Sparkassen-Chef Marcel Thimm und Volksbank-Vorstandssprecher Uwe Barth im Interview STADTGEPLAUDER | 08.04.2016

Niedrige Zinsen, steigende Personalkosten, haufenweise Bürokratie: Trotz der vielstimmig beklagten Rahmenbedingungen haben die beiden großen Regionalbanken auch im vergangenen Jahr wieder überzeugende Zahlen vorgelegt. Volksbank-Chef Uwe Barth und Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Marcel Thimm haben buchstäblich die Taschen voller Geld. Gemeinsam vergaben sie neue Kredite in Höhe von 1,66 Milliarden Euro. Das sind an jedem Arbeitstag 6,6 Millionen Euro. Und dennoch kündigen sie die Schließung von Filialen und den Abbau von Stellen an. Ein nicht ganz leicht zu kommunizierender Plan. Den sie im Interview mit business-im-Breisgau-Chefredakteur Lars Bargmann zu begründen versuchen.
 
Konkurrenten nur auf den ersten Blick: Uwe Barth (l.) und Marcel Thimm eint die Sorge um die Erträge von morgen.
 
business im Breisgau: Trotz anhaltender Niedrigzinsphase haben Sie im vergangenen Jahr gesteigerte Millionen-Erträge eingespielt. Man könnte meinen, das Geschäftsmodell der regionalen Banken ist gegen alle Widrigkeiten gut gewappnet.
Barth: Wir haben zwar heute aus dem Zinsgeschäft noch mehr als 60 Millionen Euro Ertrag. Wenn die Zinsen aber so niedrig bleiben wie jetzt, dann werden wir 2020 rund
20 Prozent weniger haben. Das sind 12 Millionen Euro. Das können wir zwar teilweise durch Wachstum kompensieren, aber nie so stark, um es voll auszugleichen. Wir könnten zwar auch ein paar Jahre mit weniger Erlösen leben, aber keine zehn Jahre. Dann ist unser Geschäftsmodell infrage gestellt.
Thimm: Ich bin noch skeptischer. Wenn die Zinsen so bleiben, werden wir 2020 ein Drittel unserer Erträge verlieren. Nicht nur durch sinkende Zinsen, sondern auch durch steigende Kosten. Bei gleicher Mitarbeiterzahl steigen die Personalkosten jährlich um drei Prozent und der Aufwand durch immer mehr Bürokratie wird höher. Wir müssen also noch effizienter werden und versuchen, mehr Geschäft zu machen.
 
bib: Mehr Geschäft in weniger Geschäftsstellen. Die Sparkasse hat angekündigt, bis 2020 bis zu 20 Geschäftsstellen zu schließen und 150 Arbeitnehmer weniger zu haben. Wie sieht es bei der Volksbank aus?
Barth: Auch ich denke heute schon an 2020. Wir können unsere Erträge relativ gut planen, besser als Unternehmen mit unterjährigen Auftragsschwankungen, weil wir langfristige Bestände verwalten. Deswegen müssen wir schon heute an unser Filialnetz gehen, schon heute an die Personalplanung, damit wir 2020 noch das machen können, was wir sollen: Das Geld der Kunden verwalten und Kredite geben.
 
bib: Eine Zahl? Heute haben Sie 34 Geschäftsstellen …
Barth: … mittelfristig werden wir 20 bis 25 haben.
 
bib: Deutsche Bank, Hypo Vereinsbank, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken wollen in diesem Jahr bundesweit 1000 Filialen schließen. Allein in Freiburg gibt es mehr als 50 Geldinstitute, gibt es nicht viel zu viele Banken?
Barth: Deutschland ist in der Tat overbanked.
 
bib: Wie viele Sparkassen-Filialen werden erhalten?
Thimm: Wir sind in 35 Städten und Gemeinden tätig, um die 45 Geschäftsstellen werden wir wohl immer haben.
 
bib: Sind Fusionen in Ihren Häusern ein Thema?
Thimm: Bei uns nicht. Vielen Sparkassen geht es ordentlich. Das Fusionskarussell dreht sich aktuell nicht sehr schnell. Ob das Ende des Jahrzehnts noch so sein wird, entscheiden nicht zuletzt die Zinsen.
Barth: Bei uns in Freiburg ist das momentan kein Thema.
Thimm: Ich sehe das Thema der Geschäftsstellen nicht nur von der Kostenseite. Von unseren 69 Geschäftsstellen sind 30 Kleinstgeschäftsstellen mit weniger als zwei Mitarbeitern. Da haben wir auch zu wenig Fallzahlen, um eine hohe Beratungsqualität sicherzustellen, denn das hängt eng zusammen. Anspruchsvollere Geschäfte brauchen die besten Berater mit den entsprechenden Fallzahlen. Drei Mitarbeiter in einer Filiale sind das Minimum. Unsere Beschäftigten wollen auch nicht allein arbeiten, da geht es auch um Sicherheit, um Erfahrungsaustausch. In zweiter Linie geht es aber natürlich auch um die Kosten.
 
Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Marcel Thimm
 
bib: Herr Barth, auch Sie haben sehr kleine Geschäftsstellen, die wirtschaftlich nicht sinnvoll sind und deswegen geschlossen werden. Haben Sie keine Sorge, dass sie damit Kunden und auch Geschäft verlieren?
Barth: Wir glauben nicht, dass das passiert. Wir werden die Kundenorientierung ja nicht auf dem Altar der Effizienz opfern. Wir bitten unsere Kunden, etwas längere, aber vertretbare Wege in Kauf zu nehmen. Die Internetbanken werden ja nun nicht plötzlich in der Fläche Filialen gründen und so um neue Kundschaft werben.
Thimm: Wenn es in manchen Orten schon keinen Supermarkt, keinen Arzt und keine Apotheke mehr gibt, dann kann man von uns nicht immer erwarten, dass wir da bleiben. Der Kunde muss sich hier ohnehin schon in Nachbarorte bewegen und da wollen wir dann auch sein.
 
bib: Ein Grund für den Druck auf Ihre Erträge ist auch die immer stärkere Regulierung: Wenn Kunden heute einen Kredit über 5000 Euro benötigen, kriegen sie mittlerweile einen Koffer voller Papiere mit nach Hause und können nach dem ganzen Aufwand dann auch noch 14 Tage lang überlegen, ob sie das wirklich wollten …
Barth: Nach dem ganzen Finanzdesaster ist Regulatorik per se nicht schlecht, sogar wichtig. Was aber für eine große internationale Investment-Bank richtig ist, muss für eine kleine Genossenschaftsbank nicht richtig sein. Wir bezweifeln stark, dass hier die Angemessenheit stimmt.
Thimm: Im Windschatten einer durchaus richtigen Bankenaufsicht kommt der Verbraucherschutz. Und da gibt es ein starkes Missverhältnis zwischen einer Bankdienstleistung und anderen Dienstleistungen. Unsere Kunden fühlen sich teilweise schon entmündigt. Und dann werden wir vom Staat auch noch immer stärker als Erfüllungsgehilfe benutzt, etwa beim Thema Geldwäsche. Das alles ist für die Regionalbanken sehr teuer.
 
bib: Es wird ja schon lange über die Regulierungswut geklagt, offenbar wenig erfolgreich.
Barth: Unsere Verbände machen viel Lobbyarbeit, auch in Brüssel. Alle drücken Verständnis aus, aber die nächste EU-Verordnung fliegt trotzdem bald auf den Tisch.
Thimm: Wenn sie heute eine Wohnung ohne Rücktrittsrecht kaufen können, aber einen 3000-Euro-Konsumentenkredit nicht, dann stimmt etwas nicht.
 
bib: Wie bewerten Sie die aktuell wenig imposanten Wachstumsraten der deutschen Wirtschaft?
Barth: Der südbadischen Wirtschaft geht es gut. Wir haben 560 Millionen Euro an neuen Krediten ausgegeben, 300 im gewerblichen Bereich, 260 im privaten, hier vor allem für die Finanzierung von Immobilienankäufen oder Sanierungen. Was weniger gefragt ist, sind Kredite für Investitionen im klassischen, verarbeitenden Gewerbe.
Thimm: Wir haben noch nie ein so großes Kredit-Neugeschäft gehabt, fast 1,2 Milliarden Euro. Zwei Drittel im Gewerbe, ein Drittel vor allem bei den Wohnbaufinanzierungen. Einen solchen Markt hatten wir in den letzten 20 Jahren nicht. Aber jenseits dessen wird eher gespart als investiert. Das Niveau bei Investitionen in die Zukunft ist eher mau.
 
Volksbank-Chef Uwe Barth
 
bib: Welche Besonderheiten lassen sich an Ihren Bilanzen ablesen?
Barth: Eigentlich nur eine: Wir haben für unser Volumen schon seit Jahren sehr wenig Kreditrisiko. Es gibt nur ganz wenige Insolvenzen.
Thimm: Wir haben saldiert auch keine Risiken. Das Besondere war aber die Höhe des Kreditgeschäfts.
 
bib: Solange die Konjunktur in Fahrt bleibt, ist alles gut?
Thimm: Selbst wenn sie einbrechen würde und wir jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag an Kreditrisiken zu verbuchen hätten, wäre das normal und in unseren Preisen einkalkuliert.
 
bib: Die Digitalisierung des Bankgeschäfts schreitet schnell voran. Wo geht die Reise hin?
Thimm: Die Digitalisierung war die größte Innovation der Branche in den letzten 50 Jahren. Damit wurde zum ersten Mal neuer Wettbewerb entwickelt. Heute gibt es zwischen Internetbanken und uns in dieser Hinsicht aber keine Unterschiede. Jetzt folgt die nächste Stufe: Gibt es einen Beratungsalgorithmus? Kann man Beratung so programmieren, dass der Kunde ähnlich wie im persönlichen Gespräch zu einem Produkt geleitet wird, das zu ihm passt. Das will nicht jeder Kunde, aber der eine oder andere doch. Das ist eine spannende Herausforderung.
Barth: Wenn sich solche Firmen wie Apple, Amazon, Google, Intuit und PayPal zur Financial Innovation Coalition (FIN) zusammenschließen, mit dem Ziel, den Markt der Finanzdienstleistungen zu revolutionieren, macht man sich schon Gedanken. Wenn wir in 20 Jahren erleben, dass Beratung komplett digital erledigt wird, dann haben wir schon ein Problem mit dem Geschäftsmodell.
Thimm: Man kann das denke ich mit dem Einzelhandel vergleichen. Da vermischen sich schon jetzt der stationäre Handel und die digitale Welt. Der Einzelhändler berät den Kunden vor Ort, das passende Produkt wird dann beim Händler im Internet bestellt und geliefert. Vielleicht arbeiten unsere Kunden bald mit einer Maschine, aber der Berater sitzt trotzdem nebendran und führt ihn.
 
bib: Die Digitalisierung, von der die gesichtslosen Banken profitieren, ist nicht nur Fluch für ihre Institute …
Barth: Fluch und Segen würde ich sagen, weil sie uns auch hilft, produktiver zu sein. Vor zehn Jahren hatten wir zwei Milliarden Bilanzsumme, jetzt haben wir drei, aber 60 Mitarbeiter weniger.
 
bib: Herr Barth, Herr Thimm, vielen Dank für dieses Gespräch.
 
Text: bib / Fotos: © ns