Traumstarts, Widerstände und flatternde Nerven – So haben sich Freiburgs Profimannschaften geschlagen Sport | 16.05.2024 | Philip Thomas
Gleich mehrere Profiteams vertreten Freiburg über die Stadtgrenzen hinaus. So liefen die Spielzeiten von SC, EHC, USC, HSG und FT.
SC Freiburg, Männer
»Trotz vieler Widerstände gut gemacht«
Seit 29 Jahren sinniert und stampft Christian Streich an der Seitenlinie des SC Freiburg. In zwölf Jahren als Cheftrainer etablierte er den Verein in der ersten Bundesliga, führte den Sport-Club sogar bis nach Europa. Im Sommer hängt der 58-Jährige die Trillerpfeife an den Nagel. Die Kräfte haben nachgelassen.
Denn auch seine letzte Saison im SC-Zwirn ist kein Selbstläufer. „Wir hatten insgesamt einfach zu viel Unruhe, zu viele Spieler waren verletzt oder weg. Einige gehen gegen Ende der Saison auf dem Zahnfleisch. Das merkt man“, sagt Streich, der den Ausfall seiner Abwehr zu beklagen hatte und daher auf ein vergleichsweise simples 4-2-3-1-System umstellte. So wie nach seiner Amtsübernahme vor zwölf Jahren.
Das Tüfteln hat der Taktiker derweil nicht verlernt: Gegen starke Leverkusener schickte Streich eine rautenförmige 5-1-3-1-Formation aufs Feld, die das Mittelfeld über weite Strecken des Spiels kontrollierte, jedoch keinen Anschluss an die eigenen Flügelspieler fand. Symptomatisch für diese Saison.
„Trotzdem hatten wir auch zuletzt richtig gute Spiele, wie zu Hause gegen Wolfsburg. Auswärts haben wir die vergangenen vier Spiele nicht verloren“, so Streich. Nur der Meister aus Leverkusen hat zum Redaktionsschluss mehr Zu-Null-Spiele als Freiburg. „Die Jungs haben es trotz vieler Widerstände gut gemacht“, sagt Streich.
Sein Nachfolger Julian Schuster tritt in große Fußstapfen. Erste Gehversuche als Coach beim Sport-Club machte er im Sommer 2018 als Verbindungstrainer: Er betreute die Schnittstelle zwischen Freiburger Fußballschule, U23 und dem Profibereich. Bei den Profis war er als Co-Trainer tätig. Der 39-Jährige erhielt außerdem die UEFA-Pro-Lizenz. Einen Kaltstart wird Schuster trotzdem hinlegen. Erfahrung als Chefcoach hat er nicht.
Wie Streich nach der Saison runterschaltet, kann er nicht sagen: „Ich war 29 Jahre Trainer, hatte einen ganz klaren Rhythmus. Ich weiß es einfach nicht, wie ich mit der neuen Situation umgehen werde.“
Foto: © SC Freiburg
SC Freiburg, Frauen
Zu viele Fehler nach Traumstart
Nach 20 Spieltagen liegt die Elf von Theresa Merk auf Platz neun von zwölf. „Mit dem Saisonverlauf sind wir nicht so wirklich zufrieden, weil wir davon überzeugt sind, dass mehr möglich gewesen wäre“, fasst Abteilungsleiterin Birgit Bauer zusammen.
Dabei erwischte das Team einen Traumstart: Bei der Saisoneröffnung gegen den Meister aus München kamen mehr als 13.000 Fans ins Dreisamstadion, in der Nachspielzeit gelang der Ausgleichstreffer. „Die größten Aufreger sind hingegen vermutlich die teilweise schwierigen Entscheidungen der Schiedsrichterinnen, wie beispielsweise in unserem Pokal-Achtelfinale gegen Frankfurt, in dem wir leider nach zwei mehr als strittigen Szenen ausgeschieden sind“, erinnert sich Bauer.
Aber auch spielerisch lief nicht alles rund. Immer wieder kosten individuelle Fehler wichtige Punkte. „Die müssen wir weiter abstellen, defensiv besser und konsequenter klären und vor dem gegnerischen Tor effizienter werden“, sagt Bauer. Ihre Geduld ist endlich: Nach der Sommerpause soll Neuzugang Julia Stierli die SC-Abwehr stabilisieren.
Foto: © SC Freiburg
EHC Freiburg
»Kein Verschnaufen«
Die Wölfe haben eine aufreibende Saison hinter sich, die DEL2 ist eine eng gestaffelte Liga. „Selbst am letzten Spieltag waren fast alle Entscheidungen bezüglich Platzierungen noch offen“, erinnert sich Marc Esslinger, 2. Vorsitzender des EHC Freiburg. „Es gab kein Verschnaufen.“ Die Erleichterung über den Klassenerhalt stand dem neuen Trainer Timo Saarikoski nach dem Heimsieg gegen Kaufbeuren entsprechend ins Gesicht geschrieben. „Das war ganz klar das größte Erfolgserlebnis“, sagt auch Esslinger.
