Dear Future Children – Franz Böhms Dokumentation präsentiert Zukunfts-­Aktivistinnen aus drei Ländern Kinonews | 14.10.2021 | Erika Weisser

Szene aus "Dear Future Children"

Die Bilder sind bedrückend: Über den Straßen von Santiago de Chile schwebt der Rauch von brennenden Barrikaden, junge Leute mit Gasmasken laufen vor Tränengas und den Gummigeschossen der Polizisten davon – und vor anrückenden Wasserwerfern. Denn diese sind nicht gekommen, um die Brände zu löschen, sondern vielmehr, um die Protestierenden von der Straße zu fegen.

„El pueblo unido jamás será vencido“ singen die Protestierenden in einer weiteren Filmsequenz aus der Hauptstadt des lateinamerikanischen Landes – wie vor 50 Jahren, als während der Regierungszeit des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende die unbesiegbare Einigkeit des Volkes beschworen wurde. Doch ein Militärputsch beendete den Versuch, eine gerechte Gesellschaft aufzubauen. „Ein sehr brutaler Diktator“, sagt die Aktivistin Rayen, gelangte an die Macht: Augusto Pinochet.

Szene aus "Dear Future Children"

Während seiner Diktatur, erklärt die 24-Jährige weiter, sei die Verfassung erlassen worden, die immer noch gültig und „die Hauptursache für die große Kluft zwischen Reichen und Armen im Land“ sei. Eine Preiserhöhung für die Metro brachte das Fass zum Überlaufen, erinnert sich Rayen „noch ganz genau“ an den 18. Oktober 2019. Viele junge Menschen gingen damals auf die Straße. Sie war dabei – und spürte, dass dies „der Anfang einer Veränderung war“.

Auch für Hilda lief irgendwann ein Fass über. Da war die inzwischen international bekannte ugandische Klima- und Bürgerrechts-Aktivistin noch ein Kind: Sie war elf Jahre alt, als der Klimawandel die Bauernfamilie zwang, ihre Felder in der einst fruchtbaren Region Kyengera zu verlassen und in der Hauptstadt Kampala nach Überlebenschancen zu suchen. Zuerst, erzählt die 23-jährige Studentin, seien wegen fehlenden Regens die Pflanzen verdorrt. Dann wieder hätten Regengüsse „alles weggespült“. Als wegen der steigenden Temperaturen die Trinkwasserquellen und Bäche versiegten, blieb nur die Flucht. Später, als sie die Zusammenhänge verstand, gründete sie „Fridays for Change“; eine Einstellung zeigt sie an einer Straße – alleine, mit einem Plakat, auf dem zu lesen ist: „Keep Mama Africa Green“.

Szene aus "Dear Future Children"

Alleine steht auch die 22-jährige Pepper am Rande einer Manifestation in Honkong. Dort sind im Sommer 2019 viele Menschen zusammengekommen, um gegen die drohende Vereinnahmung der Stadt durch die VR China zu demonstrieren. Anlass war ein geplantes Rechtshilfegesetz, das vorsah, Inhaftierte an China auszuliefern. Damit wuchs die Befürchtung, dass das liberale Rechtssystem Honkongs ausgehöhlt werde – und demokratische Rechte wie Rede- und Pressefreiheit. „Wir wollen keine Diktatur“, spricht Pepper gegen den Lärm von Hubschraubern und Polizeisirenen an, „wir sind nicht das Eigentum Pekings. Wir wollen, dass der Status quo erhalten bleibt: Ein Land, zwei Systeme.“

Szene aus "Dear Future Children"

Einen sehr eingehenden Film über Erfolge und Rückschläge beim Kampf für bessere Lebensbedingungen hat Franz Böhm gedreht – mit drei Aktivistinnen seiner Generation: Er ist selbst gerade 22 Jahre alt. Am 17. Oktober ist er zu Gast im Kino Friedrichsbau.

Dear Future Children

Deutschland 2021
Regie: Franz Böhm
Dokumentarfilm
Verleih: Camino
Laufzeit: 88 Minuten
Kinostart: 14. Oktober 2021

Fotos: © Camino Filmverleih