Eine Straße aus Schlamm: Haifaa Al Mansour zeigt die Geschichte einer aufmüpfigen Frau Kinonews | 11.03.2020 | Erika Weisser

Ausschnitt von Kino Film Die perfekte Kandidatin

In der ersten Einstellung des Films sind von Maryam nur die Augen zu sehen: Ein schwarzer Niqab mit schmalem Sehschlitz verhüllt Gesicht und Haare, ein weiter, langer Mantel die ganze Gestalt. Dass sie ziemlich selbstbewusst am Steuer ihres eigenen Autos sitzt, passt zunächst nicht so ganz ins Bild.

Bald zeigt sich jedoch, dass wir es hier tatsächlich mit einer sehr selbstbewussten Person zu tun haben. Maryam macht nämlich nicht nur ganz selbstverständlich von der in Saudi-Arabien noch nicht einmal seit zwei Jahren geltenden Fahrerlaubnis für Frauen Gebrauch. Sie ist auch nicht zum Vergnügen unterwegs. Sondern zu einem kleinstädtischen Krankenhaus, wo sie als einzige Ärztin in der Notaufnahme arbeitet. Es versteht sich fast von selbst, dass sie es dort recht schwer hat: Trotz exzellenter Fähigkeiten weigern sich männliche Patienten, von ihr behandelt zu werden, muss sie jeden Tag aufs Neue die Anerkennung ihrer Kollegen erkämpfen, die selbst keine Ärzte sind.

Ein weiteres Ärgernis ist für sie der Zustand der Klinikzufahrt, die eher einer Schlammwüste als einer Straße gleicht. Und obwohl die Ambulanzwagen und Rollbahren mit den dringend versorgungsbedürftigen Kranken oder Unfallopfern ständig im Morast steckenbleiben, unternehmen weder die Klinik- noch die Stadtverwaltung ernsthafte Anstrengungen, den unbefestigten Weg endlich asphaltieren zu lassen.

 

Ausschnitt von Kino Film Die perfekte Kandidatin

 

Nach mehreren vergeblichen Versuchen, hier eine Veränderung zu bewirken, sinnt Maryam auf berufliche Neuorientierung, will sie sich im weniger konservativen Dubai um einen Job bewerben. Doch mangels eines männlichen Begleiters und einer nicht erfüllten geringfügigen Vormundschafts-Formalität, lässt man die erwachsene Frau nicht reisen. Über einen entfernten Cousin erfährt sie von der bevorstehenden Kommunalwahl – und beschließt, nicht nur von dem seit 2015 bestehenden Wahlrecht für Frauen Gebrauch zu machen, sondern selbst zu kandidieren. Nicht nur wegen der Straße aus Schlamm, die dann plötzlich doch noch geteert wird: Ihr direkter Gegenkandidat, seit Jahren Gemeinderat mit großem politischen Einfluss, hat wahlkampftaktisch dafür gesorgt.

Maryam gibt indes nicht auf, geht ihre kleinen Schritte in Richtung Emanzipation unbeirrt weiter. Zwar verliert sie trotz einer ebenso klugen wie mutigen und von ihren beiden Schwestern nach Kräften unterstützten Kampagne am Ende die Wahl. Doch sie schafft sich und anderen Frauen mit viel Geschick und überraschenden Auftritten einige neue Freiräume. Was nicht zuletzt daran ersichtlich wird, dass sie die Vollverschleierung schließlich ablegt.    

Haifaa Al Mansours Film ist eine zaghafte Komödie, die mit einiger Ironie die Absurditäten auskostet, die ein sexistisches Land wie Saudi-Arabien in seiner Irrationalität ständig produziert.

 

Die perfekte Kandidatin
Saudi-Arabien 2019
Regie: Haifaa Al Mansour
Mit: Mila Al Zahrani, Dae Al
Hilali, Noura Al Awadh, Khalid Abdulrhim u. a.
Verleih: Neue Visionen
Laufzeit: 104 Minuten
Start: 12. März 2020

 

 

Fotos: © Neue Visionen