„Etwas Großes aufbauen“ – Produzent will mit „79 Connected“ die Rapszene pushen 4Musik | 18.03.2023 | Till Neumann

Kultur­aggregat Freiburg Urbane Acts vernetzen: Das versucht 79 Connected auch bei Events wie hier im Kultur­aggregat Freiburg im Oktober.

Musiker vernetzen, Freiburgs HipHop-­Community auf die Karte bringen. Das möchte Benjamin Kempter alias Franklin Moonway mit dem Projekt „79 Connected“ schaffen. Seit etwa einem Jahr baut der 34-Jährige die Plattform auf – mit viel Tatendrang. In der Rapszene kommt das an. Es gibt aber auch Zweifel.

„Welcome to the Moon“, sagt Benjamin Kempter und öffnet die Tür zu seinem Moonway Studio. Es liegt im Untergeschoss eines Multifunktionsgebäudes im Industriegebiet Nord. Das Licht schimmert bläulich, Kempter trägt weiße Sneakers und einen knallgrünen Hoodie. Sein Ziel: „Ich will im Süden etwas Großes aufbauen, damit Leute nicht mehr abhauen.“ Dass Künstler nach Berlin ziehen, weil Freiburg zu wenig bietet, soll Geschichte sein. Kempter ist überzeugt: Das Potenzial ist da. Mit der Plattform spricht er alle aus dem Postleitzahlgebiet 79 an.

Rund 200 Künstler·innen im Bereich Urban Music hat er auf dem Zettel. Ihnen bietet er rund 30 WhatsApp-Gruppen. 26 davon sind da, um Kontakte zu vermitteln: für Tonstudios, Pressearbeit oder auch Musikvideos. Zudem gibt es drei weitere WhatsApp-Gruppen: einen kleinen und einen großen Showroom, um Releases vorzustellen, und „Deine Statements“ für Umfragen oder Diskussionen zu Themen wie Marketing oder Authentizität. Die Gruppen sind jede Woche von Freitagabend bis Samstagabend 24 Stunden offen. „Damit es keinen Overload gibt“, erklärt Kempter.

Benjamin Kempter

Leitet das Projekt: Benjamin Kempter

Der Familienvater aus Gundelfingen betreibt zudem einen Instagram-Account, einen YouTube-Kanal und die Spotify-Playlist „79Released“. Letztere hält er für das wichtigste Tool: „Wir aktualisieren drei bis acht Tracks pro Woche.“ Alles, was an Urban Music im 79-Bereich erscheint, finde dort seinen Platz. „Wenn Veranstalter anfragen, sehen sie in der Playlist: Welche Leute sind wirklich aktiv?“, so Kempter. 371 Songs sind dort Mitte Februar zu finden. 196 Konten haben die Liste abonniert. Für Spotify-Verhältnisse ist das eine überschaubare Dimension. Die hauseigene Spotify-Playlist „RapCaviar“ hat 15 Millionen Abos – und nur 50 Songs.

Der HipHop-Produzent sieht das Projekt in mehreren Phasen. Aktuell ginge es um das Bekanntmachen der Szene. Langfristig möchte er sich und den Musikern Möglichkeiten schaffen, von ihrer Kunst zu leben. An der Menge der Supporter soll das nicht scheitern: „Statistisch gesehen müsste es in Freiburg 65.000 HipHop-Hörer geben“, sagt Kempter. „Wenn all diese Leute wissen würden, was abgeht, wären die Konzerte ausverkauft.“

Bisher habe er mit einem kleinen Team mit Zeit, Geduld und Liebe das hier geschafft. Sponsoren oder Spenden könnten neue Möglichkeiten eröffnen: „Was könnten wir schaffen, wenn wir auch noch Geld hätten? Es würde komplett eskalieren.“

Einer, der von der Plattform profitiert, ist der Rapper Ruca. „Über 79 Connected habe ich im Laufe des vergangenen Jahres einige Kontakte knüpfen können“, erzählt der 20-jährige Freiburger. Er habe jetzt wesentlich mehr Künstler und Musiker aus dem Raum Freiburg auf dem Schirm. Ruca informiert sich über den Instagram-Account und promotet seine Releases in den WhatsApp-Gruppen. Er ist überzeugt: „79 Connected erfüllt alle brauchbaren Zwecke einer Musikszene.“ Sein Ziel ist auch das von Kempter: „Ich freue mich, gemeinsam mit dem 79 Connected Freiburg musiktechnisch auf die Karte zu bringen.“

Rapper Ruca

Nutzt die Plattform: Rapper Ruca

Auch Rapper Steamboat (Joshua Büchler) von der Freiburger Crew Endlessstory schätzt die Plattform. „Den Grundgedanken, dass die Szene sich connecten sollte, finde ich super.“ Die Plattform gebe einem das Gefühl, dass man mehr an einem Strang zieht. Der konkrete Nutzen ist für ihn aber überschaubar: „Es gibt da inzwischen so viele Mitglieder, dass man ein Stück weit den Überblick verliert – und damit verbunden vielleicht auch das Interesse.“

Der 27-Jährige war beim 79-­Connected-­Abend im Kulturaggregat dabei. „Das war ein kleines Highlight“, sagt Büchler. Dass sein Musikeinkommen durch die Plattform um Prozentsatz XY gestiegen sei, könne man so aber nicht sagen. Begrüßen würde er, wenn es in den WhatsApp-Gruppen mehr Infos und Fotos zu den einzelnen Personen gäbe. „Dann könnte man sich noch mehr ein Bild machen, mit wem man da überhaupt spricht.“ Bisher sei das im Vergleich zu Instagram sehr abstrakt.

Ausbaufähig findet auch ein weiterer Freiburger Rapper die Plattform: „Das ist gutes Engagement und ein guter Gedanke“, sagt der Mann, der anonym bleiben möchte. Bei einem Event, bei dem er dabei war, ist ihm aufgefallen: „Old School und New School zusammenzubringen, hat sich dann doch als ein bisschen schwierig herausgestellt.“ Sein Eindruck war, „dass es da doch mehr um Selbstdarstellung ging“. Statt zu connecten, habe eher sehen und gesehen werden im Vordergrund gestanden.

Benjamin Kempter findet genau das wichtig: „Die Szene wächst zusammen – das ist sehr sehr cool.“  An Ideen mangelt es nicht: Sein Team arbeitet an Podcasts, Videos und bietet nächtliche Songwritingsessions zu ausgewählten Themen an. Auch eine wöchentliche Cypher und ein Festival könnte er sich vorstellen.

Der Tatendrang ist groß – genau wie der Glaube an sich selbst: „Die Freiburger HipHop-Szene zu bündeln, haben schon viele versucht – aber sie hatten nicht die Ausdauer.“ Aktuell fehlt ihm aber die Zeit, um alle Ideen umzusetzen. Und das Geld. Seine vier Helfer engagieren sich ehrenamtlich, der tatkräftigste bekommt Studiosessions als Gegenleistung. Finanzkräftige Förderer sind daher dringend gesucht.

Fotos: © 79 Connected, Tilo Fierravanti