Starkes Stück deutscher Geschichte: Reportagen über den Neuanfang 1949 Kultur | 08.12.2018 | Lars Bargmann

Der Jounalist Wolfgang Brenner hat in „Die ersten hundert Tage – Reportagen vom deutsch-deutschen Neuanfang 1949“ gleichsam ein Kal­e­i­doskop gebaut, in dem sich die Anfänge der jungen Bundesrepublik und DDR in Geschichten spiegeln, die sich abseits der politischen Großereignisse abspielten.

Nicht alles, was Brenner an Kuriosem, Hintergründigem, ja auch Bizarrem zusammentrug, verdient das Etikett Reportage. Ein verdienstvolles Konvolut ist es aber allemal: über Besatzer und Trümmerträume, über kleine Revoluzzer und große Halunken, über vergiftete Tiere im bizarrem Frankfurter Zookrieg, über chinesische Drogenbanden in Hamburg, ringende Schauspielerinnen in Düsseldorf oder auch einen sein Dienstmädchen entsorgenden Berliner Polizeipräsidenten. Das alles ist kenntnisreich verpackt – und meistens erhellend. Wer kennt schon die „Hölle vom Prüm“?

In der Hintergrundgeschichte „Der Stoff, aus dem die Träume sind“ schildert Brenner, wie sich die Sowjets mangels eigener Vorkommen im Erzgebirge bei der SGAG Wismut ihre Atombombenträume erfüllen wollten. Und wie ein kleiner, von Kindern in der Loisach gefundener Uran-Klotz durch die Hände ging, bis er einem amerikanischen Geheimdienstler für zehn Millionen Mark angeboten wurde – und die Zwischenhändler dann wegen Kriegsverbrechen vorm Kadi landeten. Ein starkes Stück deutscher Geschichte. 

Die ersten hundert Tage
von Wolfgang Brenner
Verlag: Herder, 2018
288 Seiten, gebunden
Preis: 24 Euro