Auch wenn die Wölfe nicht in die Playoffs einzogen: Der EHC hat zum 40-jährigen Bestehen seine zehnte Zweitliga-Saison absolviert. Laut Esslinger möchte der Verein „hungrig und ambitioniert“ bleiben. Er wisse aber: 13 andere Clubs in der DEL2 wollen das auch. Er könne also nicht ausschließen, dass die nächste „Eiszeit“ wieder einige Nerven kosten wird: „Wir erwarten eine ähnliche spannende Saison. Für die Fans ist das doch wunderbar.“
Foto: © EHC Freiburg
USC Eisvögel
»Steigerung unseres Etats hat allerhöchste Priorität«
„Wir hatten ein sehr homogenes Team, das auf und neben dem Court sehr gut harmoniert hat. Zusammen mit den basketballerischen Qualitäten haben wir es so geschafft, zu keinem Zeitpunkt Abstiegssorgen zu haben und uns sicher und frühzeitig für die Playoffs qualifiziert“, sagt Harald Janson, Sportlicher Leiter der Eisvögel. Ihr Flug endete im Viertelfinale der Playoffs.
Der Deutsche Meister des Jahres 2022 lief nur selten mit voller Stärke auf: „Die Verletzungen und Krankheiten haben viel Substanz und somit Punkte gekostet. Im Gesamtprogramm benötigen wir dringend den Ausbau hauptamtlicher Strukturen. Das kostet Geld. Und somit hat die Steigerung unseres Saisonetats allerhöchste Priorität.“
Über seinen Nachfolger auf der Trainerbank, Stefan Möller, sagt Janson: „Stefan wird extrem auf die Entwicklung deutscher Talente fokussiert sein. Freiburg wird unter ihm weiterhin ein Aushängeschild für Nachwuchsarbeit sein und deutschen Talenten früher als an anderen Standorten Verantwortung geben. In der 1. und in der 2. Bundesliga. Da gibt es keinen Zweifel.“
Foto: © USC Eisvögel
HSG Red Sparrows
Nervenflattern in Liga 2
„Wir fühlen uns noch nicht abgestiegen“, sagt Gisela Schoritz zwei Spieltage vor dem Showdown der zweiten Handball-Bundesliga. Mit dem Klassenerhalt rechnet allerdings auch die Sportliche Leiterin der Red Sparrows nicht mehr, gerade weil in dieser Spielzeit nicht zwei, sondern vier Teams runtermüssen. „Wir hätten eine sensationelle Saison spielen müssen, um drin zu bleiben. Aber wir sind zufrieden, weil wir uns weiterentwickelt haben.“
Es fehlte die Konstanz: Denn zwar siegten die Sparrows in ihrer Aufstiegssaison mit starker Abwehr und Tempospiel gegen den Tabellenprimus aus Bremen, auf der anderen Seite unterlagen sie aber gegen Tabellenschlusslicht Gröbenzell. „Das war das einzige Spiel, zu dem wir als Favorit angereist sind, aber die Nerven haben nicht gehalten“, erklärt Schoritz.
Der Sprung in die zweite Liga war groß, als Ausbildungsverein ohne Profispielerinnen waren die Spatzen aber nur in wenigen Spielen chancenlos. Schoritz blickt bereits in die Zukunft: „Die Mannschaft bleibt größtenteils zusammen. Nächste Saison greifen wir wieder an.“
Foto: © Red Sparrows Freiburg
FT 1844
Nicht nur reinschnuppern
In ihrer ersten Bundesligasaison haben sich die Volleyballer der FT 1844 auf Platz zehn von zwölf geschmettert. „Wir sind zufrieden, aber es hätte mehr sein können“, sagt Teammanager Florian Schneider. Denn der Start in die vor allem athletisch anspruchsvollere Liga verlief nicht wie gewünscht: Nach kurzem Trainingsintermezzo kehrte der US-Amerikaner Randy Deweese überraschend seine Heimat zurück. „Der sollte hier Leistungsträger und Führungsspieler werden“, berichtet Schneider.
Aber auch ohne Diagonalspieler Deweese gelang der „Affenbande“ der direkte Klassenerhalt. Auf ihren zweijährigen Bestandsschutz in der Liga wollte sich Schneider dabei nicht verlassen: „Wir haben das sportlich verdient und wollten das dokumentieren. Hinterher will man sich nichts nachsagen lassen.“ Auch nach Ablauf der Carte blanche plant die FT in der höchsten deutschen Spielklasse: „Wir schnuppern hier nicht nur rein.“
Foto: © FT 1844
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