Unrecht gestern und heute: Ausstellung über koloniale Verwicklungen Freiburgs Kunst & Kultur | 22.07.2022 | Pascal Lienhard

Emeka Udemba rassistische Darstellungen auf Spendenkästchen

Kolonialismus ist lange vorbei? Formal mag das stimmen, doch viele Praktiken haben sich erhalten. Das zeigt die Ausstellung „Freiburg und Kolonialismus: Gestern? Heute!“ im ­Augustinermuseum. Das Museumsteam be­leuchtet mit Blick auf die Freiburger Stadtgesellschaft, wie weit koloniale Verwicklungen reichen – zum Teil bis heute.

Freiburg ist nicht dafür bekannt, eine besondere Rolle im Kolonialismus gespielt zu haben. Die Ausstellung eröffnet neue Perspektiven. Denn ein Großteil der Verwicklungen in den Kolonialismus war – und ist – auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Im Fokus der Schau stehen etwa Freiburger Bürger·innen, die über den Genuss von Kaffee oder Südfrüchten, das Tragen bestimmter Kleidung oder den Besuch rassistischer „Völkerschauen“ mit dem Kolonialismus verflochten waren.

Die Macher·innen der Ausstellung orientieren sich an dem Motto „Nicht über uns ohne uns“, externen Partner·innen wird Platz eingeräumt. „Wir wollen das Thema nicht eindimensional zeigen“, erklärt Kuratorin Beatrix Hoffmann-Ihde. Beispielsweise präsentiert eine Fotostrecke den deutschen Kolonialismus aus der Sicht junger namibischer Fotografinnen.

Ein eindrucksvolles Exponat hat der in der Nähe von Freiburg lebende Emeka Udemba beigesteuert. Der Künstler mit nigerianischen Wurzeln hat sich mit Spendenkästchen beschäftigt. Diese dienten der finanziellen Unterstützung von Missionar·innen. Auf den Kästchen waren häufig rassistische Darstellungen kolonialisierter Menschen zu sehen, bei Einwurf einer Münze nickten diese unterwürfig. Missionsspardosen standen bis in die 1980er-Jahre an Freiburger Weihnachtskrippen. Das hat Udemba mit einer überlebensgroßen Figur in der Skulpturenhalle aufgegriffen.

Koloniale Praktiken reichen bis in die Gegenwart

„Wir wollen den Bezug des Themas zur Gegenwart zeigen“, sagt Hoffmann-Ihde. Daher bietet die Ausstellung die Möglichkeit, sich globaler Ungerechtigkeiten bewusst zu werden. Ein Beispiel ist Biopiraterie. Die im südwestlichen Afrika lebenden Menschen kennen und nutzen die Heilwirkung bestimmter Pflanzen seit Langem. Begünstigt durch koloniale Machtverhältnisse hat sich die Pharmaindustrie des Globalen Nordens dieses Wissen angeeignet und nutzt es für die Herstellung patentierter Medikamente. An den Gewinnen werden die ursprünglichen Wissensträger·innen nicht beteiligt. Die koloniale Praxis wirkt bis in die Gegenwart.

Thema sind ebenfalls Freiburger Menschen, die aktiv am Kolonialismus beteiligt waren. Zu ihnen gehört Theodor Leutwein, der seinen Ruhestand teilweise in Freiburg verbrachte. Während er Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) war, begann der OvaHerero- und Namakrieg. Unter Leutweins Nachfolger entwickelte sich der Konflikt zum Genozid. Zu einem führenden Rassenideologen des Dritten Reiches wurde Eugen Fischer, der bis 1927 die anthropologische Sammlung der Uni Freiburg betreute. 1908 reiste er nach Deutsch-Südwestafrika, um am Beispiel einer lokalen Bevölkerung seine Theorien zur „Rassenreinheit“ zu begründen.

Ergänzend läuft im Museum Natur und Mensch die Schau „Handle with care – Sensible Objekte der Ethnologischen Samm­lung“. Es handelt sich um ein brandaktuelles Thema. Die Freiburger Museen (wir berichteten) sind im Besitz von zehn Benin-Bronzen.

Foto: © Patrick Seeger