „Schiebi, schibo, die Schieebe soll go“, um einem Menschen entweder Glück oder die fliegende Scheibe „an d‘ Schnurre“ (auf die Schnauze) zu wünschen. Übrigens: In Eschbach bei Stegen fliegen die Scheiben erst ein Wochenende später. jp
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schwarzwaldportal.com/_scheibenschlagen
Feuer und Flamme – Chienbäse in Liestal
Am Sonntag nach dem hiesigen Aschermittwoch sammeln sich des Abends nicht nur in Basel die Cliquen der Pfyffer und Trommler für den bevorstehenden nächtlichen Umzug. Auch im nahen Liestal ziehen Musikanten durch den Ort und erhellen die dunklen Gassen und Straßen mit ihren kunstvoll gestalteten Laternen. Allerdings viel früher als in Basel: Sie starten um 19.15 Uhr – und sind nur die Vorhut eines schaurig-schönen Feuer-Spektakels. Keine halbe Stunde später folgen nämlich etliche „wilde Kerle“ mit 300 bis 500 lichterloh brennenden Holzbesen und mehreren eisernen Wagen, auf denen helle Feuer lodern.
„Chienbäse“ werden die aus Kiefernholzscheiten gebundenen und 20 bis 100 Kilo schweren „Besen“ genannt, die auf dem Burghügel entzündet und durch das Städtchen geschleppt werden. Und die außer für Hitze auch für so viel Rauch, Ruß und Funken sorgen, dass die Veranstalter den Besuchern empfehlen, unempfindliche und nicht leicht entzündliche Kleidung zu tragen.
Der Umzug, bei dem die harzreichen und besonders gut brennenden Holzbesen die ersehnte wärmende Sonne symbolisieren, ist ein Höhepunkt der zu beiden Seiten des Hochrheins gefeierten „Alten“ Fasnacht. Ideengeber des archaischen Schauspiels – laut IG Chienbäse Liestal die Weiterführung „einer uralten Kulthandlung zur endgültigen Vertreibung des Winters“ – ist Bäckermeister Eugen Stutz, der vom Anheizen seiner Backöfen Erfahrung mit Kienspänen hatte. Er organisierte 1904 den ersten Umzug, der sich auch 120 Jahre später zunehmender Beliebtheit erfreut. ewei
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chienbaese.ch
Trauernde Narren: Geldbeutelwäsche
Leidtragender der fünften Jahreszeit ist oft das Portemonnaie. Diesem tragischen Umstand tragen einige Zünfte mit der Geldbeutelwäsche Rechnung. Wehklagend und in Trauerkleidung werden die leeren Brieftaschen ausgewaschen.
Zentral ist der Brauch etwa in Wolfach im Kinzigtal. 2024 wird dort das 100-jährige Bestehen der Gilde der Geldbeutelwäscher in der Freien Narrenzunft Wolfach begangen. Doch legt eine Erwähnung beim Heimatschriftsteller Heinrich Hansjakob nahe, dass die Geldbeutelwäsche schon Mitte des 19. Jahrhunderts zelebriert wurde. Dieser berichtet von einer Szene zu Aschermittwoch am Stadtbrunnen, „allwo die leeren ledernen Geldbeutel gewaschen wurden“.
Den Startpunkt der Geldbeutelwäsche in der bis heute gepflegten Form markiert das Jahr 1924. Die Folklore besagt, dass vier Wolfacher damals einen Hering und eine Scheibe Schwarzbrot kauften – und die Portemonnaies nun leer waren. Also ging es an den Stadtbrunnen, um die leeren Beutel auszuwaschen. Im folgenden Jahr waren es bereits sieben „Wäscher“, heute sind es 23 – für mehr traurige Narren reicht der Wolfacher Brunnen nicht aus. Längst ist die ungewöhnliche Aktion zum beliebten Schauspiel geworden (Foto oben). Die Teilnehmer erscheinen in schwarzem Rock und Zylinder und tragen Geldbeutel sowie Wurzelbürste mit Schnüren an einer Bohnenstange vor sich her. Zudem statten sie der „Klagemauer“ am Finanzamt einen Besuch ab und lassen ihren Gefühlen in Form wilden Geheules freien Lauf.
Nicht nur in Wolfach wird die schräge Tradition gepflegt. In Freiburg etwa reinigen die wehklagenden Narren die Beutel mit Bächlewasser. Und wer nach München fährt, kann dort dem OB zuschauen, wie er das Stadtsäckel im Fischbrunnen auf dem Marienplatz auswäscht. Zu viel Geld an Fasnacht verschleudern – das ist offensichtlich keine rein Wolfacher Eigenart. pl
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narrenzunft-wolfach.de/geldbeutelwaesche
Fotos: © iStock.com/David O., Wikipedia F.Delventhal, Achim Mende, IG Chienbäse Liestal, Narrenzunft Wolfach