Schwereloses Sharing: Wingly bietet Mitflug-gelegenheiten in Freiburg an STADTGEPLAUDER | 25.08.2017

Mitfahrgelegenheiten kennt jeder. Dass es das auch im Flieger gibt, wissen viele nicht. Wingly heißt ein deutsch-französisches Start-up, das Piloten und Fluggäste zusammenbringt. Mittlerweile gibt’s die Mitflugzentrale auch in Freiburg. Pilotin Rebecca Langemeyer hat chilli-Redakteur Till Neumann bei einem Flug über Freiburg erklärt, wie das funktioniert.

Ultraleicht: Rebecca Langemeyer in ihrem Flugzeug über Freiburg.

Seit Herbst ist die BWL-Studentin Teil von Wingly. Auf die Plattform ist die 26-Jährige im Netz gestoßen. „Erst wollte ich auf blablacar Mitflüge anbieten“, erinnert sie sich. Das sei aber nicht möglich. Also suchte sie weiter und fand Wingly.

Die Vorteile liegen für die Studentin auf der Hand: „Man knüpft Kontakte, kriegt jede Menge Infos zum Fliegen und spart Kohle.“ Sie stellt auf der Plattform Flüge ein, Interessenten können sie buchen. Die Kosten halbiert sie mit jedem Passagier. Jeder zahlt 50 Prozent. Statt 60 Euro für die halbe Stunde Rundflug über Freiburg, sind es pro Kopf nur 30. „Wingly macht Fliegen günstig“, schwärmt die BWL-Studentin. Das einzige Risiko: Man wisse nie, mit wem man fliege.

Das gilt für Passagiere nur bedingt. Sie können sich immerhin im Netz die Profile der 2800 Wingly-Piloten anschauen. Zehn sind Ende Juli dort für Freiburg gelistet. Sechs davon mit Profilbild, zu jedem gibt es einen kleinen Infotext. Angeboten werden Rundflüge oder feste Strecken. 41.000 Nutzer hat die Plattform derzeit in Deutschland.

Als wir am Freiburger Flugplatz in ihren Ultraleichtflieger steigen, wird mir klar, warum es wichtig ist, mit wem man fliegt. Im kleinen Cockpit sitzen wir dicht auf dicht nebeneinander. Gemütlich ist das, wenn man sich gut versteht – und vertraut. Denn die vielen Knöpfe und Schalter vor uns lassen keinen Zweifel daran: Fliegen ist kein Kinderspiel.

Abgehoben: Die Wingly-Pilotin und chilli-Redakteur Till Neumann

„Wenn man sich mit dem anderen nicht wohlfühlt, sollte man einfach nicht einsteigen“, sagt Langemeyer. Bei einer Mitfahrgelegenheit nehme sie ja auch nicht jeden mit. Abgelehnt hat sie dennoch bisher niemand.

Und wenn in der Luft etwas passiert? Die Maschine hat einen Rettungsschirm, erzählt die Pilotin mit schwarzer Kappe und Sonnenbrille. Der Schirm bringe das 310 Kilo schwere Flugzeug zum Boden. „Das ist ungemütlich, aber man überlebt“, sagt sie. Gebraucht hat sie ihn bisher nicht.

„Alfa Romeo Delta“ Aus den Lautsprechern dröhnt der Funkverkehr in unsere Headsets. Als Laie versteht man da nur Bahnhof. Langsam rollen wir zur Startbahn. Abzuheben ist Routine für die Studentin: „Man muss einfach immer hellwach bleiben.“ Einen Fehler zu machen, sei okay. Man dürfe dann aber keinen zweiten machen. „Wenn man zum Beispiel zu weit ist beim Anflug, muss man die Courage haben und wieder durchstarten, anstatt runterzuprügeln.“

Rrrrrrrrrr, wir heben ab. Was sich im ersten Moment ein bisschen mulmig anfühlt, ist kurz darauf erhebend. Freiburg wird kleiner und kleiner, wir steuern Richtung Schauinsland. Die Berge, das Grün, der Himmel. Traumhaft.

Spektakulär: Das Münster sieht von oben richtig putzig aus.

„Wir sind jetzt 1000 Fuß über Grund“, sagt Langemeyer. Mit 160 Stundenkilometern brettern wir über den Breisgau. Auch die Pilotin genießt die Aussicht: „Das ist einfach ein schönes Fleckchen Erde.“ Ein paar Tage vorher hat sie aus der Vogelperspektive deutlich mehr gesehen: Mit Freunden flog sie bis nach England, ihr bisher weitester Flug.

Ihr Herz schlägt für Freiburg. „Ich wünsche mir, dass der Flugplatz hier bleibt. Das ist einfach unique, so nahe an der Stadt.“ Dem SC drücke sie die Daumen. Dass das neue Stadion die Flieger verdrängen könnte, besorgt sie aber. Wenn sie morgens startet, sieht sie Hasen übers Feld hoppeln. Mal kurz nach der Uni in den Flieger steigen, ginge nicht mehr, wenn die Flieger dem Stadion weichen müssten (siehe Infokasten).

Jetzt sausen wir am Münster vorbei, sehen das ZMF, den Seepark. Der Motor rattert, der Flieger macht einen Hüpfer. „Bei dem Wind ist das normal“, sagt die Ultraleicht-Pilotin. Sorgen bräuchte ich mir keine machen. Selbst wenn sie nicht mehr steuern könnte, käme ich mit Hilfe vom Tower zur Erde, erklärt sie. Nötig ist das nicht: Souverän landet sie die Maschine nach rund 30 Minuten am Flugplatz. Ziemlich schwerelos, dieses Sharing.

Text: Till Neumann / Fotos: © Till Neumann, privat

Strittiges Stadion

Neuer Standort weiter in der Kritik

Der SC Freiburg will am Freiburger Flugplatz ein Stadion bauen. Ab der Saison 2019/2020 soll in der 76,5 Millionen Euro teuren Arena der Ball rollen. Am Flugplatz gibt’s Einschränkungen: Die Fallschirmspringer mussten bereits nach Lahr umziehen. Ob die Segelflieger bleiben können, ist unklar. Der Flugbetrieb muss während der Spiele wegen der Luftverwirbelungen voraussichtlich für sechs Stunden eingestellt werden. Ursprünglich war von 90 Minuten die Rede.

Gegen die aktuellen Planungen stemmt sich die Bürgerinitiative Pro Flugplatz. Sie schlägt vor, das Stadion nicht am Wolfswinkel, sondern hinter dem Möbelhaus XXXLutz zu bauen (Spiegelvariante). Das soll den Lärm für Anwohner im Mooswald reduzieren und Kosten sparen. Denn die Distanz zum Wohngebiet sei in dem Fall doppelt so groß und das Stadion nicht mehr in der Hauptwindrichtung der Start- und Landebahn. So müsse der Flugbetrieb während der Fußballspiele nicht eingestellt werden, sagen Vertreter der Bürgerinitiative.

Im Rathaus stößt die Spiegelvariante auf Unverständnis. Beispielsweise sei der Vorplatz des Stadions zu klein und die Mitfinanzierung des Landes von elf Millionen Euro fürs neue Konzept nicht gesichert.

Text: tln

Einen Hintergrundbericht zum Stadionbau und den Fliegern gibt’s hier:

Stress ums neue Stadion: Am Flugplatz brodelt’s mächtig hinter den Kulissen