„Ein absurdes Hü und Hott“: Interview mit Kinobetreiber Ludwig Ammann Kultur | 18.11.2021 | Erika Weisser

Ammann

Mitten im Sommer, als es die Leute eher ins Freie als ins Kino zog, öffneten Harmonie, Friedrichsbau und Kandelhof wieder – nach einer sieben Monate langen zweiten Phase der geschlossenen Türen. Der Sommer war regnerisch und die Besucher stürmten die Kinosäle geradezu – zumindest bei bestimmten Filmen. Kinochef Ludwig Ammann über Albträume, Masken und Schnapsideen.

cultur.zeit: Haben Sie mit diesem Ansturm gerechnet, und wie sieht Ihre Bilanz für die ersten vier Monate nach der Eröffnung aus – kommen die Kinobesucher inzwischen eher zögerlich?

Ammann: Wir wussten, dass in diesem Sommer viel mehr attraktive Filme als sonst starten würden, eine von zwei Bedingungen für einen Ansturm war also erfüllt. Dass dann auch noch die zweite Bedingung über weite Strecken erfüllt sein würde, nämlich grottenschlechtes Wetter, konnten wir natürlich nicht vorausahnen. So haben wir allen Grund zur Freude, der Kinosommer war gut, viel besser als der letzte, und der Oktober dank Bond hervorragend. Einziger Wermutstropfen, nicht für uns, aber für die Verleiher: Da viel zu viele über ein Jahr aufgeschobene Filme gleichzeitig starten, gehen die meisten Titel sang- und klanglos unter – es gibt jenseits der wenigen Gewinner wie „Keine Zeit zu sterben“, „Der Rausch“, „Nomadland“ oder „Die Unbeugsamen“ fast kein gesundes Mittelfeld mehr, nur noch Flops. Ein Albtraum für Verleiher!

cultur.zeit: Derzeit gilt in Ihren Kinos die 3G-Regel. Wie hoch sind damit die Platzkapazitäten?

Ammann: Alle Vorschriften, die die Kapazität eingeschränkt hatten, wurden durch die Einführung von 3G aufgehoben. Wir haben darum die gesperrten Sitzreihen nach und nach freigegeben und den Abstand zwischen Buchungsgruppen auf nur noch einen Platz reduziert. Damit kommen wir auf 70 bis 80 Prozent Kapazität, die reichen uns für die allermeisten Filme. Und einen Knaller wie Bond spielt man eben in zwei Sälen – bei insgesamt 11 Sälen kein Problem. Bleibt noch die Maskenpflicht – wobei die Maske ja zum Verzehr abgenommen werden darf. Die 3G-Kontrolle am Einlass kostet selbstverständlich mehr Zeit und Personal. Das dämpft die Rentabilität, ist aber noch verkraftbar.

Kandelhof

cultur.zeit: Derzeit steigen die Infektionszahlen wieder. Nach den Verlusten von 2020/21 würde so manches Kino eine weitere Schließung nicht überleben. Wie würde für Sie das ideale Konzept für Kinos und andere Kulturstätten in Pandemiezeiten aussehen?

Ammann: Die Einführung von 3G als Zugangsbeschränkung für Veranstaltungen war ein überfälliger Fortschritt im bemerkenswert inkohärenten Pandemiemanagement. Anders ist das bei 3G Plus und 2G beim Überschreiten von Grenzwerten, denn der Anteil der Schnellgetesteten am Einlass ist schon seit Wochen auf ein bis zwei Prozent gesunken. Da sind 3G Plus und 2G reine Augenwischerei, das verhindert kein einziges epidemiologisch relevantes Cluster. Und bei der Maskenpflicht am Platz nach der 3G-Kontrolle rollen sogar die mit den Augen, die sie von Amts wegen hochhalten sollen. Darum: 3G minus Maskenpflicht bis zum Frühling wäre gut, noch besser wäre eine Impfkampagne, die auch die Skeptiker und Gegner überzeugt, schädlich sind Schnapsideen wie das optionale 2G: Epidemiologisch sinnfrei und mit Blick auf die Maskenpflicht ein absurdes Hü und Hott, denn die entfiel nun nur auf der Basisstufe; in der inzwischen verkündeten Warnstufe herrscht nämlich wieder Maskenpflicht. Wer sich hat ködern lassen, darf jetzt seinen Gästen verklickern, dass sie nach zwei Wochen Freiheit die Maske wieder auflassen müssen. Wer soll das denn noch ernst nehmen?

cultur.zeit: Herr Ammann, vielen Dank für das Gespräch.

Fotos: © Ingo Schneider Erika Weisser