Das »bierernste« chilli-Horoskop ÖPNV-Edition von Hobby-Astronaut Philip Thomas 4Literatur & Kolumnen | 08.08.2023 | Philip Thomas
ÖPNV ist Trumpf. Vor lauter Bus und Bahn sieht chilli-Orakel Philip Thomas schon Sterne. Nach mehr oder weniger fokussiertem Studium der Himmelskörper verrät er, wie es um unsere Zukunft so steht.
Lange Wartezeiten beim ÖPNV bist du gewöhnt – du bist schließlich ein Land-Kind. Da ist es ein ausgewachsenes Wunder, wenn sich alle Jubeljahre mal ein einziger Omnibus in dein Kaff verfährt. So lange wie an dieser Station hast du aber noch nie auf den Bus gewartet. Wie lange? Sagen wir mal so: Deine gekaufte Kinderfahrkarte ist nicht mehr gültig.
Du hast ja schon einiges erlebt und verklemmt bist du eigentlich auch nicht. Aber Freiburgs Pläne für den Ausbau des Tramnetzes orientieren sich arg südlich der Gürtellinie und des guten Geschmacks: Ständig ist die Rede von heftigen Stoßzeiten, viel Verkehr und alle vier bis sechs Minuten kommt irgendjemand.
Du und die VAG, ihr werdet keine Freunde mehr. Ihr sprecht einfach nicht dieselbe Sprache. Fahrerdurchsagen à la, „Eine Tram ist kein Restaurant“ hast du zum Beispiel noch nie verstanden. Deswegen hast du dir deine eigene Mahlzeit bestehend aus Hors d’oeuvre, Vorspeise, Hauptgericht und drei klebrigen Kugeln Eis mit Sahne ja auch selber mitgebracht?
Die Politik hat das 9-Euro-Ticket abgesägt, um der „Gratismentalität“ einen Riegel vorzuschieben. Mit der 49-Euro-Variante kommen Punks zwar nicht bis nach Sylt, du aber immerhin in den Schwarzwald. Diese Ticket-Debatte hast du eh nicht verstanden. Du besitzt auch kein Auto, bist kinderlos und interessierst dich nicht für Kunst – und zahlst trotzdem für Straßen, Schulen und Museen in diesem Land.
Während in Freiburg über den Schienenausbau fabuliert wird (mehr dazu im business im Breisgau in diesem Heft), startete schon im Jahr 2020 der erste autonome Kleinbus in Hamburg. Was aus dem Vehikel wurde, weiß niemand so genau. Gefunden wurde es später jedenfalls Billigbier schlürfend in der Roten Flora.
Mit eiserner Faust regierst du über deine Linie. Kids mit Musikboxen? Können schon mal Wandermusik reinmachen, schließlich laufen sie den Rest der Strecke. Döner mit extra viel Knoblauch? Der Mitfahrer wird auf Diät gesetzt. Aber du wirst milde. Heute hast du die Kontrolleure ausnahmsweise mal mit einer Verwarnung davonkommen lassen.
Am allergrünsten wäre, nirgendwohin zu fahren: Während Emissionen in Deutschland seit 1990 stark gesunken sind, vermeldet der Verkehrssektor nämlich: Sein Anteil an den Gesamtemissionen ist seit 1990 von etwa 13 Prozent auf 19,4 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Schätzungsweise 40 Prozent aller Jobs in Deutschland sind übrigens Homeoffice-tauglich.
Eine Green City braucht grünen Verkehr. Und grüner Verkehr braucht Geld. Und das ist merkwürdigerweise nie da. Vielleicht auch, weil der Bund nun 243 Millionen Euro Schadenersatz wegen der geplatzten Pkw-Maut blechen darf. Mit der Summe könntest du Freiburg fast mit Flugtaxis oder sogar einer kleinen U-Bahn ausstatten.
An den Herzanfall wirst du dich nie gewöhnen, wenn du in der letzten Reihe vom Bus bemerkst, dass das Teil gerade mit Vollgas über Rot brettert. Und dein Blutdruck renkt sich jedes Mal erst wieder ein, wenn du checkst, dass zwar bei dir Rot war, auf Höhe des Fahrers die Ampel aber noch auf Grün stand. Zumindest hoffst du das jedes Mal.
Wieso lassen sich in den meisten Bussen die Fenster nicht öffnen? Weil sonst natürlich die kalte Luft der Klimaanlage entfleucht. Du hast allerdings nicht das Gefühl, dass Freiburgs Busse klimatisiert sind – und außerdem springen doch sowieso alle 250 Meter die Türen auf? Immerhin: Bald ist der Sommer vorbei. Und dann werden die Heizungen in Bus und Bahn direkt auf 30 Grad geschraubt.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich in Bus und Bahn zu blamieren: Die Einkaufstüte reißt, das Deo versagt, eine Station nach dem Flirtversuch mit der süßen Blondine steigt ihr Macker zu. Schlimmer ist nur der vergebliche Sprint zur Station und die peinliche Warterei mit all den anderen Fahrgästen auf den nächsten Zug.
In ernstzunehmenden Großstädten wuppen Leute ganze Umzüge mit dem ÖPNV. Die sozialen Netzwerke sind voll mit Bildern von Reisenden und ihren Sofas, Kommoden und Tischkickern. Sogar Ponys sind dokumentiert. In Freiburg dürfen Passagiere grundsätzlich nicht mal ihr Rad mit in die Tram nehmen. Das gibt’s deutschlandweit sonst nur im piekfeinen München.
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