Online-Ochse: Start-Up „Cowfunding“ bietet Kuh & Co. im Netz an STADTGEPLAUDER | 19.08.2017

Transparenz, Regionalität, Qualität – das will das Freiburger Start-up „Cowfunding“ seinen Kunden bieten. Die Idee: Landwirte aus der Region stellen Tiere zum Verkauf ins Internet. Sobald genügend Fleisch geordert ist, geht’s zur Schlachtbank. Ein Test im März war erfolgreich. Im August ist Startschuss.

Denkt digital: Landwirt Ewald Sandmann aus Oberried hat 20 Vorderwälder Ochsen.

Nummer 577. So heißt die erste „Cowfunding-Kuh“. Ein Name wäre zu emotional, sagt Besitzer Ewald Sandmann. Seine 20 Vorderwälder Ochsen auf der Weide bei Oberried rennen freudig los, als sie ihn sehen. Vier Jahre leben sie dort. 577 hat nun das Schlachtalter erreicht, im August geht sie online. „Die Zukunft läuft so“, sagt der 52-Jährige. Auch Landwirte müssten digital denken.

Umgeben von Ochsen ist Ewald im Element: „Besseres Fleisch gibt’s nicht. Ich wüsste nicht, wie das gehen soll“, betont der Mann mit Hut und Lederhose. Seine Tiere hätten alles, um glücklich zu sein: Fressen, Trinken, frische Luft und Kollegen, um sich zu kraulen. Etwa vier von ihnen kommen jährlich zum Metzger.

Die meiste Zeit sind sie auf der saftigen Weide. Das so gezüchtete Premiumfleisch hat seinen Preis: 19,90 Euro kostet das Kilo bei Sandmann. Bei Cowfunding zahlen Kunden 89 Euro für die kleinste Einheit: 3,25 Kilo. Eingeschweißt und vakuumiert. 30 Prozent des Betrags gehen ans Start-up.

Wie viel Sandmann damit verdient? „Wohl nicht mehr als sonst“, sagt er. Das Projekt stecke ja noch in den Kinderschuhen. Der Vorteil für ihn: Den Preis legt er selbst fest. Um die Kundenakquise kümmern sich die Cowfunder.

Die Geschäftsidee hatte Moriz Vohrer. Der 35-Jährige war lange in der Entwicklungshilfe tätig. 2016 übernahm er den Hof seiner Eltern am Schauinsland. Die niedrigen Fleischpreise und das Unwissen von Städtern über die Arbeit der Bauern machten ihn stutzig. Also stellte er im März Tiere von seinem Hof und dem eines Nachbarn ins Netz.

Einer davon wird demnächst online verkauft.

Das Rind und zwei Schafe waren nach eineinhalb Wochen an 42 Kunden verkauft. 300 Leute haben den Newsletter abonniert. Grund genug, Cowfunding größer aufzuziehen. „Stadt und Land sind zwei Welten“, sagt Vohrer. Städter hätten keine Ahnung, woher ihr Fleisch kommt. Landwirte wüssten nicht, wie der Hipster in Freiburg ticke. Das will er ändern.

Fünf Landwirte sind bisher dabei. Weitere zu gewinnen, ist nicht leicht: „Viele sind interessiert, wollen aber oft nicht verbindlich zusagen“, sagt Stephan Schleith. Er ist der zweite Teil der Firma, kümmert sich ums Marketing. Genau wie Sandmann ist er überzeugt: Übers Netz erreicht man Menschen. Der Landwirt ist selbst auf Cowfunding zugegangen, als er von der Idee las.

Vorurteile ärgern ihn: „Ich höre nur von Massentierhaltung und Vegetariern.“ Die Pauschalisierung sei falsch. Er und seine Kollegen lebten für die Landwirtschaft – ohne Einnahmen: Sandmann verdient seine Brötchen in Vollzeit in der Landes-­Forstwirtschaft. Viehzucht sei heute ein Nullsummenspiel: „Die Subventionen reichen für die Instandhaltung von Hof und Maschinen, Neuanschaffungen sind nicht drin.“ Von 125 Höfen im Münstertal werden fünf hauptberuflich betrieben.

Warum Sandmann den Job trotzdem macht? „Was sonst?“, fragt er zurück. In fünfter Generation betreibt er den Familienhof. Anstatt abends vorm Fernseher zu sitzen, trinkt Sandwald „lieber ein Bier bei den Viechern“.

Der Optimismus ist da: „Es findet ein Umdenken statt“, sagt Sandmann. Viele Städter wünschten sich mehr Bezug zur Natur. Das merkt er bei Holzfäller-­Seminaren im Wald: „Die Leute kommen, wollen rumhacken, etwas mit ihren Händen schaffen.“ Cowfunding sei ein Gleis, um wieder in die Spur zu kommen.

Text und Fotos: Till Neumann