Weder gut noch böse: „Kunst und Nationalsozialismus“ in Lörrach Kultur | 16.10.2020 | Stella Schewe

Gemälde Sammlung Dreiländermuseum Hermann Burtes „Anker am Rhein“ zeigt den Blick von Baden ins französische Elsass, das aus seiner Sicht zur „gemeinsamen alemannischen Heimat“ gehörte.

Unter welchen Bedingungen war künstlerisches Schaffen in der NS-Zeit möglich? Damit beschäftigt sich die Ausstellung „Kunst und Nationalsozialismus“ im Lörracher Dreiländermuseum. Sie zeigt vor allem eines: Schwarz-Weiß-Denken ist fehl am Platz.

Schon das erste der insgesamt 113 Exponate macht nachdenklich: eine Projektion von Emil Noldes Gemälde „Der Brecher“, das früher im Kanzleramt hing. Der norddeutsche Maler galt jahrzehntelang als Opfer der NS-Diktatur. Als eine Ausstellung 2019 jedoch seine Nähe zur NS-Ideologie offenbarte, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel das Bild abhängen – eine kluge Entscheidung, findet Museumsleiter Markus Moehring, denn: „Es war ein politischer Akt und sollte einen klaren Schnitt symbolisieren.“ Ein Museum dagegen dürfe differenzierter sein. „Man darf sich durchaus an der Qualität eines solchen Werkes freuen, aber den Kontext dabei nicht vergessen.“

Der Kontext – um ihn geht es bei allen zwölf Künstlern, die paarweise vorgestellt werden. Etwa bei Hans Adolf Bühler und August Babberger, beide Professoren an der Landes-
kunstschule in Karlsruhe. Bühler – der auf Burg Sponeck bei Jechtingen am Kaiserstuhl lebte und dort Besuch von Adolf Hitler bekam – zählte während der NS-Diktatur zu den führenden badischen Künstlern. 1933 veranlasste er als Direktor der Landeskunstschule die Entlassung des dem Expressionismus nahestehenden Fachbereichsleiters Babberger. Aber: Bühler sei schon 1932 zum Direktor gewählt worden, erzählt Moehring, und das auch mit Babbergers Stimme. Außerdem habe er Babberger eine andere Klasse angeboten, was dieser jedoch ausschlug und stattdessen in die Schweiz ging.

Gemälde Sammlung Dreiländermuseum

Die „3 Arbeiter“ von Adolf Riedlin stehen im Mittelpunkt seines großen Freskos für das Gaswerk Freiburg.

Über derlei Hintergründe informieren Texte an Litfaßsäulen, zu denen rote Streifen am Boden führen. An den Wänden dagegen wirkt die Kunst für sich. Auch die der Brüder Hermann und Adolf Strübe. Ersterer war zunächst gegen die Nazis, aber dann unter seinem Künstlernamen Burte ein renommierter Dichter und Maler, der „in der NS-Zeit eine große Rolle spielte“, wie das persönliche Telegramm von Goebbels belegt. Adolf Strübe dagegen galt „bei schnellem Blick als Opfer“ und sollte nach dem Krieg, als Professor der Kunstakademie Freiburg, im Auftrag der französischen Besatzer die Kunst neu ausrichten. Aber seine Stelle in Berlin habe er in den Jahren zuvor trotz Schwierigkeiten nie verloren, und Briefe an seinen Bruder zeugten von einer ähnlichen Weltanschauung.

„So einfach ist das nicht mit der Täter-Opfer-Bezeichnung“, fasst der Historiker mit Blick auf die vom Stil her ganz ähnlichen Werke der Brüder zusammen. „Was ist hier Burte, was Strübe? Und was ist NS-Kunst?“ Die Ausstellung wolle mit dem Klischee aufräumen, NS-Künstler hätten nur „Arbeiterkolonnen oder muskulöse Männer mit nacktem Oberkörper“ gemalt. Stattdessen lade sie ein zu einem differenzierteren Blick. Zu verdanken sei dieser auch der Kuratorin, der US-amerikanischen Kunsthistorikerin Barbara Hauß, die die Schau zwei Jahre lang vorbereitet hat. Ist ihr Blick schärfer und kritischer? „Nein“, sagt Moehring, „aber er ist ausgewogen.“

Bei allen zwölf Künstlern gebe es sowohl Bezüge als auch Distanz zum Nazi-Regime. So erlebten Emil Bizer und Adolf Riedlin als Mitglieder der Badischen Secession – einer Künstlervereinigung, die am Aufbau des „neuen Reiches“ mitwirken wollte – Erfolg und Verfemung gleichzeitig. Bilder von Riedlin etwa wurden 1937 aus dem Freiburger Augustinermuseum als „entartet“ beschlagnahmt, doch im selben Jahr erhielt er den staatlichen Auftrag für ein Fresko im Freiburger Gaswerk. Das Museum mit einem klaren Urteil zu verlassen, ist unmöglich. Und genau das ist gewollt, betont sein Leiter: „Hier der Böse, da das Opfer, das ist zu einfach.“

Kunst und Nationalsozialismus
bis 30. Mai 2021, Dreiländermuseum Lörrach
www.dreilaendermuseum.eu
Parallel dazu zeigt das Historische Museum Basel „Grenzfälle – Basel 1933-1945“
www.hmb.ch

Fotos: © Sammlung Dreiländermuseum