Stadtführung: In Friiburg uf Alemannisch unterwegs Kultur | 02.03.2019 | Lucile Gagnière

Die Vielfalt der Sprache steht am 21. Februar im Fokus. Auch in Freiburg wird der „Internationale Tag der Muttersprache“ gefeiert. In der City gab’s eine etwas andere Stadtführung – erstmals auf Alemannisch. chilli-Autorin Lucile Gagnière hat sich ins Sprachgetümmel gestürzt und hörte Sätze wie: „Der isch au vun hasle gsi.“

10.30 Uhr. Start vor der Touristinformation. Guide Julius Schaeffer (Foto) stellt klar: Das wird keine klassische Tour. Gebäude seien heute lediglich Ausgangpunkte, um über alemannische Sprache und Kultur zu „schwätze“. Die meisten Teilnehmer kommen aus Freiburg und Umgebung, doch auch Touristen aus Osnabrück sind dabei. Sie lauschen dem Niederalemannisch sprechenden Mundart-Experten Schaeffer aus Haslach im Kinzigtal.

Los geht’s am alten Rathaus. Am Giebel des Gebäudes sind mehrere Wappen zu entdecken. Das größte ist der Doppeladler der Habsburger. Viel interessanter sind heute aber die Zähringer, deren Wappen erstaunlicherweise nicht auf dem Rathaus zu finden ist. Das Fürstengeschlecht hat Freiburg gegründet und einen Großteil des alemannischen Raums beherrscht. „Mer kann sage, des isches letzi mal gsi, dasses kulturell un politisch e einheit gsi isch. Sitdem het mer s verwaltungsmäßig ufteilt und die grenze entspreche machtverhältnisse anstatt kultureinheite“, erklärt Julius Schaeffer. Alle scheinen ihn zu verstehen.

Doppeladler: Am Giebel des alten Rathauses trohnt ganz oben das Wappen der Habsburger.

Alemannisch spricht man im Süd- und Nordschwarzwald bis Rastatt, im Elsass bis Hagenau und in der ganzen deutschsprachigen Schweiz, erklärt der Stadtführer. Und sogar in Liechtenstein. Den kulturellen Raum gibt es schon lange. Als Beweis erklärt Schaeffer die Belchen-System-Theorie: Im Schwarzwald, in den Vogesen und in der Schweiz gibt es fünf Berge, die „Belchen“ heißen. Laut Schweizer Forschern dienten sie als Sonnenkalender für die Kelten, die vor 2000 Jahren dort lebten.

Einige Schritte weiter liegt die St.-Martins-Kirche. Dort predigte Heinrich Hansjakob Anfang des 20. Jahrhunderts. „Der isch au vun hasle gsi“, sagt der Haslacher Stadtführer mit einem Lächeln. „Und het also ziemlich des glichi alemannisch wie ich gschwätzt.“ Der berühmte katholische Pfarrer hat sich für das Alemannische eingesetzt. Ein Wegbereiter also, da in Deutschland Dialekte in Verruf gekommen waren, so Schaeffer: „De ersti mensch, den ich hab, au öffentlich, friiburger alemannisch schwätze häre, isch die frau vum radio regeboge gsi“, scherzt er auf dem Weg Richtung Basler Hof.

In Basel und generell in der Schweiz habe die alemannische Sprache hingegen „Prestige“ genossen. Das lasse sich politisch erklären: In Deutschland sprachen die Bauern Alemannisch oder die jeweilige Mundart. Das neuaufkommende, tonangebende Bürgertum pflegte dagegen ganz bewusst ein „Bühnendeutsch“. In der Schweiz bestanden jedoch parallele Machtstrukturen. In den meisten Fällen hatten die Landbewohner oder das vorindustrielle Bürgertum die Macht – und sprachen ihre Form des Alemannischen.

Romanische Stil: Der Ostteil des Freiburger Münsters ist nach Muster des Basler Münsters gebaut.

Die Tour endet am Münsterplatz. Natürlich kennt Schaeffer auch dazu eine Geschichte: Freiburgs berühmtestes Gebäude sei vom romanischen Stil des Basler Münsters inspiriert, was im Ostteil sichtbar ist. Im Laufe des Baus habe sich der Stil jedoch von Romanik zur Gothik entwickelt. Das Münster ist daher größtenteils im gotischen Stil gebaut – wie das in Straßburg. Eine Art alemannische Synthese also.

Fotos : © Lucile Gagnière