Der Trafikant und die Nazis: Verfilmung von Robert Seethalers Romans Kinonews | 29.10.2018 | Erika Weisser

Die Geschichte der erstaunlichen Freundschaft zwischen einem alten und einem jungen Mann. Und der großen Liebe des jungen Mannes zur falschen Frau. Und eines solidarischen, aber unanpassbaren Freigeists. Und einer fatalen Zeitgeschichte, die ebenso schleichend wie unerbittlich in die persönlichen Lebenswege eingreift, ihnen eine andere Richtung gibt – oder gar keine mehr.

Alle diese Geschichten haben miteinander zu tun. Und alle miteinander machen Robert Seethalers Roman „Der Trafikant“ zu einer ganz besonderen Geschichte. Die nun bald zu sehen ist: Im November kommt Nikolaus Leytners sehr geglückte Verfilmung in die hiesigen Kinos.

Der junge Mann ist 17, heißt Franz Huchel, ist Lehrling und eben erst nach Wien gekommen. Der alte Mann ist 82, heißt Sigmund Freud, ist Psychoanalytiker und wohnt schon lange dort. Sie begegnen sich im Zeitungs- und Tabak­laden von Otto Trsnjek, wo der Franz seine Trafikanten-Lehre absolviert und wo der „Deppendoktor“ regelmäßig ein umfangreiches Quantum an Zigarren einkauft. Der starke Raucher gehört zu Trsnjeks Stammkunden, ebenso der Rote Egon, der sich hier täglich mit sozialistischen Zeitungen eindeckt. Der Trafikant kennt die Eigentümlichkeiten seiner Klientel, weiß um ihre kleinen Geheimnisse, die er aufmerksam und diskret zu bedienen versteht. Nur Nazis bedient er nicht, hat ihre Zeitungen nicht in seiner Trafik. Was sein stets lauernder Nachbar, der Judenhasser und Fleischhauer, mit vorausschauender Schadenfreude zur Kenntnis nimmt.

Franz ist gelehrig. Außer dem Zeitungslesen und der Fähigkeit, dadurch die politische Entwicklung um sich herum zu analysieren, bringt der Trsnjek ihm auch bei, die hinter der äußeren Fassade verborgenen Wünsche und Nöte eines Kunden zu entdecken; dank seiner schnellen Auffassungs- und genauen Beobachtungsgabe verfügt er rasch über eine gute empathische Menschenkenntnis. Das bringt ihn ein gutes Stück näher zu dem studierten Analytiker, mit dem ihn denn auch bald eine Freundschaft verbindet.

Bei einer Person versagt Franz’ Menschenkenntnis freilich. Und in dieser Angelegenheit kann ihm nicht einmal sein väterlicher Freund Freud helfen: Bei seiner blinden Verliebtheit in die leichtlebige Anezka, die ihn ordentlich an der Nase herumführt. Und die sich, als die Nazis auch in Österreich die Macht übernehmen, längst zum richtigen Mann ins Bett gelegt hat und auf der sicheren Seite ist.

Trsnjek, Eugen, Franz und Freud sind es nicht. Sie gehen den Weg so vieler anderer Andersdenkender, wobei Freud es sogar noch ins Exil schafft. Ein schöner, ein trauriger Film, glänzend besetzt und gespielt. Selbst in der kleinen Rolle von Robert Seethaler.

Der Trafikant
Österreich/Deutschland 2018
Regie: Nikolaus Leytner
Mit: Simon Morzé, Bruno Ganz, Johannes Krisch, Emma Drogunova u.a.
Verleih: Tobis
Laufzeit: 113 Minuten
Start: 1. November 2018
Trailer:

Fotos: © Tobis Film Petro Domenigg