Das lange Ringen um eine neue Eis-Arena: EHC und Rathaus uneins über die Kostenverteilung Sport | 24.03.2023 | Till Neumann und Lars Bargmann

Visualisierung neue Eishalle Letzter Halt Messe: Die dort geplante Eishalle sieht so aus, als wäre sie schon gelandet. Ob sie das jemals tut, ist völlig offen.

Die Finanzierung der neuen Eishockey-Arena an der Messe steht in den Sternen. Ob der EHC die geforderten knapp 14 Millionen Euro zusammenbekommt, kann keiner mit Gewissheit sagen. Für den EHC muss dafür eine neue Bedingung erfüllt sein. Das Rathaus kommt indes mit der Planung voran. Eine Visualisierung liegt vor – genau wie Eckdaten zu Größe, Kosten und einer möglichen Erweiterung. Die Halle könnte sogar klimaneutral werden. Ob am aktuellen Standort irgendwann Wohnungen gebaut werden könnten, ist unklar.

Bekommt Freiburg eine neue Eishalle? Oder doch nicht? Laut Vereinbarung muss der EHC bis Ende des Jahres ein Konzept zur Finanzierung vorlegen. Und das wird ein Ritt auf der Rasierklinge. „Die Voraussetzung hierfür ist eine finanzielle Beteiligung an den Gesamtkosten von mindestens 25 Prozent.“ So formulierte es die Stadtverwaltung vor knapp einem Jahr. Das heißt: Von geschätzten 55 Millionen Euro Baukosten muss der Verein mindestens 13,75 Millionen Euro zusammenbringen. Schon im April sagte EHC-Präsident Michael Müller dem chilli: „Wenn wir es hinbekommen, wäre es eine Sensation.“

Zehn Monate später hat sich daran nichts geändert. Müller berichtet von Gesprächen mit möglichen Sponsoren. „Die fragen uns zu Recht: Was bekommen wir dafür?“ Stand jetzt gibt es für ihn keine Gegenleistung. Denn Betreiber der Eishalle wäre eine städtische Gesellschaft, der EHC soll als Ankermieter fungieren. Müller schwebt mehr Mitspracherecht oder eine „angemessene Verzinsung von drei bis fünf Prozent vor“. Schließlich sei der EHC kein wohlhabender Verein. Erst neulich habe er mit einem Stadtkämmerer über die Planungen gesprochen. Der habe ihn gefragt, ob der EHC-Vorstand verrückt sei. Seine Antwort: „Ja, wir sind ein bisschen verrückt.“

Für Müller ist das Eisstadion das meistgenutzte öffentliche Gebäude der Stadt. Der Andrang ist enorm. Amateurvereine wie das Para-Eishockey-Team trainieren notgedrungen bis 23 Uhr abends (siehe Seite 12). Laut Rathaus macht der Breitensport rund 90 Prozent der Belegzeiten aus. Die Profis nur 10 Prozent. Müllers Schlussfolgerung: „Dann sollten wir auch nur 10 Prozent finanzieren.“ Die übrige Summe von den Amateuren stemmen zu lassen, ginge aber nicht.

Er verstehe die Stadt mit Blick auf die immensen Kosten. Für Müller liegen die Prioritäten in Freiburg aber grundsätzlich falsch: „Es bröckelt überall.“ Das Geld werde in Leuchtturmprojekte gesteckt. Schulen seien dafür in schlechtem Zustand, das Lycée Turenne ein Sanierungsfall. Wenn er die in die Jahre gekommene Echte-Helden-Arena sehe, blute ihm das Herz. „Irgendwo laufen doch Dinge aus dem Ruder“, sagt Müller.

Michael Müller

Geht nicht auf Betteltour: Michael Müller

Und denkt laut nach: „Vielleicht muss man doch Dietenbach opfern.“ Die Lage möchte er in einem persönlichen Gespräch mit den zuständigen Bürgermeistern Martin Haag und Stefan Breiter besprechen. Klar ist für ihn: „Wenn wir nur Geld bringen sollen, dann bin ich der falsche Mann.“ Auf Betteltour zu gehen, sei nicht sein Fall.

Tatsache ist: Die Betriebsgenehmigung der maroden Halle an der Ensisheimer Straße wäre im Juni 2024 ausgelaufen. Doch gemeinsam mit Gutachtern hat das Rathaus vergangenes Jahr eine Lösung gefunden, um das Stadion bis 2029 weiterzubetreiben. Mit digitaler Messtechnik wird die Statik überwacht. Ein Teil des Daches und der Holzkonstruktion sollen ausgetauscht werden. Mindestens einmal im Jahr muss die Halle geprüft werden. Garantieren, dass das bis 2029 gutgeht, können weder die Rathauschefs noch der EHC. Ein Lotteriespiel auf Zeit.

