Recht auf Lüge: Experte über Lebenslauf-Tricks und ihre Folgen KARRIERE & CAMPUS | 27.04.2019 | Till Neumann

Frau beim Bewerbungsgespräch

Ein bisschen tricksen im Lebenslauf, das machen viele. Doch was, wenn man auffliegt? Rechtsanwalt Markus Mingers klärt im Interview mit Till Neumann über die Folgen solcher Schummeleien auf. Der 45-jährige Experte für Arbeitsrecht hat einen Tipp für chronische Netflix-Schauer und sagt: Lügen ist in Ausnahmefällen erlaubt.

chilli: Herr Mingers, wenn ich gut Spanisch spreche, im Lebenslauf aber „fließend“ schreibe – ist das ein Drama?
Mingers: Ein Drama wird es immer dann, wenn ich Qualifikationen fake, die zu höherem Gehalt oder einer Einstellung führen. Wenn Sie sagen, Sie sprechen sechs Sprachen fließend, ist das sicher auffällig. Wenn man ein bisschen flunkert, bewegt man sich im Graubereich. Es ist dennoch Vorsicht geboten.

chilli: Sind Lebenslauflügen also vermintes Terrain? 
Mingers: Genau, wenn Sie beim Hobby aus Spazierengehen Bergsteigen machen, drohen juristisch keine Konsequenzen. Wenn Sie aber bei einer Promotion oder einem Studium die Unwahrheit sagen, ist das sehr problematisch. Davon sollte man die -Finger lassen. 

Markus Mingers

Markus Mingers

chilli: Was kann passieren, wenn ich auffliege? 
Mingers: Rechtlich gesehen ist das eine arglistige Täuschung. Das kann eine Kündigung zur Folge haben. Der Arbeitgeber hat das Recht, das gezahlte Gehalt zurückzufordern. Wer seinen Lebenslauf fälscht und unterschreibt, begeht Urkundenfälschung. Das kann strafrechtlich verfolgt werden. Im Wiederholungsfall drohen sogar Freiheitsstrafen.

chilli: Gibt es Verjährungsfristen für so etwas?
Mingers: Da kommt man nicht so leicht raus. Die Verjährungsfrist beginnt erst zu laufen ab Kenntnis der Täuschung. Die Verjährungsfrist beträgt hier zehn -Jahre oder länger.

chilli: Was mache ich, wenn es dennoch Lücken im -Lebenslauf gibt? 
Mingers: Da würde ich mit offenem Visier kämpfen. Wenn ich sechs Monate nur Netflix auf dem Sofa geschaut habe, dann war das eben so. Ich würde lieber jemanden einstellen, der das ehrlich sagt, als einen Bewerber mit einem aalglatten Lebenslauf. Die Tendenz in der Arbeitswelt geht auch in diese Richtung. Bewerber mit Ecken und Kanten können punkten. Ehrlichkeit kann da auch ein Vorteil sein. Lücken im Lebenslauf können im Gespräch erklärt werden. 

chilli: Gibt es legale Methoden, um Infos aufzuhübschen? 
Mingers: Es gibt das Recht auf Lüge im Gespräch. Wenn ich eine Bewährungsstrafe habe und danach gefragt werde, darf ich lügen. Genau wie bei einer Frau, die schwanger ist. In einem Vieraugengespräch kommen solche Fragen durchaus mal. Man muss dann nicht die Wahrheit sagen.

chilli: Auch größere Lebenslauf-Lügen fallen vielleicht gar nicht auf. Man sollte dennoch die Finger davon lassen? 
Mingers: Ja. Es gibt prominente Beispiele, die Essener SPD-Politikerin Petra Hinz zum Beispiel. Sie hat Abitur und Jura-Studium erfunden und saß im Bundestag, bis das aufflog. Wenn Sie bei Fremdsprachenkenntnissen übertreiben, kann auch das auffallen: Manche Personaler sprechen Sie im Bewerbungsgespräch in der Sprache an. Ich würde immer bei der Wahrheit bleiben.

Fotos: © iStock.com/Katarzyna Bialasiewicz, Rechtsanwälte Mingers & Kreuzer