10 Jahre Kunsthalle Messmer: Große Schauen von Chagall bis Miró Kultur | 04.06.2019 | Stefan Pawellek

Die Kunsthalle Messmer in Riegel feiert dieses Jahr ihr Zehnjähriges. Jürgen Messmer, Gründer und spiritus rector, blickt auf eine spannende – und nicht immer einfache – Zeit zurück.Sammler sei er immer gewesen, sagt er. Und als Student in München – Jürgen Messmer studierte Wirtschaftswissenschaften – stellte er fest, dass es billiger ist, in Museen zu gehen als ins Kino. Die beiden Pinakotheken, das Lenbachhaus, die Schack-Galerie – eigentlich jeden Ort, wo es Kunst zu besichtigen gab, besuchte der junge Messmer. Damals erstand er auch die ersten Werke: „Mein erster Kauf war ein Cézanne-Druck vom Bruckmann-Verlag – an Originale war damals nicht entfernt zu denken. Diesen Druck habe ich heute noch.“

Nach dem Studium stieg er bei der Schreibgeräte-Firma Rambold ein. Während seiner Arbeit für Rambold besuchte Messmer auf Reisen stets die örtlichen Museen und kam so schließlich in Kontakt mit Henry Drake, der ebenfalls im Schreibgerätegeschäft tätig war – aber auch ein großer Kunstsammler.

„Nach einer Schreibgerätemesse in New York bekam ich eine Einladung zu einem Abend mit Drake“, erinnert sich Messmer. „Ich war todmüde und hatte eigentlich keine rechte Lust, bin aber hingegangen.“ Bereut hat er es nicht: Messmer entdeckte eine Skizze von Franz Marc, eine Vorarbeit zum „Blauen Pferd“ – und war gebannt. Drake bemerkte das und schleppte den Gast zwei Stunden durch sein Haus – vorbei an echten Kandinskys, an Werken vonFeininger, Monet, Utrillo, Picasso, van Gogh: „Es war ein Erlebnis!“ Bei Messmer war das Kunstvirus nun endgültig ausgebrochen.

Bei einem Besuch bei Drake in dessen Chalet in der Schweiz, im Jahr 1978, lotste der ihn zu einem Kunsthändler, der „interessante Bilder“ hätte. Dort hingen, so erinnert sich Messmer, die ersten Evards, die er je sah. André Evard galt und gilt als wegweisender Schweizer Künstler der Moderne, der zeit seines Lebens sowohl figurativ wie abstrakt malte. „Ich musste Bilder von ihm haben“, schildert Messmer die Situation, „aber der Händler wollte nur das gesamte Nachlasskonvolut von 700 Arbeiten oder keine verkaufen.“

Messmer ging zu seiner Hausbank in Villingen-Schwenningen und es gelang ihm, einen Kredit zu bekommen. Er lagerte die Bilder in einem Speditionslager ein, hängte sie dort auf und begann sie zu katalogisieren. Er musste einige Werke verkaufen, um den Kredit zu refinanzieren, und es gelang ihm, einen Freund, den deutschen Maler, Grafiker und Objektkünstler Felix Schlenker, für eine Ausstellung von Evard-Werken in Villingen-Schwenningen zu begeistern. „Es war ein Erfolg, ich habe Bilder verkauft, es gab Aufmerksamkeit – aber natürlich drückte der Kredit noch immer!“
1986 beschloss Messmer, Rambold zu verlassen und seine eigene Schreibgeräte-Firma zu gründen. Beim Neubau des Firmensitzes in Emmendingen achtete er darauf, dass die Räumlichkeiten auch für Ausstellungen zu nutzen waren. „Ich begann, erste eigene Ausstellungen zu organisieren, zu kuratieren“, erinnert er sich.

Ebenfalls in der Firma tätig war Messmers Tochter Petra. Im Spätstadium wurde bei ihr Krebs diagnostiziert – sieben Monate kümmerte er sich um sie, bis sie 2003 im Alter von 35 Jahren starb. Messmer sagt nicht viel über dieses düstere Kapitel, aber auch mehr als ein Jahrzehnt danach ist ihm die Schwere des Verlustes anzumerken. 2005 gründete er die Petra-Messmer-Stiftung, die mittlerweile unter dem Namen messmer foundation läuft: Die gemeinnützige Stiftung ist heute Trägerin der kunsthalle messmer.

Messmer verkaufte sein Unternehmen – was nun? „Ich war frei, hatte Geld und viel Zeit“, erinnert er sich an diese Phase. Ein Freund brachte die Idee ins Spiel, eine private Kunsthalle zu eröffnen. „Nicht allein für meine Sammlung, sondern um interessante Ausstellungen für die Bevölkerung zu präsentieren und damit Kunst zu fördern.“ Freiburg schien ein geeigneter Standort, zumal eine attraktive Kunsthalle fehlte.

Die Kunsthalle Messmer in Riegel.

Doch die Abwehr der Freiburger Kulturszene war so massiv, dass er das Projekt fallenließ: „Auf Dauer kann man keine negative Presse gebrauchen, das zehrt an den Nerven.“ Die Kritik der Kunst-
szene sei „unter die Gürtellinie“ gegangen, erinnert sich Messmer. Heute denkt er nicht mehr daran. „Das ist mein Naturell, ich bin nicht nachtragend: abgehakt.“

Große Schauen von Chagall bis Miró

Das dürfte auch daran liegen, dass er in Riegel, in dem ehemaligen Brauereiensemble, die Möglichkeit bekam, seine Kunsthalle zu eröffnen. 900 Quadratmeter Ausstellungsfläche mit indirektem Licht, modernster Klima- und Sicherheitstechnik, mit Skulpturengarten und Platz für eine 2013 eröffnete kommerzielle „Galerie Messmer“ – kurz: eine ideale Kombination. Heute präsentiert er jährlich bis zu drei großangelegte Schauen. Zu den bisherigen Publikumserfolgen zählen Ausstellungen über Marc Chagall, Le Corbusier, Victor Vasarely, Joan Miró und Salvador Dalí.
Messmer kuratiert meist selbst, knüpft und pflegt Kontakte, sucht Sponsoren und schnürt Angebote für Gruppen. Die, die vor zehn Jahren seine Kunsthalle ablehnten, erleben nun, wie Riegel in den Feuilletons stattfindet, wie Messmer-Ausstellungen besprochen werden, lobend. Zufrieden? „Klar“, sagt er und grinst. Nach Riegel kommen dank der Kunsthalle pro Jahr 40.000 bis 50.000 zusätzliche Besucher. Für die kleine Gemeinde eine große Zahl.

Und wie muss man sich das Leben des Privatmanns Jürgen Messmer vorstellen? „Nun, ich lebe mit der Kunst und es kann sein, dass wegen einer Ausstellung mein Wohnzimmer ohne Bilder ist“, sagt der Kunstsammler, der mit seiner Frau in einem Penthouse auf dem Dach der Halle wohnt. „Aber dann gehe ich die Treppe hinunter, in die Ausstellungshalle, und sehe meine Bilder wieder. Ohne, glaube ich, könnte ich nicht leben!“

Info

10 Jahre kunsthalle messmer:
Ein Leben für die Kunst
Retrospektive:
der Nachlass von André Evard
20. Juni bis 15. September
Museumsfest mit Vernissage:
20. Juni, ab 11.30 Uhr

Fotos: © messmer foundation Kunsthalle