Müller bereitet das Vorgehen Bauchschmerzen: „Es wird sehr viel Geld in die marode Kiste gesteckt, um sie am Leben zu halten. Das hätte man auch anders investieren können.“ Er wolle aber nicht zu negativ sein. Er ist dem Rathaus dankbar für die Möglichkeit, eine neue Halle zu bauen. Der Austausch sei anständig und fair.

Das Rathaus hat indes schon Tatsachen geschaffen: Anfang Februar hat es eine Visualisierung vorgelegt. Sie zeigt das Stadion mit Platz für 4000 bis 4500 Zuschauer·innen. Standort ist eine Fläche nördlich der Sick-Arena mitsamt der Flüchtlingsunterkunft St. Christoph. Genau über diesen hatte das chilli schon im August 2020 berichtet. Damals wollten das weder Haag noch Breiter kommentieren.

14,5 Meter hoch soll das Gebäude werden, für Leistungs- und Freizeitbereich tauglich sein. Rund 55 Millionen Euro sind dafür kalkuliert. 13 weitere Millionen könnten für die oft geforderte zweite Eisfläche fällig werden. Sie wäre ein Anbau – und auch zu einem späteren Zeitpunkt realisierbar.

Sind 55 Millionen Euro viel? Für knapp 24 Millionen Euro hat Kaufbeuren 2016 eine Halle mit rund 3100 Plätzen gebaut. Nein, sagt Rathaussprecher Sebastian Wolfrum. „Unsere Kostenschätzungen sind Prognosen für das Jahr 2025.“ Zuschläge wie Baukostensteigerung, Unvorhergesehenes, Risiko und Klimafreundlichkeit seien mit eingerechnet. Die Kosten seien selbst ermittelt oder mit spezialisierten externen Büros errechnet worden. Auch der Regionalfaktor spiele eine Rolle, Beton koste beispielsweise nicht überall dasselbe. Nehme man das Beispiel Kaufbeuren und berechne die angenommenen Zuschläge und Faktoren, käme man bereits auf mehr als 50 Millionen Euro – für eine deutlich kleinere Eishalle.

Inspirieren lassen will sich das Rathaus in Kürze auch in der Schweiz. Die 2019 eröffnete Lonza Arena in Visp, die nach einem modernen Energiestandard gebaut ist und eine vergleichbare Größe hat, soll in Kürze besichtig werden. Denn denkbar ist für Freiburg auch ein energieneutrales Stadion. Photovoltaik könnte dafür großflächig aufs Dach und sonstige Flächen. „Energieneutralität im Betrieb könnte damit bereits erreichbar sein“, sagt Wolfrum.

Für EHC-Präsident Müller ist Energieneutralität „das kleinste Problem“. Es gebe eh keinen anderen Weg in Freiburg. Die Kostenschätzung findet er realistisch. Seine Devise: „Hoffnung gibt’s immer.“ Vom Gemeinderat aus gab’s kürzlich Rückenwind: Der Bebauungsplan wird fürs Areal an der Messe entsprechend geändert.

Bei der Suche nach intelligenten Finanzierungslösungen kommt auch der bestehende Standort ins Spiel. Die vier Grundstücke, auf denen die stadteigene Echte-Helden-Arena nebst Infrastruktur heute steht, sind insgesamt 10.614 Quadratmeter groß. Mit Baurecht für Wohnungen wären sie geschätzt 15 bis 20 Millionen Euro wert. Aber: Sie gehören nicht dem Rathaus, sondern der Stiftungsverwaltung.

Allerdings gehört der große Parkplatz entlang der Ensisheimer Straße, der nach einem Umzug wohl nicht mehr gebraucht würde, der Stadt. Im Baudezernat spielt das aktuell aber noch keine Rolle. Bei einer etwaigen Wohnbebauung müsse in einem noch aufzustellenden Bebauungsplan aber auch „die gewerblich geprägte Umgebung berücksichtigt“ werden, damit sich die Nutzungen nicht gegenseitig beeinträchtigen. Ob der Eissport in Freiburg eine Zukunft haben kann, steht in den Eissternen.

Visualisierung: © Stadt Freiburg
Foto: © Seehstern Rieselfeld