Nager in Not: Stephanie Buchholz ist Freiburgs Eichhörnchen-Retterin STADTGEPLAUDER | 02.04.2017

Leni, Camille, Frieda, Sternchen und Knoppers – das sind die tierischen Mitbewohner von Stephanie Buchholz. Die 42-Jährige betreibt in Kappel Freiburgs einzige Aufzuchtstation für verletzte und verwaiste Eichhörnchen. 30 bis 40 Tiere nimmt sie jedes Jahr auf. Eigentlich ein Vollzeitjob, denn die Jungtiere müssen alle drei Stunden gefüttert werden – Tag und Nacht. Doch Buchholz kümmert sich neben ihrem Beruf als Deutsch- und Biolehrerin ehrenamtlich um die Wildtiere. Eine Förderung gibt es nicht.

Lange bitten lässt sich Leni nicht: Flink klettert sie auf die ausgestreckte Hand, bohrt ihre kleinen Krallen in den dicken Sweater, huscht auf die Schulter und springt ebenso schnell, wie sie gekommen ist, wieder auf einen Baumstamm. „Selbst im Sommer muss ich hier langärmelige T-Shirts anziehen“, sagt Buchholz, die in einer ihrer drei geräumigen Volieren zwischen schwingenden Eichhörnchen-Hängematten, Miniatur-Hängebrücken und gewundenen Kletterseilen steht. „Die spitzen Krallen würden mir sonst die Haut aufkratzen.“

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Denn Leni, Camille und Frieda sind alles andere als scheu, fressen aus der Hand und krabbeln am Menschen hoch. Von den 103 Eichhörnchen, die Buchholz hier in den vergangenen Jahre versorgt hat, sind die drei die einzigen Dauergäste – in der freien Natur hätten sie keine Chance: So hat Leni eine Zahnfehlstellung, wegen der ihr die Hörnchen-Mama alle paar Wochen die immerzu nachwachsenden Zähne kürzen muss. Die schwanzlose Camille fühlt sich aufgrund falscher Aufzucht mehr als Mensch denn als Nager. Und Frieda schläft im Sommer auch gerne mal mit dem Bauch nach oben auf dem Boden – ein Verhalten, das das Tier im Wald sicherlich nicht lange überleben würde.

Doch die drei „Handicap-Hörnchen“ sind die Ausnahme: Die meisten können nach einigen Wochen zurück in den Wald. Rund dreiviertel der Tiere bringt Buchholz durch, bei den anderen sind die Verletzungen zu schwerwiegend. Nicht nur Wunden oder Lähmungen sind ein Zeichen dafür, dass Nager Hilfe brauchen, auch wenn sich ein Hörnchen im Kreis dreht oder versucht, am Menschen hochzuklettern, sollte man Buchholz’ Eichhörnchen-Notruf wählen. Zudem kümmert sich die Freiburgerin um verwaiste Jungtiere. Die werden oft durch gefällte Bäume obdachlos oder stürzen bei den ersten Kletterversuchen ab.

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Bei verwaisten Babys rät die Eichhörnchen-Flüsterin, ihnen ein Wärmekissen unterzulegen und abzuwarten, ob die Mutter sie wieder holt. Wenn nicht, kommt sie zum Einsatz: In der Küchenschublade, wo andere ihr Besteck haben, lagert die Tierfreundin Spritzen. Über winzige Nuckelaufsätze bekommen die – manchmal nur sektkorkengroßen – Jungtiere ihre Milch. Alle drei Stunden.

An ihrer Schule ist man es gewohnt, die Lehrerin mit einer Transportkiste ankommen zu sehen. In den Pausen oder Freistunden werden die Tiere dann gefüttert. Die Kinder freut’s. „Wenn Schüler emotional angesprochen werden, lernen sie viel mehr“, spricht Buchholz aus Erfahrung. „Was sie bei mir zum Thema Eichhörnchen lernen, vergessen sie nicht mehr.“

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Dass man sich um ein hilfloses Lebewesen kümmert, sei für die meisten Kinder selbstverständlich. Für viele Erwachsene nicht. „Die meisten haben eine klare Hierarchie: Für die Haustiere tut man alles, Wildtiere sind schon deutlich weniger wert und Nutztiere gar nichts mehr.“ Für die Tierfreundin spiegelt sich das auch in der Finanzierung wider, denn für ihre Arbeit muss sie aus eigener Tasche aufkommen. Im aktuellen Beteiligungshaushalt hat sie daher um Mittel geworben – erfolglos: „Von öffentlichen Stellen gibt es nur Geld für Tiere, die vom Aussterben bedroht sind – als ob Tiere nur dann etwas wert sind.“ Dabei summieren sich die Kosten für Medikamente, Tierarzt, Futter und die Instandhaltung der Volieren auf rund 3000 bis 4000 Euro im Jahr.

Doch trotz aller Kosten und schlafloser Nächte – ihre Station will Buchholz nicht missen: „Wenn ich die Eichhörnchen wieder rauslasse und sehe, wie sie im Nachbarsbaum miteinander spielen – das wiegt alles wieder auf.“

Text & Bilder: Tanja Bruckert

Eichhörnchen in Not? Alle Infos gibt’s auf
www.eichhörnchenstationfreiburg.de