Seltene Spezies – Wie Rollenklischees den Karriereweg bestimmen Job & Karriere | 18.06.2023 | BZ/dpa

man high5 mit kleinem mädchen

Männer machen mehr Technik, Frauen Erziehung und Pflege. Dabei sollten Azubis ihre Berufswahl eigentlich klischeefrei treffen folgende Punkte sind dafür entscheidend.

SAGE fasst als Akronym die Berufsfelder Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege sowie Erziehung und Bildung zusammen. Sie werden von Frauen dominiert. Warum gehören Männer im Erzieherberuf oder als Hauswirtschafter immer noch zu einer seltenen Spezies? Denn eigentlich sollte es bei der Berufswahl ja nicht darum gehen, einer Geschlechterrolle zu entsprechen. Sondern einen Job zu finden, der den eigenen Interessen entspricht und Spaß macht. Doch was ist wichtig, wenn Jugendliche ohne Rollenklischees im Kopf ihren Karriereweg wählen sollen?

Als gesuchte Fachkraft in den Stellenmarkt

Geht man nach Schulnoten, würde man es nicht unbedingt vermuten, doch manche Klischees stimmen wohl: „Unsere Auswertung zeigt, dass Frauen bei weitem häufiger in den Bereichen Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehung, Büro und Verwaltungsberufe oder auch Verkaufsberufe tätig sind“, so Christian Ludwig, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit.

Männer dagegen seien eher in der Produktion, in Verkehrs-, Logistikberufen sowie im Hoch- und Tiefbau beschäftigt. An der Berufswahl lassen sich also noch immer deutliche Präferenzen ablesen.

Warum wir uns von Klischees so beeinflussen lassen

„Unsere Geschlechterklischees sind immer noch in der Zweigeschlechtlichkeit organisiert. Dabei wird Weiblichkeit mit Gefühlen, Empathie und sozialer Kompetenz verbunden, Männlichkeit hingegen mit Stärke, Rationalität und technischer Kompetenz“, sagt Juliana Groß. Sie ist Fachreferentin der Initiative Klischeefrei am Kompetenzzentrum Technik-Diversity-­Chancengleichheit. Viele Jugendliche können laut Groß zwar persönlich nichts mehr mit diesen starren Vorstellungen anfangen, trotzdem wirken diese im Hintergrund als gesellschaftliches Wissen nach und beeinflussen sie.

„Menschen, die sich nicht den Geschlechternormen entsprechend verhalten, werden oft kritisch beäugt“, so Groß. Es gelte ins Bewusstsein zu rücken, dass Fürsorge und Empathie keine rein weiblichen Eigenschaften sind. „Es sind menschliche Eigenschaften.“ Weitere Faktoren, die junge Männer von einer Ausbildung in SAGE-Berufen abhalten: Viele dieser Berufe sind gesellschaftlich weniger anerkannt und werden schlechter bezahlt. Laut Groß kommen junge Männer eher in die Situation, sich dann zusätzlich rechtfertigen zu müssen, da die Vorstellung des Mannes als Haupt-
ernährer der Familie noch immer weit verbreitet ist.

Was männliche SAGE-Azubis an Unterstützung brauchen

„Interessiert sich ein Junge oder junger Mann für eine SAGE-Ausbildung, ist es wichtig, dies nicht zu verbesondern oder als vermeintlich geschlechtsuntypisch herauszustellen“, rät Groß. Die Berufswahl sei etwas Persönliches. „Es sollte normal sein, dass ein Mann auch als Erzieher oder Pfleger arbeitet.“

Eine wichtige Rolle spielen auch Angebote wie der Boys’Day, der Jungs einen Einblick in frauendominierte Berufe gibt. Damit soll über Geschlechterklischees hinweg das Berufswahlspektrum erweitert werden.

Denn oft sei den Jugendlichen und auch ihren Eltern gar nicht bewusst, was es alles für Möglichkeiten gibt, so Ludwig. Allerdings gilt: „Diese Aktionstage bringen besonders dann etwas, wenn sie auch in der Schule vor- und nachbereitet werden.“

Männer sind in Frauenberufen willkommen

„Nicht zuletzt auch wegen des akuten Fachkräftemangels in vielen einseitig von Männern oder Frauen besetzten Berufen – Männer sind in Frauenberufen meistens herzlich willkommen“, hat Groß beobachtet.

Und tatsächlich würden im Laufe der Karriere die Geschlechterklischees auch zum Vorteil der Männer arbeiten: „Männer gelangen in den typischen Frauenberufen vergleichsweise schnell in Führungspositionen, weil Führungsstärke besonders mit Männern assoziiert wird“, so Groß.

In männlichen Erwerbsbiografien kommen zudem immer noch kaum Teilzeitarbeit oder Auszeiten für die Betreuung von Kindern, Alten und Kranken vor, bei Frauen dagegen umso mehr. Wir müssten daher nicht nur unsere Vorstellung von Führung überdenken, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, fordert Groß. Auch die Fürsorge und Pflege von Angehörigen müssten Männer und Frauen gleichmäßiger unter sich aufteilen.

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